Reif für die Urne?

Pro und Kontra

Pro
von Beate Walter-Rosenheimer (Grüne)

Eine Absenkung des Wahlalters für alle Wahlen, also auch für die zum Deutschen Bundestag und für das Europaparlament, ist für einige ein rotes Tuch. Sie halten es für eine bloße Anbiederung an die junge Generation und andere führen ins Feld, dass Jugendliche noch keine ausgereifte Meinung haben.

Das mag in Einzelfällen stimmen, so wie es aber leider auch bei deutlich älteren Wählern und Wählerinnen stimmen kann. Ihnen würde aber aus diesem Grund niemand ihr grundgesetzlich verbrieftes Wahlrecht absprechen.

Meine Fraktion und ich setzen uns schon länger für eine Absenkung des Wahlalters ein. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: In einer immer älter werdenden Gesellschaft sollen junge Menschen ihre Zukunft mitgestalten. Auch sie haben ein Recht darauf, dass ihre Meinungen, Wünsche und Vorstellungen bei politischen Entscheidungen berücksichtigt werden. Jugendbeteiligung soll deshalb an allen Orten des Aufwachsens möglich sein: auch an der Wahlurne. Wer früh spürt, dass Dinge durch eigenes Engagement verändert werden können, erlebt eigene Wirkmächtigkeit und lernt Demokratie.

Gleichzeitig müssen wir politische Bildung sowohl als Unterrichtsfach als auch als Querschnittsaufgabe ausbauen und fördern. Auf diese Weise können bereits Schülerinnen und Schüler zu mündigen Bürgern und Bürgerinnen werden, selbst wenn sie aus einem Umfeld kommen, in dem auf politische Bildung nur wenig Wert gelegt wird.

Im Übrigen gibt es in zehn Bundesländern bereits die Möglichkeit, mit 16 Jahren bei Kommunalwahlen abzustimmen. In vier Bundesländern dürfen junge Menschen ab 16 Jahren an Landtagswahlen teilnehmen. Die Erfahrungen hier sind durchweg positiv. Das ist ein starkes Signal auch für die Bundesebene. Darum: Wahlalter auf 16 Jahre senken.

Kontra
von Christoph Ploß (CDU)

Alle paar Jahre kommt ein bekanntes Sommerloch­thema hervor: das Wahlrecht ab 16. Die Befürworter argumentieren, eine entsprechende Änderung des Wahlrechts könne dauerhaft dazu führen, der sinkenden Wahlbeteiligung unter Jungwählern entgegenzuwirken. 

Doch das Argument hält einer Überprüfung nicht stand. Wahlanalysen machen deutlich, wovon die Beteiligung bei unter 20-Jährigen abhängt. Neben sozio-demografischen Merkmalen wie der Ausbildung ist vor allem das politische Interesse und Vorwissen entscheidend für die Stimmabgabe. Studien zeigen, je weniger in der Schule und in der Familie über das politische Geschehen gesprochen und diskutiert wird, umso weniger entsteht ein politisches Interesse bei jungen Menschen. 

Will man junge Bürger für Politik begeistern, gelingt dies nicht, indem man die Diskussion auf das Thema “Mindestwahlalter” reduziert. Was wir stattdessen brauchen, sind weitere Investitionen in die politische Bildung und geeignete Maßnahmen zur Förderung junger Menschen innerhalb der Parteien. Nur wenn man das Interesse an Politik weckt, wird man letztlich die Wahlbeteiligung junger Menschen sichtbar steigern. Das Wahlrecht mit seinen im Grundgesetz verankerten Grundsätzen ist dagegen eine wesentliche Errungenschaft unserer Demokratie und darf nicht als ein Instrument zur Lösung des Problems mangelnder politischer Partizipation entwertet werden. 

Es lässt sich schlecht begründen, warum jemand bei Wahlen über die Zusammensetzung des Bundestages mitentscheiden soll, den das deutsche Recht in anderen Bereichen als nicht reif genug erachtet. Aus gutem Grund ist nicht nur die Geschäftsfähigkeit, sondern auch das passive Wahlrecht an die Volljährigkeit geknüpft. Wer noch keinen eigenen Handy-Vertrag abschließen darf, sollte auch noch nicht über Geschicke unseres Landes entscheiden können.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe N° 132 – Thema: Warten auf grünes Licht. Das Heft können Sie hier bestellen.