„Anderer Habitus“
Wie ist die Nachwuchsförderung bei den Konservativen strukturiert? Wenn es darum geht, politische Talente zu fördern, dominiert bei den Konservativen der Föderalismus. Fast alle Landesverbände haben seit Mitte der 2000er Jahre ein Nachwuchsförderprogramm. Die CSU unterhält ihre eigene Akademie. Von der Bundesleitung gibt es nur einmal im Jahr die „Kampagnen-Akademie“, eine einwöchige Schulung für Nachwuchspolitiker – „als Sahnehäubchen“ so Stefan Hennewig, Leiter Internes Management in der CDU-Bundesgeschäftsstelle.
Wer ist die Zielgruppe? Die Landesverbände nehmen Parteimitglieder als Stipendiaten, die meistens zwischen Anfang 20 und Mitte 30 sind. Die Verfahren sind unterschiedlich. In Hessen erfolgt die Auswahl nach Rücksprache mit Kreisverbänden und Abgeordneten. Beim hessischen Landesverband sind gerade 92 Polittalente in Schulung. Diese erhalten zudem zwei Mentoren zur Seite gestellt; einen aus der Politik und einen aus der Wirtschaft.
Welche Rolle kommt der Konrad-Adenauer-Stiftung (Kas) zu? Die Kas spielt bei der Ausbildung des Politikernachwuchses im konservativen Lager eine bedeutende Rolle. Die Stiftung bietet ein breites Angebot von der Begabtenförderung im Journalismus bis zum Kurs „Wege in die Politik“. Dieser beinhaltet unter anderem die Module Rhetorik und Redenschreiben. Die Kas will Verantwortungsträger generell fördern. Bisher lag der Fokus auf Akademikern aus dem Bürgertum. In den letzten Jahren versucht die Kas verstärkt, junge Deutsche mit Migrationshintergrund zu erreichen. „Wir stellen gerade die Auswahlverfahren auf den Habitus und das andere Wissen dieser jungen Menschen um“, so Professor Günther Rüther, Leiter des Kas-Begabtenförderung.
Was sind die Lerninhalte? Während die Kas eine Breitenbildung à la Humboldt bieten will, orientiert sich die Begabtenförderung der CDU/CSU stark am Nutzwert. Gegnerbeobachtung, Kampagnentechniken und das Lesen von Haushaltsplänen sind hier Stichpunkte.
Welche Erfolge gibt es? „Rund 40 MdBs sind ehemalige Stipendiaten der Kas“ sagt Günther Rüther. Auch in der jetzigen Bundesregierung sind so genannte Altstipendiaten der Stiftung – so beispielsweise Bildungsministerin Annette Schavan oder Verteidigungsminister Thomas de Maizière. (bm)
„Wie im Spitzensport“
Wann wurde die Kommunal-Akademie gegründet? 2001 hoben der damalige Parteivorsitzende Gerhard Schröder und sein Generalsekretär Franz Müntefering die Kommunal-Akademie aus der Taufe. 2007 folgte unter der Ägide des Parteivorsitzenden Kurt Beck eine Art Aufbauprogramm für Fortgeschrittene, die Führungsakademie der sozialen Demokratie.
Wer ist die Zielgruppe? Für die Kommunal-Akademie sucht die SPD Parteimitglieder zwischen 20 und 40 Jahren, die „ihr politisches Leistungsvermögen und Engagement bereits unter Beweis gestellt haben“, heißt es in der Ausschreibung. Teilnehmer der Führungsakademie sollten schon etwas höher auf der Karriereleiter geklettert sein. Gesucht werden Abgeordnete aus Bundestag und Landtagen, (Ober-)Bürgermeister und Parteirepräsentanten. Eine Altersbeschränkung gibt es nicht.
Wer darf mitmachen? Bei der Kommunal-Akademie haben die Landesverbände das Sagen. Sie bestimmen über die Auswahl der zirka 60 Teilnehmer pro Jahr. Die Führungsakademie hingegen ist Chefsache. Dort kommt nur rein, wer eine Auswahlkommision mit seiner Bewerbung überzeugt. Letztlich entscheidet der Parteivorstand.
Was lernt man? „Das politische Handwerk“, sagt Klaus Tovar, Leiter der Parteischule. Wie in einem Bachelorstudium wird bei der zwei- bis dreimonatigen Kommunal-Akademie nicht nur Wert auf Sachwissen gelegt, sondern auch auf Methodenkompetenzen (Rhetorik- und Medientraining). Die Führungsakademie gleicht einer zweijährigen Mammut-Ausbildung. In den sechs Kompetenztrainings geht es etwa um den politischen Führungsstil. Außerdem realisieren die Teilnehmer kleinere Projekte in Partei, Parlament oder Gesellschaft.
Welche Erfolge gibt es? „Niemand ergattert in der Kommunal-Akademie einen Freifahrtschein in Spitzenämter“, so Klaus Tovar. Außerdem betont er, dass in der Politik das Gleiche gelte wie im Spitzensport: „Nur in 1,5 Prozent der Fälle winkt eine Profikarriere“. Trotzdem sei die Rechnung bei vielen Talenten schon aufgegangen. Prominente Teilnehmer der Kommunal-Akademie sind unter anderem Manuela Schwesig und Michelle Müntefering. Die Führungsakademie absolvierten schon die MdBs Michael Hartmann oder Ulrich Kelber.
Gibt es eine Frauenquote? Ja, mindestens 40 Prozent der Teilnehmer müssen weiblich sein. (chb)
„Kein Training on the Job“
Wann wurde das Programm gegründet? Seit 2002 gibt es das grüne Trainee-Programm. Dabei haben pro Jahrgang rund 20 Frauen und Männer die Möglichkeit, berufs- oder studiumsbegleitend das politische Handwerkszeug zu erlernen. Darüber hinaus gibt es das sogenannte Mentoring-Programm, das sich speziell an Frauen richtet. Dritte Säule grüner Nachwuchsförderung sind die „Green-Associates-Stellen“ – auf maximal zwei Jahre befristete Stellen beim Bundesvorstand, die sich speziell an Hochschulabsolventen richten.
Wer ist die Zielgruppe? Für das Trainee-Programm können sich Interessierte im Alter zwischen 18 und 35 Jahren bewerben. Eine Mitgliedschaft in der Partei ist nicht erforderlich. Die Bewerber sollen aber „Interesse an grüner Politik und eine konkrete Projektidee mitbringen“. Das Mentoring-Programm richtet sich explizit an junge Frauen. Eine Altersgrenze gibt es nicht. Die Idee dahinter: Junge Frauen sollen von erfahrenen Grünen-Politikern, den Mentoren, das politische Know-how erlernen. Die Green-Associates-Stellen sollen den Berufseinstieg im politischen Umfeld erleichtern.
Wie ist die Nachwuchspolitik organisiert? Verantwortlich für die Nachwuchspolitik ist die politische Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke. Beim Mentoring-Programm sind die Landes- und Kreisverbände involviert. Die Grüne Jugend, die Nachwuchsorganisation der Partei, betreibt eine eigenständige Nachwuchsförderung. Die Heinrich-Böll-Stiftung spielt bei der Nachwuchsförderung der Grünen keine aktive Rolle.
Was lernt man? Das Trainee-Programm versteht sich ausdrücklich nicht als „Training on the Job“. Denn die Auserwählten sollen neben Ausbildung, Beruf oder Studium Einblicke in grüne Politik erhalten. Sie sollen erfahrene Politiker zu politischen Veranstaltungen begleiten und ein eigenes Projekt umsetzen. Eigeninitiative ist schon bei der Bewerbung wichtig: Die aktuelle Ausschreibung fordert von den Bewerbern Projektideen für den bevorstehenden Bundestagswahlkampf.
Welche Erfolge gibt es? Sowohl im Deutschen Bundestag als auch in den Landtagen finden sich zahlreiche „Absolventen“ der grünen Nachwuchsförderungsprogramme. Auch Landesvorsitzende, wie Benjamin Raschke aus Brandenburg, gehören dazu. Die Programme seien, wie es heißt, „keine Garantie für eine Parteikarierre, aber ein Sprungbrett und eine gute Möglichkeit, sich zu vernetzen“. (ff)
Nur für Genossinnen
Wann wurde das Programm gegründet? Im März 2011 beschloss die Partei ein Konzept, um ihren politischen Nachwuchs zu fördern. Wichtigster Bestandteil ist das Mentoring-Programm, das 2011 zum ersten Mal startete.
An wen richtet sich das Programm? Ausschließlich an junge weibliche Parteimitglieder zwischen 18 und 35 Jahren.
Welche Aufnahmekriterien gibt es? Teilnehmen können alle Genossinnen, die bereits Erfahrungen mit politischen Prozessen in der Partei mitbringen. „Man muss aber nicht zwei Jahre im Vorstand gearbeitet haben“, erläutert Matthias Höhn, Bundesgeschäftsführer der Partei.
Welche Ziele verfolgt die Partei mit der Nachwuchsförderung? Die Linke möchte junge Mitglieder an tragende Rollen in der Partei heranzuführen. Damit will sie gezielt gegen die strukturelle Benachteiligung von Frauen in Führungspositionen vorgehen. Aus diesem Grund brauche die Linke auch kein spezielles Männerförderungsprogramm, so Höhn.
Was lernt man? Es gibt Plätze für 16 Teilnehmerinnen, pro Landesverband eine. Jede wird von einem Mentor begleitet. Sie helfen den Mentees, die Abläufe in der Partei kennenzulernen. Unter anderem sollen die Mentees ein eigenes politisches Projekt auf die Beine stellen, zum Beispiel Wahlkampfkampagnen planen und durchführen.
Gibt es weitere Bestandteile der Ausbildung? In Seminaren zur politischen Bildung werden die Mentees in den Bereichen Kommunikation, Zeitmanagement, Rhetorik, Gender-Theorie und Frauenpolitik geschult.
Wie viel Geld investiert Die Linke in ihre Nachwuchsförderung? Für eine Wiederauflage des einjährigen Mentoring-Programms stellt der Parteivorstand 20.000 Euro bereit. Darüber hinaus sollen weitere Angebote zur Nachwuchsförderung entwickelt werden.
Gibt es schon Erfolge? Bislang hat noch kein Mentee den Sprung in die Parteispitze geschafft. Doch nach einem Jahr ist eine Bewertung ohnehin noch verfrüht. (bv)
Abschlussarbeit und Praktikum
Wann wurde das Programm gegründet? Ende 2007 beschloss der Parteivorstand, für die verbesserte Förderung von Frauen ein jährliches Mentoring-Programm unter dem Namen „Top-Nachwuchs-Talent“ aufzulegen.
Wer ist die Zielgruppe? „Junge leistungsorientierte und politische engagierte Frauen“, erklärt Bundesgeschäftsführerin Gabriele Renatus. Außerdem sollten die Bewerber offen gegenüber konstruktiver Kritik sein. Voraussetzung für die Teilnahme ist neben dem FDP-Parteibuch zudem ein akademischer Abschluss oder eine abgeschlossene Berufsausbildung. Eine feste Altersgrenze gibt es nicht.
Wer darf mitmachen? Bei der FDP dürfen alle Gremien mitreden, vom Bundesvorstand über die Landesvorstände bis hin zur FDP-Bundestagsfraktion. Letztlich entscheidet die Projektleitung nach einem Auswahlgespräch. Der große Ansturm auf die Plätze bleibt aber aus. Dieses Jahr bewarben sich auf die 23 zu vergebenen Plätze 30 Frauen. Persönliche Präferenzen für einen bestimmten Mentor dürfen die Teilnehmer nicht abgeben. „Das entscheidet am Ende die Projektleitung“, so Gabriele Renatus. Als Mentoren fungieren etwa die ehemalige hessische Staatssekretärin Nicola Beer und der niedersächsische Landtagsabgeordnete Gero Hocker.
Was lernt man? Zentraler Bestandteil des Programms ist die Beratungs- und Unterstützungsbeziehung zwischen dem Mentor und dem Mentee. Zudem besuchen die Mentees Seminare der Deutsche Presseakademie (Depak) zum Eventmarketing und zu Public Relations. Außerdem gibt es eine mehrwöchige Praxisphase in liberalen Institutionen, Verbänden oder Unternehmen. Neu in diesem Jahr ist, dass die Mentees während des einjährigen Programms an einem Projekt arbeiten und eine Abschlussarbeit schreiben. Zur Belohnung gibt es ein Zertifikat.
Welche Erfolge gibt es? Bei der Premiere 2008 nahmen die Europaabgeordneten Nadja Hirsch und Britta Reimers teil, außerdem die brandenburgische Landtagsabgeordnete Linda Teuteberg. Ein Jahr später kam Katja Suding in den Genuss des Förderprogramms. Die Hamburger Landtagsabgeordnete führte ihre Partei 2011 als Spitzenkandidatin durch den Wahlkampf.
Gibt es eine Frauenquote? Die Frage müsste wohl eher lauten: Gibt es eine Männerquote? Momentan fördert die FDP nur Frauen. Langfristig ist aber geplant, das Mentoren-Programm auch für Männer zu öffnen. (chb)
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Wer wird wichtig? – Rising Stars 2012. Das Heft können Sie hier bestellen.