Im Spiel "Trump – Europa" steht es 3:0

International

Unabhängig davon, wie Europa die Ankündigungen von Donald Trump inhaltlich bewertet – Respekt vor seiner Taktik! Trump schafft den Verhandlungs-Hattrick, bevor das Spiel überhaupt angefangen hat. Während das alte Europa gerade die uralte Rivalität zwischen England und Frankreich für die Brexit-Verhandlungen aufleben lässt, hat Trump die Karten für die bevorstehenden Verhandlungen zu Welthandel, Nato und Klimaverträgen nach seiner Agenda gemischt.

Wer jetzt noch glaubt, es mit einem plan- und harmlosen Choleriker zu tun zu haben, dem sei dringend die Lektüre der wichtigsten Klassiker der Verhandlungswissenschaften empfohlen. In Amerika sind sie im Lehrplan jeder Businessschool verankert, in Europa leider nur sehr selten. Aber ihr Verständnis wird in den kommenden Monaten und Jahren wichtiger denn je, wenn die weltweite Führungsmacht beschließt, sich zukünftig nur noch auf sich selbst zu konzentrieren.

Zu allem bereit

Die Botschaft der feierlichen Inauguration am 20. Januar war für jedes Kind verständlich. Man musste nicht zuhören und kein Experte für Ekmans Gesichtserkennung sein, um zu sehen und zu verstehen. Amerika, die mächtigste Wirtschafts- und Militärmacht ist wütend und verärgert. Danach war vielen europäischen Politikern und Berichterstattern die Angst ins Gesicht geschrieben. Die Drohung ist gelungen, in Europa ist man nun maximal verunsichert. Amerika scheint zu allem bereit.

 

Eine der wichtigsten Einsichten des Nobelpreisträgers Tom Schelling aus der Analyse des Kalten Kriegs war das Verständnis von Selbstbindung bei Drohstrategien. Wer glaubhaft sein Schicksal an bestimmte Ergebnisse bindet, der kann andere in der Verhandlung unter Druck setzen. Die Eröffnungsrede hat klar unterstrichen, dass Trump an das Wohl seiner Wähler gebunden ist. Althergebrachte Institutionen, Normen oder Werte spielen für ihn keine Rolle. Es zählt nur, was Jobs und Wohlstand in Amerika bringt. Alles andere ist irrelevant für das Land, das seit 1941 wie kein anderes die Weltwirtschafts- und Sicherheitspolitik geformt hat. Schellings zweite wichtige Empfehlung ist: Wer droht, muss auch gelegentlich Drohungen umsetzen, sonst wird er unglaubwürdig. In Europa zu hoffen, Trump würde als erfolgreicher Geschäftsmann diese Maxime nicht kennen oder berücksichtigen, wäre absolut fahrlässig.

Wahre Interessen werden oft verschleiert

Eines der vier Leitprinzipien aus dem weitverbreiteten Verhandlungsklassiker „Getting to Yes“ ist die Unterscheidung zwischen Positionen und Interessen. In Verhandlungen werden oft taktische Positionen eingenommen, die wahren Interessen aber verschleiert. Entscheidend für den Verhandlungserfolg ist, die Interessen der anderen Seite zu verstehen, am besten, ohne die eigenen Interessen vorschnell preiszugeben. Man stellt einzelne Punkte als wichtige Verhandlungspositionen dar, die es eigentlich gar nicht sind. Dort kann man Zugeständnisse machen und gleichzeitig im Gegenzug etwas dafür verlangen. (Wenn Ihnen der Trödler erzählt, er habe zu dem Stück, das Sie kaufen wollen, eine ganz persönliche Bindung, und wolle sich gar nicht davon trennen, dann bezieht er eine Position, die nicht seinen Interessen entspricht.)

Was Europa will, ist offen wie ein Buch: eine möglichst weitreichende Aufrechterhaltung des Status-Quo bei Nato, Welthandel und internationaler Zusammenarbeit wie dem Klimavertrag. Im Skat nennt man das „Ouvert spielen“, was anerkanntermaßen schwierig ist, und nur bei sehr gutem Blatt empfohlen wird. Was Trump will, weiß niemand, er hat sein Blatt noch in der Hand. Will er nur noch Amerikas Grenzen schützen oder wagt er ein militärisches Abenteuer gegen den IS und fordert dazu die Gefolgschaft der Nato-Mitglieder? Wahrscheinlich hat er sich noch nicht entschieden, aber schon jetzt hat er die Europäer in der richtigen Ecke, denn ihre Interessen liegen auf der Hand.

Je besser die Alternativen, desto besser die Verhandlungsposition

Jedem ist bewusst, dass Alternativen in Verhandlungen wichtig sind. Verhandlungswissenschaftler des Harvard Negotiation Programs messen Verhandlungsmacht gerne mit dem BATNA-Konzept. Die „Best Alternative to a Negotiated Agreement“ bestimmt den Ausgangspunkt eines jeden Verhandlers. Je besser seine Alternativen, desto besser seine Verhandlungsposition. Aber wie sind die Alternativen aktuell verteilt? Sicherheitspolitisch ist Europa ohne die Nato ein impotenter Zwerg, erst Recht ohne Großbritannien, und nur mit einer wenig attraktiven Alternative Russland. Die USA können mit oder ohne Nato leben und haben alle Alternativen, schließlich ist jeder gern mit dem stärksten Jungen auf dem Schulhof befreundet.

Wirtschaftspolitisch ist Europa stark, aber leider zu stark. Wer auf die US-Handelsbilanz schaut, der kann die Twitterbilanz des Präsidenten schnell deuten. China, Mexiko und Deutschland haben gemeinsam mit Japan die größten Exportüberschüsse in die USA. Die übrigen Europäer, allen voran Frankreich und Italien folgen bald. Alleine Frankreich, Italien und Deutschland exportieren jedes Jahr für mehr als 100 Milliarden US-Dollar mehr Waren in die USA, als sie von dort importieren. Das US-Außenhandelsdefizit liegt seit Jahren bei mehr als 700 Milliarden US-Dollar, der alte Primat des globalen Freihandels scheint also nicht mehr ganz so glänzend aus amerikanischer Perspektive.

Mehr Geld verdient man mit den neuen Monopolen im Bereich Software, Hightech und Internetdienstleistungen. Die größten und wertvollsten Unternehmen der Welt kommen aus diesen Branchen und weiterhin aus den USA, wären aber von einem klassischen Handelskrieg mit Zöllen auf Stahl, Fernseher und Autos kaum betroffen. Und Europas Alternativen zu Google, Microsoft und Apple sehen folgendermaßen aus:                               (Hier sehen Sie nichts).

3:0 – und die erste Halbzeit ist noch nicht vorbei

Europa tritt auf wie Frankreich bei der Weltmeisterschaft 2010: ungeliebter Trainer, zerstrittene Spieler, keine Strategie. Das mögliche Ausscheiden als Gruppenletzter nach der Vorrunde wird plötzlich real. Merkels Einsatz der Überzeugungsstrategie „Betonung gemeinsamer Werte“ mag zwar sinnvoll sein, um die eigenen Reihen zu schließen, aber ob es Trump beeindruckt, darf bezweifelt werden. Als werteorientiert ist er bisher nicht aufgetreten.

Eine starke „Blut, Schweiß und Tränen“-Rede zur Halbzeit wird für Europa dringend nötig sein. Aber dafür braucht es Einigkeit und eine Strategie. Die jüngsten Possenspiele im Europaparlament erinnern eher an die Intrigen im römischen Senat, die eine lange Kaiserzeit einleiteten. Die intellektuellen Eliten sind vor allem damit beschäftigt, sich gegenseitig die Schuld zuzuschieben. Die Wirtschaftsliberalen sehen die Schuld bei den Gesellschaftsliberalen und ihrem Fokus auf Minderheiten und Migranten und Ihrer Blindheit bei der inneren Sicherheit. Die Gesellschaftsliberalen sehen die Schuld bei den Wirtschaftsliberalen und ihrem Fokus auf Freihandel und Deregulierung und Ihrer Blindheit gegenüber sozialen Ungerechtigkeiten. Die Politiker sind noch so stark auf Ihre gewohnten Reflexe konditioniert, sie versuchen lediglich, sich in den veralteten Denkmustern zu positionieren. Eine großzügige Einladung zum „Teile und Herrsche“ an Trump und Putin!

Europa muss sich aus dem gewohnten Schatten der USA herauswagen und eine eigene politische Vision für die Zukunft entwickeln. Am Anfang erfolgreicher Verhandlungen stehen immer klare Ziele, und Einigkeit darüber, was erreicht werden soll. Das ist eine Herausforderung, aber auch eine Chance: Wie sollen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zukünftig aussehen? Wie weit will man sich sicherheitspolitisch hinauswagen? Wie lange muss man noch in Afghanistan das Chaos der US-Invasion mitverwalten? In Asien, Südamerika und Afrika gibt es viele Staaten und Menschen, die weiterhin auf Respekt, Freiheit, Gerechtigkeit und internationalen Ausgleich setzen. Die Welt steht offen für neue Bündnisse, man muss sie jetzt schmieden, und darf nicht wie der Hase im Loch abwarten. Das Wichtigste aber dafür ist Einigkeit in Europa. Das ist das höchste Gut in 2017.

Übrigens: Großbritannien hat eine ausgeglichene Handelsbilanz mit den USA, ob eine Post-Brexit-Bestrafungsstrategie hier langfristig richtig ist, ist darum fraglich. Großbritannien hat zumindest zwei Alternativen: Anlehnung an Europa oder an die USA.