Ein Internetminister für Deutschland?

Pro und Kontra

Pro
von Jimmy Schulz

Netzpolitik ist im politischen Gefüge lange vernachlässigt worden. Das ist nicht zuletzt durch die Aufteilung des Themenkomplexes auf eine Vielzahl von Gremien bedingt. Zum Teil streiten sich hier die Bundesministerien für Inneres, Wirtschaft und Technologie, Familien, sowie Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz um Deutungshoheit – von den Ausschüssen und Gremien im Deutschen Bundestag ganz zu schweigen.
Ein dauerhafter, fachlich übergreifender Ausschuss im Parlament – als Nachfolger der Enquete-Kommission – wäre deswegen nicht nur wünschenswert, ich halte ihn vielmehr für unbedingt notwendig.
Darüber hinaus aber kann ich mir sehr gut vorstellen, den Posten eines Internetministers einzurichten. Wohlgemerkt: nicht die Einrichtung eines Internetministeriums. Ein unnötig aufgeblähter Apparat wäre gerade im schnellen, zukunftsorientierten Bereich Internet kontraproduktiv.
Es wäre aber durchaus sinnvoll, die unterschiedlichen und teils gegenläufigen Aktivitäten innerhalb der Bundesregierung zu koordinieren und zu bündeln. Analog zur Rolle des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien könnte ein „Staatsminister Internet“ bei der Bundeskanzlerin – also mit einem direkten Zugang zu den wichtigen politischen Schaltstellen angesiedelt werden.
Ein solcher Staatsminister im Kanzleramt könnte ein Ansprechpartner nach Innen und nach Außen sein, sozusagen die Telefonnummer der deutschen Internetpolitik. Gerade ein föderales Land wie die Bundesrepublik benötigt mitunter Instanzen, die die Arbeit der unterschiedlichen Behörden und Einrichtungen in den Ländern zusammenführen und ihre Ergebnisse mit Verve vertreten.
Mit dem Ausschuss Netzpolitik und einem kompetent besetzten Staatminister Internet wären Legislative und Exekutive gut für die netzpolitische Zukunft aufgestellt.

Kontra
von Konstantin von Notz

Wir brauchen keinen Internetminister. Netzpolitik ist das große Querschnittsthema unserer Zeit. Es gibt praktisch in jedem Politikbereich Überschneidungen mit den Themen Digitalisierung und Internet. Von Infrastrukturfragen wie der Breitbandversorgung, über rechtspolitische Fragen wie der nach einer Reform des Urheberrechts, bis hin zur Behindertenpolitik und den Überlegungen, wie wir möglichst barrierefreie Angebote im Netz schaffen – ein Internetminister hätte eine Allzuständigkeit, die in der Sache kein Stück helfen würde.
Was wir stattdessen brauchen, ist eine Bundesregierung, die die revolutionären Umbrüche in diesem Bereich ernst nimmt und die der Erkenntnis, dass sich unsere Gesellschaft vor diesem Hintergrund verändert, gesetzgeberische Taten folgen lässt. Der Datenschutz in der digitalen Welt braucht genauso eine gesetzliche Grundlage, wie die Verankerung so wichtiger Grundsätze wie der Netzneutralität. Eine gerechte Breitbandversorgung wird genauso wenig durch den Markt entstehen wie ein gerechtes und zeitgemäßes Urheberrecht.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung verweigert sich dieser Einsicht jedoch vollständig: Weder rote Linien noch Stiftungen für Datenschutz, noch Arbeitnehmerdatenschutz, keine gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität, keine Ausgestaltung der Breitbandversorgung als Universaldienst und kein Dritter Korb im Urheberrecht, um nur einige schwarz-gelbe Brachflächen zu nennen. Dieses Versagen lässt sich nicht durch progressiv anmutende Formulierungen im Koalitionsvertrag überdecken oder von Peter Altmaier und Dorothee Bär wegtwittern.
Bisher wollte man sich mit niemandem anlegen, sich Lobbyinteressen nicht entgegenstellen und altbewährte Klischees, wie das vom Netz als Ursprung allen Übels, nicht aufgeben. Wichtiger als das Aushängeschild eines eigenen Ministeriums für die Netzpolitik ist also eine Regierung, die den Willen und den Mut hat, diesen Bereich politisch zu gestalten.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Kretschmann – Politiker des Jahres. Das Heft können Sie hier bestellen.