Belohnt der Länderfinanzausgleich die Faulen?

Pro und Kontra

Pro
von Markus Söder

Solidarität ist keine Einbahnstraße. Deutschland braucht einen neuen LFA. Das System ist ungerecht, weil es die Fleißigen bestraft und die Schlechten belohnt. Der Süden finanziert den Rest. Bayern zahlt als einziges Land fast 50 Prozent des Ausgleichsvolumens, nämlich 2012 rund 3,9 Milliarden Euro. Hamburg wechselt trotz seiner guten wirtschaftlichen Lage vom Geber zum Nehmerstatus. Berlin ist der Hauptprofiteur mit 3,3 Milliarden Euro. Mit diesem Geld wird Herr Wowereit die Schadenersatzansprüche für seinen Willy-Brandt-Flughafen zahlen. Das ist unfair und gegenüber dem bayerischen Steuerzahler nicht mehr zu verantworten.
Es kann nicht sein, dass Bayerns Zahlungen im LFA ungebremst anwachsen. Inzwischen zahlt Bayern in einem Jahr mehr, als es seit 1950 erhalten hat. Bayern hat 3,4 Milliarden Euro bekommen – und 42,2 Milliarden Euro zurückgegeben. 1995 haben noch fünf Zahler elf Empfänger unterstützt – jetzt steht es drei zu dreizehn. Die Versuche, in Verhandlungen  die Mängel abzustellen, scheiterten. Damit ist klar, dass es ohne eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht nicht mehr geht. Die meisten Länder haben offenkundig kein Interesse an einer sachgerechten Regelung.
Der LFA muss wieder seiner Ursprungsfunktion dienen: Hilfe zur Selbsthilfe, keine Dauersubvention. Empfänger sollen sich aus ihrer Abhängigkeit von Transfers befreien. Dazu gehört, dass sie auf eine Verbesserung ihrer Wirtschaftskraft und damit ihrer Einnahmenbasis hinarbeiten: Mehr Investition in die Zukunft statt Konsum. Ein gerechter LFA muss mehr Anreize für Schuldenabbau und sparsame Haushaltsführung bieten. So wäre die Balance zwischen Solidarität und Eigenverantwortung wieder herzustellen. Die Länder brauchen auch mehr Steuerautonomie. Einkommen-, Erbschaft- und Grundsteuer sollten regional unterschiedlich gestaltet werden können – mit eigenen Hebesätzen und Abschlägen könnte jedes Land eigenständiger über seine Steuereinnahmen entscheiden. Das führt zu mehr Wettbewerb zwischen den Ländern und bekräftigt deren Selbständigkeit und Selbstverantwortung.

Kontra
von Karoline Linnert

Es gibt keine faulen oder fleißigen Länder. Keine Landesregierung verzichtet darauf, Arbeitsplätze zu schaffen, nur weil sie im LFA von Mehreinnahmen etwas abgeben muss. Die Wirtschaftskraft hängt stärker von historischen Entwicklungen ab als von der aktuellen Wirtschaftspolitik. Bis die neuen Länder das Wirtschaftsniveau der alten Länder erreicht haben, wird es noch dauern. Ihnen deshalb Faulheit vorzuwerfen, wäre eine Beleidigung.
Fakt ist, dass der LFA nur auf Einnahmen basiert. Ob und wie viel Länder für den Ausbau von Kindergartenplätzen für Kinder unter drei Jahren oder den Bau eines Hauptstadtflughafens ausgeben, hat keinen Einfluss auf die Höhe der Mittel aus dem LFA. Bayern zahlt auch nicht weniger in den LFA, wenn es seine Landesbank mit Milliarden retten muss. Der LFA soll laut Grundgesetz vergleichbare Lebensverhältnisse in ganz Deutschland schaffen. Deshalb werden die Einnahmen der Länder einander angeglichen, aber nicht total nivelliert. Wichtig: Das finanzstärkste Land vor Finanzausgleich bleibt das finanzkraftstärkste Land auch nach Finanzausgleich.
Ich bin strikt gegen die von Herrn Söder vorgeschlagenen regionalen Steuersätze beispielsweise bei der Einkommenssteuer. Ein ruinöser Wettbewerb wäre die Folge. Der aktuelle LFA ist auch mit den Stimmen des Landes Bayern beschlossen worden. Er ist Grundlage für die von Bund und Ländern gemeinsam vereinbarte Schuldenbremse. Verträge müssen verlässlich sein. Eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht lähmt die anstehenden Verhandlungen über einen neuen LFA nach 2019. Last but not least: Bremen hat nach Hamburg das zweithöchste Bruttoinlandsprodukt pro Kopf im Ländervergleich. Über unsere Häfen exportiert Deutschland in alle Welt, an unseren Hochschulen werden Studierende aller Bundesländer ausgebildet. Wir sind ein attraktiver Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort. Unsere vergleichsweise geringen Steuereinnahmen resultieren im Wesentlichen aus Mängeln in der Steuerverteilung – bevor der LFA überhaupt beginnt.
 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Die Kanzlermacher – Zu Besuch in Deutschlands Wahlkampfagenturen. Das Heft können Sie hier bestellen.