Anders gesagt

Glosse

Die ist schon der Hammer, die Übergewinnsteuer. Unternehmen, die aufgrund der irrwitzigen Energiepreise infolge des Ukraine-Kriegs übermäßige Gewinne einfahren, müssen diese abgeben. Damit werden wohl Erleichterungen für die Bürger finanziert. Darüber kann man schon ins Grübeln kommen, also überlegen. Wo fängt ein Übergewinn eigentlich an? Und wie soll man so was begründen? Ach, Moment, die Steuer kommt gar nicht? Stattdessen geht es jetzt den „Zufallsgewinnen“ an den Kragen?

Geht es nur mir so, oder heißt Raider jetzt Twix? Die Älteren werden sich erinnern (die Jüngeren kennen vielleicht einen TikTok-Tanz, der so heißt, keine Ahnung). Weil die Umbenennung des Schokoriegels die Bevölkerung verunsichern könnte, sloganisierte man damals „Raider heißt jetzt Twix, sonst ändert sich nix.“ Die Amerikaner sind da etwas fieser. Wer dort mit Begriffsakrobatik oder sonstiger Kosmetik etwas unterjubeln will, der malt sprichwörtlich einem Schwein Lippenstift auf.

Na ja, wahrscheinlich irre ich mich. Wegen des Energiemangels geisterten ja schon Szenarien herum, Deutschland drohe im Winter, dass die Lichter ausgehen. Diese Gefahr eines Blackouts kann schon Angst machen. Zum Glück ergab der Stresstest des Wirtschaftsministeriums, dass wir uns da nicht sorgen müssen. Praktisch keine Blackout-Gefahr. Das ist eine gute Nachricht. Es könnte lediglich sein, dass die Teilnetze und Trafostationen überlastet werden, zum Beispiel wenn zu viele mit Heizlüftern und Elektrogeräten heizen. Dann könnte es notwendig sein, zeitweise Stromsperren einzusetzen, also Straßenzügen und Postleitzahlgebieten den Saft abzudrehen. Zum Glück ist eine Stromsperre kein Blackout, Kartoffeln sind ja auch keine Erdäpfel. Schwein gehabt!

Manchmal ändert sich die Natur einer Sache auch dadurch, dass sie neu getauft wird. Wussten Sie zum Beispiel, dass der Rundfunkbeitrag gar nicht freiwillig ist? Irre, oder? Vor 2013 wusste das noch jeder. Damals hieß die Abgabe nämlich noch Rundfunkgebühr. Gebühr! Pfui, was für ein garstiges Wort! Gebühren zahlen wir, wenn wir die Abgabefrist bei ausgeliehenen Büchern (die Älteren erinnern sich, die Jüngeren tanzen irgendwas) vergessen. Gebühren gebühren den Mächtigen! Mit dem Beitrag war das vorbei. Seitdem zahlen wir die mittlerweile 18,36 Euro mit demselben Gefühl, wie wir Bedürftigen Kleider spenden und Pflegekräften den Applaus – mit einem Lächeln. Ja, das ist unser Beitrag!

Vielleicht können wir den künftig ja mit dem Bürgergeld begleichen, das uns zusteht. Wir sind schließlich alle Bürger, also sollte diese neue Sozialleistung auch an uns alle fließen, oder? Ich habe lange darauf gewartet, eine Anerkennung dafür zu bekommen, dass ich einen deutschen Pass habe. Umso mehr freut es mich, dass die Regierung dafür jetzt gesorgt hat. Ich habe mich mit dem Gesetz dazu jetzt nicht näher beschäftigt, muss ich gestehen. Ich finde das überflüssig, seit die Regierung begonnen hat, Gesetze prägnant nach ihrem Zweck zu benennen. Das Bürgergeld wird schon ein Bürgergeld sein. Ich erwarte jetzt noch das Du-bleibst-­gesund-Gesetz und bitte auch noch ein Hoch-die-Hände-Wochenende-­Gesetz.

Ich finde, wenn wir schon dabei sind, könnten wir uns die Welt ohnehin noch ein bisschen schöner machen. Wir nutzen dafür einfach die Macht der Sprache. Wie wäre es, wenn wir aus der Erderwärmung einfach die Klimamuckeligkeit machen? Ein schöneres Wort für Inflation wäre doch der hübsche Scheinreichtum, den ich jedem wünsche. Und wenn wir die Coronapandemie schon vor zwei Jahren als Immunsystem-Coaching gebranded hätten, wäre uns viel Leid erspart geblieben. Ich freue mich schon auf die nächsten großen Würfe der Politik. Ich bin gespannt, was ich als Nächstes schon immer ganz falsch gesehen habe.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe N° 140 – Thema: Anspruchsvoll. Das Heft können Sie hier bestellen.