Es ist ein bekanntes Ereignis der Zeitgeschichte: 1999 wurde der damalige Außenminister Joschka Fischer auf einem Parteitag mit einem Farbbeutel beworfen. Er hatte von seiner Partei die Zustimmung zur Beteiligung der Bundeswehr am NATO-Einsatz im Kosovo verlangt.
Annalena Baerbock und Robert Habeck droht heute keine Farbbeutel-Attacke aus den eigenen Reihen. Mehr als acht von zehn Grünen-Anhängern begrüßen die deutsche Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine. Damit nicht genug: Fast zwei Drittel der Anhänger meinen sogar, die Bundesregierung habe mit der Zusage zu lange gezögert. Keine andere Parteianhängerschaft steht so vehement hinter einer starken militärischen Unterstützung der Ukraine. Jetzt also olivgrün statt grün?
Ein Blick in Civey-Umfragen hilft, das Phänomen einzuordnen:
Fast 60 Prozent der Grünen-Anhänger geben an, dass sie heute eine andere Haltung zum Pazifismus haben als vor dem russischen Angriff. Hier vollzieht sich angesichts der neuen Realitäten ein Lernprozess. Zugespitzt formuliert: Viele Grünen-Wähler mussten erst auf “die harte Tour lernen”, dass sich Pazifismus und Realpolitik nicht vertragen.
Dennoch haben sie ihre Überzeugungen nicht über Bord werfen müssen: Für sie ist die militärische Unterstützung der Ukraine – mehr noch als für alle anderen Befragten – ein Ausdruck der wertebasierten Außenpolitik Deutschlands.
Die Anhänger der Grünen gehen bei der Zeitenwende voran. Mich hat das in der Deutlichkeit überrascht. Joschka Fischer dürfte mit seiner Partei im Reinen sein.
Die verwendeten Umfragen finden Sie hier.