Fünf Lehren aus der Corona-Pandemie für den Klimaschutz

Klimawandel

Der Scheitelpunkt der Omikron-Welle scheint überwunden. Zeit oder zumindest Gelegenheit, nach vorn zu schauen. Und zwar auf die nächste Krise: den Klimawandel. Die Corona-Pandemie hat zu vielen schweren Erkrankungen und allein in Deutschland über 100.000 Toten geführt. Der Klimawandel, durch Corona in den Hintergrund gedrängt, schreitet langsamer voran, wird aber wohl weit dramatischere Folgen haben.

Und der Klimawandel ist auch kommunikativ die größere Aufgabe. Denn wenn schon die zwar radikalen, aber befristeten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie Frustration und Proteste auslösen, wie bekommt man dann die Akzeptanz der Bevölkerung für den viel aufwendigeren und teureren Umbau der Gesellschaft, der für den Klimaschutz notwendig ist? Die Ampelkoalition hat sich viel vorgenommen, um die Klimakrise zu bekämpfen. Am Ende wird es darauf ankommen, dass die Menschen die Kosten und Folgen dieses Umbaus akzeptieren und wohl auch beim Lebenskomfort Abstriche machen.

Natürlich sind Pandemie und Klimawandel strukturell verschieden. Die Pandemie verläuft schnell und ist lokal beeinflussbar. Jeder kann sich selbst schützen; wir alle haben erlebt, dass regionale Lockdowns die Infektionszahlen senken. Der Klimawandel ist extrem komplex und verläuft global. Wenn hier die Emissionen sinken, aber andernorts auf der Welt steigen, bringt das im Ergebnis nichts. Trotzdem: Beide Krisen erfordern kollektive Antworten und tiefgreifende Verhaltensänderungen. Wie Kommunikation helfen kann, dafür Akzeptanz zu schaffen, zeigt die Pandemie. Dazu fünf Thesen.

#1: Radikale Maßnahmen werden akzeptiert, wenn die Relevanz klar ist

Wer hätte vor drei Jahren für möglich gehalten, dass in Deutschland Restaurants, Geschäfte und Schulen monatelang geschlossen werden, die Menschen nur ausnahmsweise aus dem Haus dürfen – und nur eine kleine Minderheit protestiert? Im Land der Koalitionen und Kompromisse schien eine Politik der kleinen Schritte zwingend, radikale Maßnahmen undenkbar. Corona zeigt, dass Menschen auch hierzulande bereit sind, einschneidende Veränderungen zu akzeptieren, wenn sie Relevanz und Wirksamkeit einsehen. Und dies sogar über eine lange Zeit weit jenseits üblicher Aufmerksamkeitsspannen. Die Dringlichkeit von Klimaschutz ständig neu zu verdeutlichen, ohne Glaubwürdigkeit zu verlieren, ist deshalb eine der zentralen Herausforderungen guter Klimakommunikation.

#2: Was alle trifft, macht man eher mit

Wir nehmen Einschränkungen eher in Kauf, wenn wir wissen, dass es eine Gemeinschaftsanstrengung ist, die alle trifft, wie beispielsweise das Tragen einer Maske. Dahinter stecken mehrere psychologische Effekte. Erstens der Gerechtigkeitssinn: Alle sollen gleichbehandelt werden. Zweitens der Team-Spirit, also der Wunsch, zum Erfolg der Gruppe beizutragen und sich als ihr Teil zu fühlen. Und drittens das allgemeine Erlebnis, das alle verbindet. Umgekehrt gilt aber auch: Zu viele Ausnahmen untergraben die Bereitschaft, Maßnahmen mitzutragen. Freiwilligkeit wird deshalb häufig nicht ausreichen. Wer schränkt sich selbst schon gern ein, wenn Freunde und Bekannte weiterhin in Urlaub fliegen, Flugscham hin oder her? Wenn Klimaschutzmaßnahmen akzeptiert werden sollen, müssen sie sich gerecht anfühlen und für alle gelten.

#3: Mehr Prominenz und Einfluss für die Wissenschaft

Wissenschaftler liefern seit Langem verlässliche Daten und Modellrechnungen, die belegen, wie sich Emissionen auf das Weltklima auswirken. Letzte Zweifel am menschengemachten Klimawandel sollten ausgeräumt und die Dringlichkeit zu handeln klar sein. Dennoch passiert noch zu wenig – zu komplex, zu weit weg scheint die Krise. Die Pandemie macht hier Mut: Selten zuvor haben Wissenschaftler eine so prominente und damit auch einflussreiche Rolle bei der Analyse und Bekämpfung einer öffentlichen Krise eingenommen. Von der Kraft ihrer Argumente haben auch Politik und Verwaltungen profitiert, weil damit unpopuläre Maßnahmen sachlich begründet und ein Stück weit der politischen Auseinandersetzung entzogen wurden.

Das Wissenschaftssystem ist nicht darauf angelegt, einfache, klare Thesen zu produzieren, sondern Hypothesen, Zweifel, Fragen zu prüfen und komplexe, aber dafür genaue Antworten zu geben. Öffentliche Wirkung ist für Wissenschaftler kein Erfolgskriterium, eher im Gegenteil. Wir sollten denen dankbar sein, die trotzdem bereit sind, ihr Fachwissen für die Öffentlichkeit zu übersetzen und sich nicht scheuen, Einfluss zu nehmen.

#4: What gets measured, gets managed

Griffige Zahlen produzieren Nachrichten und Nachrichten produzieren Handlungsdruck. Die Faustregel bewahrheitet sich in der Corona-Krise in Gestalt täglicher Meldungen über Inzidenzwerte, Bettenbelegung oder Viren-Reproduktionszahlen. Weil diese Zahlen nicht nur für Deutschland, sondern für jeden Landkreis ausgegeben werden, kann jede und jeder das eigene Verhalten mit dem gesamten Pandemie-Geschehen in Beziehung setzen. Dieses Monitoring erzeugt Handlungsdruck auf Einzelne, aber auch auf die Politik, weil es nicht nur Relevanz, sondern Erfolg oder Misserfolg ergriffener Maßnahmen sichtbar macht.

Auch bei der Bewältigung der Klimakrise könnten klare, einfach verständliche KPIs, also “Key Performance Indicators”, helfen. Ein CO2-Budget zum Beispiel, das angibt, wie viel Emissionen Deutschland im Rahmen der Pariser Ziele noch zur Verfügung steht. Aber auch andere Zahlen, die erkennen lassen, welche Maßnahmen nötig sind und welche Fortschritte es gibt. Hier sind Unternehmen, was die Datenerfassung und Transparenz etwa über den “Carbon Footprint” ihrer Produkte betrifft, der Politik weit voraus.

#5: Politische Lagerbildung vermeiden

Die Pandemiebekämpfung war in Deutschland auch deshalb erfolgreich, weil sie kaum entlang parteipolitischer Bruchlinien diskutiert wurde. Infektionen gab und gibt es in allen politischen Milieus, und ebenso gibt es Gegner und Befürworter strikter Maßnahmen mehr oder weniger in allen politischen Lagern. Bei der Klimakrise ist es anders: Klima- und Umweltschutz sind die Kernthemen der Grünen. Die Union dagegen hat das Thema über Jahrzehnte bekämpft oder bestenfalls ignoriert. Das war ein strategischer Fehler, zumal die Förderung erneuerbarer Energien und das Ziel, unser Klima zu bewahren, gut zu einer grundsätzlich technikfreundlichen konservativen Politik gepasst hätten. Alle Parteien sollten im Interesse der Sache davon absehen, die Lagerbildung weiterzutreiben. Breite Akzeptanz für Klimaschutz ist nur zu erreichen, wenn er nicht von vornherein als politisch links oder rechts wahrgenommen werden kann.

Fazit: Nein, wir haben noch nicht genug über Klimaschutz gesprochen

Der Klimawandel war im letzten Jahrzehnt eines der Top-Themen auf der öffentlichen Agenda. Wer davon schon ermüdet ist, dem muss klar sein: Wir haben noch lange nicht genug darüber geredet. Breite Akzeptanz für effektive und damit wahrscheinlich schmerzhafte Klimaschutzmaßnahmen zu schaffen, bleibt eine Mammutaufgabe für Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Die Corona-Pandemie macht Hoffnung, dass sie trotz allem gelingen kann.