Das Lobbyregister: Die notwendige Entmystifizierung des Lobbyings

Public Affairs

Spätestens die Corona-Pandemie zeigt uns deutlich: Zum Glück stehen Tausende Expertinnen und Experten täglich im Austausch mit politischen Institutionen und ihren Vertretungen. Gleiches lässt sich über zivilgesellschaftliche Agierende sagen oder auch Anwältinnen und Anwälte, Verbandsvertretungen sowie Beratende auf kommunaler, Länder- und Bundesebene. Denn das politische System ist angewiesen auf Informationen über die Auswirkungen von politischen Entscheidungen, Gesetzen und Regulierungsvorhaben.

Dennoch begegnen wir im öffentlichen Diskurs immer wieder der falschen Vorstellung, dass Politik Informationen allein aus sich selbst heraus generieren müsse – mit fatalen Folgen für die öffentliche Wahrnehmung der Interessenvertretung. Das neue Lobbyregister kann hier helfen, indem es durch die nun zur Verfügung stehenden Informationen Einblicke ermöglicht und ein veraltetes Bild von Interessenvertretung korrigiert. Aber nicht nur nach außen schafft es Transparenz, es wird auch alle professionellen Interessenvertreter zur Transparenz in ihren Organisationen zwingen. Ihre Arbeit wird vergleichbarer und messbarer. Lobbyisten – das sind mit der Einführung des Registers nicht mehr die fernen Einflüsterer in Berlin, die sich außerhalb der Konzernstrukturen bewegen können.

Die neue Transparenz im Markt der Interessen

Das Lobbyregister wird zum ersten Mal Transparenz über den Politikmarkt schaffen. Es macht endlich deutlich, wie groß die Vielfalt der Interessen ist und wer im Interesse von wem spricht. Gleichzeitig zeigt es die Notwendigkeit von politischer Fürsprache auf.

Nicht umsonst ist schon formell eine Verbändeanhörung bei Gesetzen vorgesehen, bevor es eine Behandlung im Kabinett gibt. Fürsprechende für verschiedenste spezifische Themengebiete kennen ihre Materie aus der täglichen Arbeit so im Detail, wie es von keiner gewählten Vertreterin oder gewähltem Vertreter erwartet werden kann. Daher muss gute Politik sich für ausgewogene und treffsichere Abwägungen von Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft und Wirtschaft beraten lassen.

Indem es Daten zentral erfasst, schafft das Lobbyregister nun endlich eine Informationsgrundlage, die der Interessenvertretung das Mythische nehmen wird. Wer glaubt, dass Gesetzgebung spätabends im verrauchten Hinterzimmer gemacht wird, verfällt einem längst veralteten Bild. Diese Vorstellung wird weder den Politikschaffenden gerecht, die sich demnach von einem solchen Vorgehen beeinflussen ließen, noch denjenigen, die Interessenvertretung betreiben. Schon die Komplexität von Entscheidungsverfahren und den damit verbundenen Abwägungsprozessen macht ein solches Vorgehen heute unrealistisch.

Die neue Transparenz der Ressourcen schafft mehr Wettbewerb der Interessensvertretenden untereinander

Ein weiterer wichtiger Effekt des Lobbyregisters bringt aus meiner Sicht die größte Veränderung in der professionellen Interessenvertretung: Das Lobbyregister schafft erstmals Transparenz hinsichtlich der Mittel und Aufwendungen in der Interessenvertretung. Die gab es bisher nicht. Jetzt kann jeder und jede CEO im Lobbyregister nachschauen, wo die eigene Politikabteilung, die eigenen Verbände und Allianzen im Vergleich zum Wettbewerb und auch zu anderen Branchen stehen:

  • Wie viele Mitarbeitende sind aktive Interessenvertretende?
  • Wie viele Ressourcen haben Unternehmen, Beratungen, Nichtregierungsorganisationen und Verbände zur Verfügung?
  • In wie vielen Verbänden engagiert sich ein Unternehmen?
  • Wer sind die Berater des Wettbewerbs oder der Allianzpartner?
  • Wie hoch sind die Aufwendungen für Interessenvertretung insgesamt?

Die Art und Weise, wie die Aufwendungen berechnet werden müssen, ist für alle gleich definiert, wodurch auch ein direkter Vergleich von Konzern A und Konzern B möglich wird. Damit muss jede Konzernrepräsentanz, jeder Verbandsgeschäftsführer oder -geschäftsführerin und auch wir Beratungen verdeutlichen, warum genau die Ressourcen benötigt werden, um Interessen wirksam zu vertreten. Für viele wird es die Gelegenheit sein, zu zeigen, dass ihre Aufstellung im Vergleich zum Wettbewerb sehr schlank ist. Andere Organisationen, besonders große Verbände, werden unter Reformdruck kommen.

Durch diese neue Datenbasis wird innerhalb von Konzernen und Verbänden der Druck steigen, die eigene Arbeit messbarer und transparenter zu machen. Die Bedeutung von datengetriebener Analyse und von Werkzeugen, die in der Lage sind, relevante Informationen zu filtern, wird deutlich steigen. Indem sie verborgenes Potenzial aufdecken, ermöglichen sie es der modernen Interessenvertretung, effizienter zu agieren. Sie machen es einfacher, schneller das bessere Argument, die passende Ansprechpartnerin oder den passenden Ansprechpartner zu finden oder auch Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Szenarien nachvollziehbar zu bestimmen.

Dies wird sich auch auf die Organisation von Politikabteilungen in Unternehmen auswirken. Sie werden mittelfristig gezwungen sein, ihre Strukturen anzupassen und digitaler und agiler zu werden. Das Lobbyregister schafft Transparenz und macht Politik für alle Interessierten besser nachvollziehbar. Es stärkt daher in meiner Wahrnehmung eine urdemokratische Idee: den Wettstreit der besten Argumente im politischen Prozess.