Das Dorf der Zukunft

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Auf den ersten Blick sieht der Ort aus wie eine beliebige niedersächsische Landgemeinde. Um das Kerndorf scharen sich sieben weitere kleine Ansiedlungen aus roten Backsteinhäusern – verteilt zwischen Feld, Wald und Wiesen, zwischen Roggen, Kartoffeln und Mais, vor allem Mais. Aber der Flecken Steyerberg, wie die Gemeinde mit ihren 5200 Einwohnerinnen und Einwohnern offiziell heißt, will dagegen ein Zeichen setzen. Er hat sich verpflichtet, bis 2050 seinen Energiebedarf zu halbieren und seinen CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990 um 95 Prozent zu senken.

Heinz-Jürgen Weber, 60, zeigt auf die alte Wassermühle des Ortes: „Wir haben hier vor mehr als 100 Jahren mit regenerativer Energie angefangen und sind dann leider falsch abgebogen.“ Weber war acht Jahre Bürgermeister der Gemeinde, Klimaschutzprojekte bildeten den Mittelpunkt seiner Tätigkeit.

Die Mühle trägt auch heute noch einen kleinen Teil dazu bei, dass der Flecken Steyerberg zu fast 100 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Quellen versorgt wird: mit Biogas, Sonne, Wind und Wasser. „Das gilt vorerst nur bilanziell“, erklärt Weber, nicht zu jeder Stunde. Doch bis spätestens 2035 soll die Kommune im Landkreis Nienburg wirklich klimaneutral sein – darin sind sich alle Fraktionen des Gemeinderats einig.

 

Einst haben Erdöl- und Erdgasquellen dem Ort Einnahmen und eine üppige Infrastruktur beschert. Dank hoher Gewerbesteuern leistete (und leistet) sich der Flecken Steyerberg zwei Freibäder, eine Reitanlage, sechs Sportplätze, drei Turnhallen. Mit dem Ende der Erdgasverarbeitung aber brachen fast 80 Prozent der Gewerbesteuereinnahmen weg.

Die Abhängigkeit von fossiler Energie gehört aber der Vergangenheit an. Heute arbeitet die Kommune daran, die Entstehung und den Verbrauch von CO2 zu senken. Die KfW fördert im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat den Transformationsprozess mit Zuschüssen von insgesamt rund 140.000 Euro, mit denen die Kommune die Entwicklung eines Quartierskonzepts und ein bis 2021 laufendes Sanierungsmanagement finanziert. „Auch wenn das Programm Energetische Stadtsanierung heißt, adressieren wir hier ausdrücklich auch Kommunen im ländlichen Raum“, erklärt Kay Pöhler aus dem Produktmanagement der KfW. Überdies erhält die Gemeinde für den Neubau einer Kita einen Kredit der KfW, der 83 Prozent der Baukosten abdeckt. Das energiesparende Gebäude soll im Sommer 2022 eröffnet werden.

 

Der ökologische Umbau der Gemeinde ist in vollem Gange. Den Rathausbeschäftigten steht ein E-Auto zur Verfügung. Ehrenamtliche organisieren mit einem neunsitzigen E-Bus einen Fahrdienst für Senioren, Vereine können das Fahrzeug kostenlos nutzen. Den Strom an der Ladesäule am Rathaus bekommt jedermann umsonst. Das 29 Kilometer lange Fernwärmenetz ist bis auf ein paar Kilometer fertig. Ende dieses Jahres soll das erste heiße Wasser in die Häuser kommen.

Der Clou des Vorhabens: Wer sich Fernwärme liefern lässt, bekommt kostenlos einen Glasfaseranschluss dazu. Stattliche 42 Prozent der Haushalte haben sich bisher dafür entschieden. Damit „senken wir den persönlichen ökologischen Fußabdruck eines und einer jeden um eine Tonne CO2 pro Jahr“, rechnet Weber vor.

 

Der Flecken Steyerberg kooperiert bei seinen nachhaltigen Projekten mit sehr unterschiedlichen Partnern. Hier der Chemie-Betrieb, der Vorprodukte für die Kunststoffbranche herstellt und die Abwärme für die Fernheizung liefert. Dort der „Lebensgarten“, nach der Selbstbeschreibung eine „ökologisch-spirituell ausgerichtete Gemeinschaft“.

Seit Mitte der 1980er-Jahre leben und arbeiten hier Menschen aus aller Welt in einer Siedlung, die zu Zeiten des Nationalsozialismus für Beschäftigte der örtlichen Munitionsfabrik gebaut worden war. Wer weiß: Vielleicht staunt so mancher, der ehedem den „Lebensgarten“ für eine Ansammlung von „Spinnern“ hielt, heute über die Weitsicht der Ökos. Sie installierten 1991 die erste Stromladestelle für E-Autos in Niedersachsen und betankten dort ihren Eigenbau „Grüner Frosch“. Und legten Solarpaneele aufs Dach, die noch immer Strom produzieren.

 

Als Mitglied des Netzwerks „Solidarische Landwirtschaft“ holt sich Familie Weber aus dem „Lebensgarten“ jede Woche eine Kiste Bio-Gemüse, das auf Permakulturböden wächst. Überhaupt galt für Weber In seiner Amtszeit als Bürgermeister: „Man muss Vorbild sein. Ich kann nicht von anderen verlangen, wozu ich nicht selbst bereit bin.“ Die Klimaschutz-Bilanz des Weberschen Haushalts: thermische Sonnenkollektoren und Photovoltaik auf dem Dach des energetisch sanierten Resthofs, wasserführende Kaminöfen, Wärmepumpe, zwei Elektro-Autos. Demnächst ein Batteriespeicher, vielleicht bald noch ein kleines Windrad.

Die Anstrengungen nachhaltigen Wirtschaftens haben dem Ort schon einige Auszeichnungen (und Fördergeld) eingetragen. So zählt er zu den 41 Masterplan-Kommunen, die als Klimaschutz-Vorbilder vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gefördert werden.

Zusammen mit der Nachbargemeinde Liebenau hat sich der Flecken Steyerberg jüngst beim Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstofftechnologie (NIP) als „HyExpert-Region“ beworben. Auf der Eickhofer Heide, dem Areal der ehemaligen Munitionsfabrik, soll mit dem Strom von zwölf Windrädern grüner Wasserstoff produziert werden. Ebenfalls in Planung ist die Herstellung synthetischer Kraftstoffe aus dem Methangas der Steyerberger Biogas-Anlage und dem CO2 der Chemiefabrik, die schon die Fernwärme für den Ort liefert.

41 Windräder drehen sich bereits auf der Gemarkung des Fleckens Steyerberg. Eines wird demnächst der Gemeinde gehören. Die Kommune hat aus den guten Jahren noch ein Vermögen von einigen Millionen Euro. Was tun damit? Unter die Windmüller gehen, schlug Weber vor und setzte sich mit seiner Idee durch. Der Nachhaltigkeitseffekt ist frappierend: Ein einziges Windrad deckt den Stromverbrauch aller Privathaushalte in der Gemeinde.

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