Nach Wahlniederlagen folgt häufig ein bekanntes Ritual. Noch in der Wahlnacht treten Parteivorsitzende oder Spitzenkandidaten vor die Kameras, zeigen sich betroffen – und versichern: „Wir haben verstanden.“ Doch die Bürger glauben das kaum. Genauer gesagt, geben nur drei Prozent an, dass sie diese Aussage Politikern tatsächlich abnehmen.

Die Niederlagenkommunikation wirkt routiniert. Die Ankündigung: „Wir werden das Ergebnis intern analysieren“. Doch genau das bleibt nur allzu oft aus. Anstatt anzuerkennen, dass die eigenen Positionen und Themen von vielen nicht (mehr) getragen werden, schieben Parteien die Verantwortung oftmals kaum verdeckt den Wählern zu. Der Subtext lautet: Nicht wir lagen falsch – ihr habt uns nur falsch verstanden.
Was die Menschen wirklich erwarten, zeigen die Daten: 67 Prozent wünschen sich eine ehrliche Aufarbeitung der Niederlage, 45 Prozent personelle Veränderungen, 38 Prozent neue inhaltliche Schwerpunkte.

Wie glaubwürdige Selbstkritik aussehen kann, zeigte die SPD nach ihrer Wahlniederlage 2017. Auf über hundert Seiten ließen Berater, Wissenschaftler die Kampagne analysieren – offen und systematisch. Es war kein PR-Manöver (da es eher ein Papier für die politische Bubble blieb), sondern der Versuch, Ursachen wirklich sichtbar zu machen und zu verstehen.
Selbstkritik fällt in der Politik schwer. Die Versuchung ist groß, Wahlniederlagen kommunikativ zu glätten oder als temporäre Stimmung zu deuten. Doch Wahlniederlagen sind kein Unfall. Sie machen deutlich, wo das politische Angebot und die Nachfrage in der Bevölkerung auseinanderdriften. Wer das anerkennt, kann die Niederlage als Chance zur Erneuerung nutzen und Konsequenzen einleiten, – und ja, manchmal gehören auch Rücktritte dazu –, die den Menschen tatsächlich signalisieren: Wir haben verstanden.
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