Über eine Wirtschaftsministerin, die man nicht versteht

Reschs Rhetorik-Review

Es war schon ein besonderes Schauspiel: Wirtschaftsministerin Katherina Reiche will im heute Journal ihre energiepolitischen Entscheidungen erläutern und erklären. Und das gesamte Interview wird zu einer Groteske, wie man sie vorher kaum gesehen hat.

Dass im politischen Interview-Business die Antworten manchmal nichts mit den Fragen zu tun haben, das kennt man ja. Aber dass ein Satz nichts mit dem vorhergehenden Satz und auch nichts mit dem folgenden zu tun hat, das habe ich so jedoch noch nie gesehen. Dass eine Ministerin durch einen Wort- und Argumentationssalat stapft und selbst noch dauerlächelnd an die Kraft ihrer Argumente zu glauben scheint – Frau Reiche wirkte wie ein Wirtschaftsministerinnen-Avatar aus den Anfangstagen von KI. Und ich wette: Keiner hat sie verstanden.

Eine Vermutung aus der Ferne: Die Ministerin wurde von einem verängstigten Stab für ihr erstes großes Interview so vorbereitet, wie auf eine Prüfung. Klares Ziel: Jedes Detail muss rein ins Hirn der Ministerin. Bloß nichts falsch machen, bloß nichts vergessen.

Das kann halt nicht funktionieren. Weil ein Interview keine Prüfung ist. Statt die Ministerin zur Expertin zu machen, hätte ihr Team sie besser zur Verkäuferin der politischen Ideen ihres Hauses gemacht. Das braucht Mut. Und eben eine völlig andere Vorbereitung. Die nicht „wissend“ macht, sondern „überzeugend“.

Das war auch besonders: Bei der Wiedereröffnung der Münchner Synagoge an der Reichenbachstraße verlor Friedrich Merz die Stimme und die Fassung, als er aus den Erinnerungen der anwesenden Holocaust-Überlebenden Rachel Salamander zitierte.

Man kann ja leicht „über“ etwas sprechen. Aber das Unaussprechliche im Angesicht derer zu formulieren, die die Hölle erlebt haben – vielleicht war es die stärkste Politiker-Rede zu diesem Thema, weil sie keine Worte mehr brauchte

Es bleibt zu hoffen, dass die Fähigkeit zur Berührbarkeit im Angesicht der Nazi-Gräuel der Politik und der Gesellschaft auch dann erhalten bleibt, wenn dereinst keine Überlebenden mehr im Publikum sitzen können. Sonst wäre es aus anderen Gründen zumHeulen.

Und dann war da noch der Präsident ohne Prompter. Donald Trump stand vor der UN – und die technische Rhetorik-Krücke war defekt. Die erste Reaktion von Trump: Jetzt hören Sie die Worte direkt aus meinem Herzen! Ja! Bitte mehr davon!

Diese ganze Prompterei ist ohnehin eine Vorspiegelung einer falschen Professionalität und lähmt jede Rednerin und jeden Redner. Wäre er doch bei der Herzlichkeit geblieben. Stattdessen drohte der Präsident dem verantwortlichen Mitarbeiter – und das vor den Augen der größten Friedensorganisation dieser Erde – mit erheblichen Konsequenzen. Das ist jedoch der falsche Adressat.

Mit Konsequenzen sollte man den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern drohen, die ihre Chefin oder ihren Chef vor den Prompter schicken. Denn die Macht des gesprochenen Wortes, die Wirkung, die Aura – all das braucht keinen Fließbandtext. Sondern Haltung und Herz. Dann klappt’s auch ohne Technik.