"Interessenvertreter sollen selbstbewusst sein und nicht duckmäuserisch“

Public Affairs

Herr Kropp, bis Ende Februar waren Sie fast ein Vierteljahrhundert lang als Lobbyist in Berlin, Brüssel und weltweit tätig – wie würden Sie einem Branchenfremden diese Aufgabe beschreiben?

Als Diplomat, Feuerwehrmann und Minenhund in einer Person.

Welche Erkenntnisse können Sie an die nächste Generation von Interessenvertretern weitergeben?

Erstens: Entscheider wollen nicht mit Massenmailings bombardiert werden, sondern bevorzugen spezifische Informationen zu einem konkreten Sachverhalt. Zweitens: Papier lebt! Natürlich müssen Politikbriefe und ähnliche Produkte heute auch online verfügbar sein, aber die Politiker und Beamten möchten weiterhin gedruckte Informationen lesen. Und drittens: Ein guter Interessenvertreter beherrscht nicht nur die Methoden der Public Affairs, sondern ist authentisch mit seinem Unternehmen oder Verband verwoben. Deshalb rate ich, nicht zu häufig den Arbeitgeber zu wechseln, sondern lieber Erfahrungen in anderen Bereichen unter demselben Dach zu sammeln: Investor Relations, Kommunikation, Rechtsthemen …

Wie stehen Sie zu Digital Public Affairs und dem darin enthaltenen Gedanken eines transparenteren Lobbyings?

Ich halte es für sinnvoll, Social Media als Konzernpolitik nicht selbst zu bedienen, sondern in die Konzernkommunikation zu integrieren. Das hat den Vorteil, dass alle Kommunikationsstränge miteinander verzahnt sind. Wir wollen transparent sein, aber nicht anbiedernd. Es
gehört zu unserer DNA, dass wir uns gegenüber öffentlichen Institutionen korrekt verhalten, damit müssen wir nicht lautstark werben.

Sollte Ihrer Ansicht nach ein Lobbyregister eingeführt werden?

Ich bin nicht dagegen, denn wer nichts zu verbergen hat, kann auch einem Lobbyregister zustimmen. Wir treten mit Sachwissen an Entscheider heran, und das kann jeder wissen – wenn die anderen Akteure das ebenso handhaben. Allerdings darf ein Lobbyregister nicht zu einer permanenten Rechtfertigungsmaschinerie werden, die nur Bürokratismus fördert.

Und wie finden Sie es, wenn manche Politiker freiwillig alle Lobbykontakte offenlegen?

Damit habe ich überhaupt kein Problem. Interessenvertreter sollen selbstbewusst sein und nicht duckmäuserisch.

Foto: Jana Legler

Thomas Kropp war von 2002 bis Ende Februar 2018  Leiter des Geschäftsbereichs Konzernpolitik und Internationale Beziehungen sowie Bevollmächtigter des Vorstands der Deutschen Lufthansa, sein Nachfolger ist Kay Lindemann. Ab 1995 leitete der heute 65-jährige deren Brüsseler Büro, zuvor die Außenstelle Argentinien der Konrad-Adenauer-Stiftung. Bis 1990 war der Jurist u. a. Präsident der EVP-Nachwuchsorganisation European Young Christian Democrats.

Welchen Fehler begehen Lobbyisten immer wieder?

Informationen, die Interessenvertreter an die Politik geben, dürfen nicht nur egoistisch getrieben sein. Es geht darum, Spezialwissen zu vermitteln und Folgen politischer Maßnahmen aufzuzeigen, nicht aber um reine Gewinnoptimierung des jeweiligen Akteurs. Mein Rat: Niemand sollte auch noch den letzten Euro zu seinen Gunsten herausholen wollen, denn unsere Gesprächspartner in der Politik sind dem Allgemeinwohl verpflichtet.

Wie tritt man als Interessenvertreter idealerweise auf?

An vorderster Stelle steht der Respekt, das betrifft auch den Umgang mit der Zeit anderer. Man sollte immer mit dem wirklich zuständigen Fachbeamten sprechen, statt mehrere Hierarchieebenen zu belangen. Vor allem sollte man im Vorfeld klar definieren, ob es ein Fall für den Staatssekretär, den Abteilungsleiter oder den Referatsleiter ist, und alles präzise vorbereiten. Zudem braucht man einen gewissen Bekanntheitsgrad in der politischen Szene, um Verhandlungen auf höheren Ebenen führen zu können. Ab einem gewissen Punkt muss auch der Chef eines Unternehmens persönlich teilnehmen oder der zuständige Fachmann aus der Firmenzentrale, wenn Ministeriale Fragen zu komplizierten Spezialthemen haben.

Hat sich der Aspekt der Zeitknappheit im Laufe der Jahre zugespitzt?

Ganz eindeutig ja! Politiker und Beamte haben mit mehr Themen und mehr Gesprächsanfragen zu tun, somit enden Treffen schneller als früher. Es gibt weniger Smalltalk und schnell kommt die Frage, was denn das konkrete Anliegen sei.

Ist das gut oder schlecht?

Es hat Vor- und Nachteile: mehr Effektivität, weniger Verbindendes.

Welche neuen Trends sehen Sie auf dem Berliner Lobbyparkett?

Es gibt mehr Repräsentanzen von Unternehmen, die sich früher durch Branchenverbände vertreten ließen. Der Grund dafür ist die zunehmende Zahl individueller Interessen. Die Verbände spielen jedoch weiterhin ihre Rolle, ihre Arbeit wird nur ergänzt. Eine andere Beobachtung: Der Anspruch auf Interessenvertretung zum Beispiel seitens chinesischer Unternehmen ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Umgekehrt blicken auch manche deutsche Firmen auf Käufer aus Asien.

Ab 2008 waren Sie fünf Jahre lang Präsident des legendären “Adlerkreises”, einem Bonner und Berliner Zirkel der Politikverantwortlichen von Unternehmen und Verbänden …

… ein lockerer Gesprächskreis wie andere, in dem monatlich wirtschaftspolitische Entwicklungen diskutiert werden, zumeist mit einem Gast aus der Politik. Der Name klingt staatstragend, dabei stammt er einfach nur vom Gründungsort, dem Restaurant Adler in Bonn.

Dieser einflussreiche Kreis weckt immer wieder das Interesse derer, die ihm nicht angehören …

Es wird manches hineininterpretiert, aber ich rate zur Entmystifizierung. Das ist ein Informationskreis, keine Ritterrunde der Macht.

Bis 2002 haben Sie sieben Jahre lang die Interessen Ihres Unternehmens in Brüssel vertreten. Was ist dort anders als in Berlin?

Die Mehrzahl der regulatorischen Maßgaben entsteht in Brüssel, vom Klima- bis zum Verbraucherschutz. Dort braucht man mehr Alliierte für seine Anliegen als in Berlin, da Politik und Verwaltung auf EU-Ebene viel heterogener sind. Am Anfang steht die Frage, für wen ein bestimmtes Dossier ebenso relevant sein könnte wie für das eigene Unternehmen. Dann geht man gemeinsam in die Gespräche.

Was war der emotionalste Moment Ihrer Berliner Jahre?

Der Germanwings-Absturz im Frühjahr 2015 in den französischen Alpen, er macht mich bis heute fassungslos.

Sie haben in den vergangenen 16 Jahren als Vorstandsbevollmächtigter vier Vorstandsvorsitzende erlebt. Was wird Sie in Zukunft beschäftigen?

Auf Vorschlag der Bundesregierung bin ich in den Wirtschafts- und Sozialausschuss der EU berufen worden. Dort wird es mir bei den Plenar- und Ausschusssitzungen und auf anderen Terminen in Brüssel nicht langweilig werden. Auch werde ich mich wieder verstärkt den deutsch-argentinischen Beziehungen widmen; es ist die Heimat meiner Frau, unsere Töchter sind dort getauft worden, und ich habe fast fünf Jahre lang dort gearbeitet.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe N° 122 – Thema: Wie sich das politische Berlin neu aufstellt. Das Heft können Sie hier bestellen.