Europa fehlt die Teilhabe

Kolumne

Von der 2019 erlebten Europafreundlichkeit ist aktuell relativ wenig zu spüren. Im Wahlmonat Mai 2019 gaben rund 70 Prozent der Deutschen an, der EU (eher) positiv gegenüberzustehen; heute sind es weniger als 50 Prozent.

Stehen Sie ganz allgemein der Europäischen Union eher positiv oder eher negativ gegenüber? Grafik: Civey

Ein möglicher Grund für die geringe Sympathie ist, dass viele Menschen nicht das Gefühl haben, Prozesse und Entscheidungen auf der EU-Ebene zu verstehen. Fast acht von zehn Befragten halten die Entscheidungen, die in der Europäischen Union getroffen werden, für intransparent.

Dafür gibt es viele Erklärungen. Um nur eine herauszugreifen: Viele EU-Entscheidungen werden erst öffentlich debattiert, wenn die Mitgliedstaaten sie umsetzen und nicht schon dann, wenn sie auf EU-Ebene verhandelt werden. So zum Beispiel die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die 2018 in den EU-Staaten wirksam wurde, aber schon lange vorher im EU-Rahmen beschlossen war. Dies führte nachträglich zu Unmut und Unverständnis. Nur rund jeder Vierte gab damals an, zu verstehen, welche Änderungen die Verordnung mit sich bringe.

Würden Sie sagen, dass Sie klar verstehen, was sich durch die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) für Sie persönlich ändern wird? (2018); Grafik: Civey Grafik: Civey

Was fehlt, ist eine europäische Öffentlichkeit, die den politischen Debatten auf der EU-Ebene dieselben Aufmerksamkeit schenkt, wie denen auf nationaler Ebene. Es braucht ein breites öffentliches Interesse für die EU, ihre Institutionen und ihre Mechanismen. Davon sind wir weit entfernt: Fast 60 Prozent der Deutschen sagen, die Europawahl sei ihnen weniger wichtig als die Bundestagswahl.

Wie wichtig ist Ihnen persönlich die Europawahl im Vergleich zur Bundestagswahl? Grafik: Civey Grafik: Civey

Hier sind alle gemeinsam gefordert, mehr europäische Öffentlichkeit herzustellen: Politik, Medien und auch die Bürgerinnen und Bürger selbst. Denn wenn die Europawahlen als weniger wichtig erachtet werden, steigt die Bereitschaft, hierbei einen „Denkzettel” zu vergeben, also aus Protest populistische Parteien zu wählen. Zudem droht eine geringere Wahlbeteiligung. Beides kann bewirken, dass der Anteil der Populisten im Parlament überdurchschnittlich hoch ausfällt.

Noch ist genug Zeit, deutlich zu machen, welche Bedeutung die Wahl im Juni für uns alle hat und dass jede Stimme zählt.

Die verwendeten Umfragen finden Sie hier.