Olaf Lies, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl zum niedersächsischen Ministerpräsidenten. Vor welchen Herausforderungen steht das Land Niedersachsen in den kommenden Jahren?
Da sind zum einen die Verwerfungen der Geopolitik zwischen Ukraine-Krieg und den von der Trump-Administration aus gelösten Handelskonflikten, auch der Klimawandel geht unverändert weiter und zwingt unsere Wirtschaft zur Transformation. Gleichzeitig müssen die Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Das sind alles beileibe keine explizit niedersächsischen Herausforderungen. Was aber sehr wohl niedersachsen-spezifisch ist, sind die Chancen, die sich daraus ergeben. Ob Verteidigungsfähigkeit oder Energiewende – an Niedersachsen kommt man schon auf Grund unserer geografischen Lage kaum vorbei. Das bedeutet, dass wir auch von den nun geplanten Milliarden-Paketen des Bundes maßgeblich profitieren können. Was mich derzeit aber besonders umtreibt ist die Frage, wie wir als Gesellschaft beieinander bleiben und uns nicht durch die politische Extreme weiter spalten lassen. Hier sind die demokratischen Parteien sehr gefordert. Wir Demokraten und Demokratinnen müssen zeigen, dass wir in der Lage sind, nicht nur hart in der Sache zu diskutieren, sondern am Ende eben auch Lösungen zum Wohl unseres Landes zu finden.
Als Ministerpräsident sind Sie – wie auch schon als Wirtschaftsminister – qua Amt Teil des Aufsichtsrats von Volkswagen. Wie kommen die deutschen Autobauer wieder aus der Krise und wie kann die Politik dabei helfen?
Helfen kann Politik zunächst einmal mit klaren, guten und fairen Rahmenbedingungen, ohne Rumgeeiere. Bei allen Träumen von einer Zukunft mit e-Fuel betriebenen Verbrennern: diese Kraftstoffe werden weder in ausreichendem Maße, noch zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung stehen. Die Zukunft ist also elektrisch. Und wir arbeiten im Bund, im Land und auch auf EU-Ebene daran, den richtigen Rahmen zu setzen. Die Energiepreise müssen runter und wir brauchen Kaufanreize. Beides wurde im Koalitionsvertrag in Berlin vereinbart und es ist jetzt die Aufgabe der Bundesregierung, das sehr schnell anzugehen. Dann müssen wir die Ladeinfrastruktur weiterausbauen. Da sind wir in Niedersachsen auf einem guten Weg. Und auch die EU hat verstanden und gibt den Autobauern mehr Luft zum Atmen. Das macht mich durchaus zuversichtlich, was die Zukunft unserer Automobilindustrie angeht – nicht zuletzt, da auch die Absatzzahlen bei VW zuletzt spürbar angezogen haben.
Künftig sind Sie einer der starken SPD-Landesfürsten. Wird man Ihre Stimme auch in Berlin stark vernehmen?
Wir haben uns als Land das Ziel gesetzt, künftig noch präsenter im Berlin zu sein. Dafür haben wir unsere Vertretung im Bund mit der neuen Staatssekretärin und Bevollmächtigten beim Bund Veronika Dicke verstärkt. Mit Blick auf die anstehenden Milliardeninvestitionen in unsere Infrastruktur, aber genauso auch auf andere anstehende Themen wie die Krankenhausreform, brauchen wir diese starke Wahrnehmung unserer Landesinteressen in der Hauptstadt. Daher, ja: Sie werden die selbstbewusste Stimme Niedersachsens künftig noch deutlicher in Berlin vernehmen können.
Mit Lars Klingbeil und Boris Pistorius im Kabinett und Matthias Miersch an der Spitze der Fraktion prägen drei Niedersachsen die neue Bundesregierung. Ist Ihr Bundesland jetzt endgültig die Herzkammer der deutschen Sozialdemokratie?
Lars Klingbeil hat in einer äußerst herausfordernden Lage für unsere Partei Verantwortung übernommen. Das verdient maximalen Respekt. Und umso besser ist, dass sich diese Bereitschaft, hier in die Verantwortung zu gehen, auszahlt, denn er hat einen äußerst gelungenen Start hingelegt. Mit Boris Pistorius und Matthias Miersch haben wir in der Tat auch großartige Kollegen in sehr verantwortungsvollen Positionen. Unser aller Aufgabe ist es aber jetzt erstmal, gute Politik für dieses Land zu machen. An einem SPD-interne Ranking habe ich so gar kein Interesse.
Sie haben gut zwei Jahre, um bis zur Landtagswahl 2027 das Image des Landesvaters aufzubauen. Wie gehen Sie das an?
Wenn man eine Sache von Stephan Weil lernen kann, dann ist es seine Gabe, den Menschen Sicherheit und Verlässlichkeit auch in schwierigen Zeiten zu vermitteln. Und da werde ich anschließen. Ich halte nichts davon, mit Aktionismus, Menschen, Verwaltung und Politik verrückt zu machen. Neuer Schwung? Ja. Neue Themen und Ansätze? Unbedingt. Aber das wird umgesetzt mit ruhiger Hand und vom Ende her gedacht. Es gibt große Herausforderungen und es gibt große Chancen. Ich sehe meine Hauptaufgabe in meinem neuen Amt darin, den Wandel mit Engagement so zu gestalten, dass sich die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes und die Wirtschaftsunternehmen dabei zurecht sicher und gut regiert fühlen.
Dieses Interview erschien zuerst im Newsletter p&k weekly watch. Für weitere Analysen, Insights und Bubble-Talk können Sie den Newsletter jetzt abonnieren.