#ziek: Mit Sex und Zombies für Klimaschutz

Politik

Unter dem Motto “Zusammen ist es Klimaschutz” zeigte das Bundesumweltministerium Ende vergangenen Jahres, wie jeder Einzelne zum Klimaschutz beitragen kann. Neben einem Online-Portal und dem Hasthtag #ziek in den sozialen Netzwerken erregten drei Youtube-Videos besondere Aufmerksamkeit. Unter anderem dieses hier:

Witzig oder anstößig? Das vieldiskutierte Video, in dem eine Jugendliche ihre Eltern beim Sex erwischt.

Herr Schroeren, bei der #ziek-Kampagne stellte das BMUB erstmals das Internet ins Zentrum einer Kampagne. Warum?

Michael Schroeren: Aus praktischen, aber auch aus taktischen Erwägungen: Wir wollten mit dem wichtigen Thema Klimaschutz in relativ kurzer Zeit möglichst viele Leute erreichen – vornehmlich solche, die im Internet unterwegs sind. Die Zielgruppe hat also die Wahl des Mediums beeinflusst. Wir hätten unser Budget natürlich auch in Print-Anzeigen bei etablierten Medien investieren können. Damit hätten wir wahrscheinlich ein Strohfeuer entfacht, aber nicht annähernd die Resonanz bekommen, die wir auf diesem Wege erzielt haben.

Für die Kampagne haben Sie insbesondere auf die Zusammenarbeit mit Bloggern aus den Bereichen CSR und Nachhaltigkeit gesetzt. Die Zielgruppe lag vermutlich im Alter zwischen 14 und 40 Jahren?

Genau. Obwohl wir uns natürlich über alle freuen, ganz unabhängig vom Alter, die wir mit unserer Webseite und den Spots erreichen konnten. Aber klar, ich zum Beispiel zählte sicherlich nicht zu der Altersgruppe, auf die wir es primär abgesehen hatten (lacht). Wir haben aber nicht nur auf Blogger gesetzt, sondern auch die klassischen Medien berücksichtigt, sie zu unserer Auftaktveranstaltung eingeladen. Nicht, weil wir da mit einer großen Berichterstattung gerechnet hatten – PR geht den meisten Journalisten ja grundsätzlich gegen den Strich – sondern weil es einfach zur Routine gehört. Niemand sollte sagen können, er habe davon nichts gewusst. Am Ende ist genau das passiert, worauf wir gehofft hatten: Die Kampagne verbreitete sich zuerst im Netz und dann, mit einer Verzögerung von rund einer Woche, schlug sie in Print auf –, was wiederum neue Aufmerksamkeit erzeugte. Das hat schließlich dazu geführt, dass millionenfach auf die drei Spots geklickt wurde und die begleitende Landingpage innerhalb weniger Wochen fast 400.000 Klicks verzeichnete.

Ist es für Sie vorstellbar, künftig komplett auf Pressekonferenzen zu verzichten und Kampagnen ausschließlich über das Web zu launchen?

Das halte ich definitiv für denkbar, wir haben ja gezeigt, dass der Erfolg einer Kampagne nicht unbedingt von Pressekonferenzen abhängt. Ich will jetzt aber auch umgekehrt nicht so tun, als sei der Verzicht auf etablierte Medien schon ein Erfolgsrezept. Es mag Kampagnen geben, bei denen es dumm wäre, auf Pressekonferenzen und Printanzeigenschaltungen zu verzichten. In unserem Fall war das auch eine Budgetentscheidung angesichts der knappen Mittel. Wir haben gewissermaßen aus der Not eine Tugend gemacht. Ein schöner Nebeneffekt, den man so nur über das Internet erreichen kann, war übrigens, dass diese drei wirklich genialen Videos international geteilt werden konnten. Die Clips sprechen für sich, die brauchen keine Übersetzung oder Untertitel, sind in diesem Sinne wirklich barrierefrei. So bekamen wir Echo aus dem Ausland, beispielsweise die Anfrage einer brasilianischen Onlineplattform, ob sie die Videos übernehmen darf. Das hat uns besonders gefreut, denn gerade Klimaschutz ist ein Thema, dass international relevant ist.

Bundesministerin Barbara Hendricks erzählte auf der Republica, dass insbesondere der Spot, in dem ein Kind seine Eltern beim Sex im Wohnzimmer erwischt, das Bürgertelefon heiß laufen ließ. Zwei Fragen dazu: Was bewegte die Anrufer dort am meisten und was hat eigentlich angedeuteter Sex in der Kampagne eines Bundeministeriums zu suchen?

Einige, aber insgesamt nicht sehr viele Leute haben sich an diesem Film tatsächlich gestoßen. Wobei ich das Etikett „Sex-Film“ nicht für zutreffend halte. Nicht von ungefähr hat die FSK ihn nicht mit einer Altersgrenze versehen. Es gab zum Teil sehr wütende E-Mails – ich habe sie nicht gezählt, aber in Relation zu den vielen Klicks waren das nicht besonders viele. Die meisten dieser negativen Reaktionen kamen erst, als die Filme in den Kinos gezeigt wurden und dort noch einmal über neun Millionen Zuschauer hatten. Ich erinnere mich an die Beschwerde einer Mutter, die mit ihren Kindern einen Jugendfilm anschauen wollte und sich aufregte, dass ihren immerhin 10 und 16 Jahre alten Söhnen im Vorprogramm das zugemutet worden sei, was sie als “Softporno” bezeichnete. Wir haben die Bedenken trotzdem ernstgenommen und dafür gesorgt, dass dieser Film dann nur noch im Abendprogramm gezeigt wurde. Völlig gaga war hingegen der Kommentar eines Redakteurs von Deutschland Radio Kultur, der in dem Eltern-Spot allen Ernstes eine Darstellung und Beschönigung von Kindesmissbrauch zu erkennen glaubte. Und auf Twitter machte einer den untauglichen Versuch, einen Shitstorm gegen das Ministerium loszutreten, weil alle drei Spots frauenfeindlich seien. Mehr ist den Kritikern nicht eingefallen.

Hatten Sie denn für den Ernstfall eines Shitstorms einen Notfallplan in der Tasche?

Natürlich haben wir uns vorbereitet. Wir haben mit dem Regisseur und der Agentur sehr intensiv über die filmische Umsetzung der kleinen Geschichten gesprochen, bis ins letzte Detail Szenen diskutiert und mögliche Varianten erörtert. Wir waren auch bei den Dreharbeiten dabei, um zu sehen, was da passiert. Wir wollten ja nicht unnötig provozieren, sondern positiv daherkommen – frech und freundlich, witzig und unterhaltsam. Ich denke, wir haben die richtige Balance gefunden. Trotzdem: Vor der Veröffentlichung haben wir überlegt, welche ernsthaften Einwände kommen könnten und haben uns darauf vorbereitet, um gegebenenfalls schnell online reagieren zu können.

Aus der Erfahrung: Lohnt es sich für Behörden bei der Wahl ihrer Info-Formate mutiger zu sein?

Ich glaube nicht, dass das viel mit Mut zu tun hat, sondern einfach mit kluger Werbestrategie. Wer sagt denn, dass man für ein ernstes Thema wie Klimaschutz nur stockernst werben darf. Unser Ziel war, ein Thema, das für uns alle an Bedeutung gewinnt, wieder in die Köpfe zu holen und runterzubrechen auf den Alltag, mit kleinen Gedankenanstößen. Und wenn man das auf sympathische Art tut, dringt man eher zu den Menschen durch. Mit diesem Ansatz könnte viel mehr gearbeitet werden, auch in der Politik.

Es wurde angekündigt, dass #ziek in eine neue Runde geht? Was können Sie uns dazu schon verraten?

Noch nicht viel – wir sind gerade bei den ersten Überlegungen. Aber eines steht fest: Wir werden nicht einfach kopieren, was wir schon mal gemacht haben, oder krampfhaft versuchen, noch einen Witz draufzulegen, um das Bisherige zu toppen. Vielleicht wählen wir diesmal eine andere Zielgruppe und #ziek wird erwachsener. Wie auch immer: #ziek wird in diesem Jahr zeitlich auf die UNO-Klimakonferenz, die im Dezember in Paris stattfindet, zusteuern.

Ministerin Hendricks stellt sich den Fragen der Blogger auf der Republica.