„Wir sind eine Familie“

p&k: Herr Schüler, die heiße Phase des Wahlkampfs hat begonnen. Die CDU hat bislang auf eigene Attacken verzichtet und wartet ab, was die SPD macht. Eine besondere Herausforderung für Ihre Arbeit?
Klaus Schüler: Es kommt darauf an, was Sie unter Wahlkampf verstehen. Für uns ist Wahlkampf ein Wettbewerb der jeweiligen personellen und inhaltlichen Angebote der Parteien und Überzeugungsarbeit für Vertrauen und Unterstützung. Wir sehen den Sinn eines Wahlkampfs nicht darin, den politischen Gegner möglichst heftig anzugreifen oder gar persönlich herabzuwürdigen. Und wir richten unseren Wahlkampf auch nicht nach anderen Parteien aus, sondern werben bei den Menschen für unser Angebot. Dabei kommen dann selbstverständlich auch die Unterschiede zu anderen zur Sprache. Dieser sachorientierte Stil entspricht nach meiner Wahrnehmung den Erwartungen und Empfindungen der Menschen – zumal in einer so schwierigen Situation, in die unser Land durch die Auswirkungen der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise geraten ist.

Was war bei der Vorbereitung der diesjährigen Wahlkampagne wichtig?
Jeder Wahlkampf hat seine spezifischen Rahmenbedingungen, die präzise analysiert und definiert werden müssen. Grundlage einer jeden erfolgreichen Kampagne aber ist vor allem solides, professionelles Handwerk. Das meiste davon findet wie bei einem Eisberg unter der Wasseroberfläche statt, das heißt außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung. Das ist sehr intensive, harte Arbeit, auf möglichst hohem fachlichem Niveau, um die vielen, vielen „Module“, die Einzelaspekte und Einzelthemen, aus denen eine Wahlkampagne besteht – unter anderem Programmatik, werblicher Auftritt, Media-Strategie, Online-Konzeption, Veranstaltungsplanung und Mobilisierung – vernünftig vorzubereiten. Dann besteht die Kunst darin, diese vielen kleinen Rädchen so miteinander zu verzahnen, ineinander greifen zu lassen und während der Kampagne am Laufen zu halten, dass daraus ein möglichst reibungslos funktionierendes Uhrwerk wird.

Auf den Wahlplakaten hat die CDU das „Wir“ im Motto „Wir haben die Kraft“ mit der Deutschlandflagge unterlegt. Ist das die Rückkehr des unverkrampften Patriotismus der Fußballweltmeisterschaft 2006?
Selbstverständlich ist das mit unseren Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold unterlegte „Wir“ ein Statement, ein Bekenntnis zu unserem Land. Es ist ein Ausdruck unseres Selbstverständnisses, als große Volkspartei der Mitte unseren Beitrag dazu zu leisten, dass unser Land im Interesse der Menschen eine gute Entwicklung nimmt. Es geht aber um mehr: Der „Wir“-Gedanke spricht das Miteinander, die Gemeinsamkeit in unserer Gesellschaft an, und in Kombination mit dem Slogan: „Wir haben die Kraft“ bringen wir ein Stück Optimismus, Zuversicht zum Ausdruck: Wir alle gemeinsam, dieses Land und seine Menschen, wir haben alle Chancen, mit unseren vielfältigen Potenzialen das Optimale aus unseren Möglichkeiten zu machen. In der konkreten Situation heißt das vor allem, dass wir in Deutschland angesichts der schweren internationalen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise gemeinsam die Kraft haben, diese Krise zu überwinden und gestärkt aus ihr hervorzugehen. Dass es dazu der richtigen Wahlentscheidung am 27. September, nämlich für Angela Merkel und die CDU, bedarf, wird, so hoffe ich, auf den Plakaten ebenfalls deutlich.

Die Plakate zeigen die Bundesminister der Union. Warum diese Personalisierung?
Die Bundesminister der Union setzen wir in der ersten von drei Wellen unserer Großflächenplakate ein. Sie haben in der Bundesregierung gute Arbeit geleistet, strahlen hohe, breit anerkannte Sachkompetenz aus und stehen zugleich stellvertretend für die Themen, die jetzt besonders wichtig sind und auf die es für die Zukunft entscheidend ankommt: Wirtschaft und Arbeit, Bildung und Innovation, Familie, Sicherheit. Personalisierungs- und Sachkompetenz-Komponente ergänzen einander, wirken zusammen und machen den Gesamteindruck aus. Es geht bei Wahlentscheidungen immer um beides: um das inhaltlich-programmatische, aber eben auch um das personelle Angebot der Parteien. Wir sind als Union bei beiden Aspekten gut aufgestellt.

Auch die CSU-Minister Karl-Theodor zu Guttenberg und Ilse Aigner sind auf den Plakaten zu sehen. Schmücken Sie sich mit fremden Federn?
Nein. Wir sind Schwesterparteien und eine Familie, wir bilden eine gemeinsame Fraktion im Bundestag, wir treten mit einem gemeinsamen Regierungsprogramm an. Selbstverständlich wird Angela Merkel auch auf CSU-Plakaten in Bayern zu sehen sein und bei Veranstaltungen der CSU auftreten. Und Horst Seehofer wird ebenso selbstverständlich beim Wahlkampfauftakt der CDU am 6. September in Düsseldorf dabei sein.

Die Union hat mit Wirtschaftminister zu Guttenberg ein populäres Zugpferd bekommen. Ein Glücksfall für Ihre Wahlkampfpläne?
Herr zu Guttenberg spielt nicht nur im Wahlkampf eine hervorragende Rolle, sondern – was wichtiger ist – vor allem auch in der täglichen Arbeit der Bundesregierung. Dass ich mich darüber freue, dass wir insgesamt als Mannschaft sehr gut aufgestellt sind, ist klar. Am Ende wird es darauf ankommen, wem die Menschen die Führung dieses Landes in schwieriger Zeit anvertrauen wollen. Hier haben wir mit Angela Merkel eine starke Kanzlerin mit ausgesprochen hohen Zustimmungs- und Unterstützungswerten in der Bevölkerung. Sie ist beliebt, sie ist hoch geschätzt, die Menschen vertrauen ihr. Das wird am Ende entscheidend sein.

Viele Demoskopen sagen, dass die Union in Umfragen ihr Wählerpotenzial ausgeschöpft hat. Auf welche Gruppen wollen Sie sich im Wahlkampfendspurt konzentrieren?
Mit den Demoskopen ist das so eine Sache, da hat man das eine oder andere Mal schon Überraschungen erlebt. Also: Nicht auf Umfragen schielen, sondern arbeiten und um Unterstützung und Vertrauen möglichst vieler Menschen werben, das ist jetzt angesagt. Bis zu 40 Prozent der Wähler entscheiden sich erst kurz vor der Wahl. Die CDU ist eine große Volkspartei, wir können uns nicht auf einen Zielgruppenwahlkampf verengen. Natürlich brauchen Sie politische Angebote auch für spezielle Gruppen und Interessen; auch das finden Sie bei uns: Aber unsere Wählerklientel ist breit gefächert in allen Bereichen unserer Gesellschaft, über soziologische Gruppen und über die Generationen hinweg. Schauen Sie sich die vielen jungen Unterstützer an, die für Angela Merkel in diesem Wahlkampf – online und offline – unterwegs sind. Gleichzeitig haben wir traditionell viel Unterstützung auch bei älteren Wählern. Wir können uns nicht nur auf einzelne Zielgruppen fokussieren. Für eine Volkspartei wie uns geht es darum, einem breiten Bevölkerungsspektrum politische Angebote machen zu können. Es kommt auf die richtigen Themen, auf überzeugende Konzepte und auf überzeugende Personen an.

In Umfragen liegt die SPD teilweise 15 Prozent hinter der CDU. Doch die Sozialdemokraten haben oft bewiesen, dass sie „Wahlkampf können“. Was erwarten Sie noch bis zum 27. September?
Wir machen im Konrad-Adenauer-Haus Wahlkampf für die CDU und richten unsere tägliche Arbeit nicht am Willy-Brandt-Haus aus. Für vermeintliche Mythen von gestern und vorgestern, die im Übrigen rasch verwelken können, kann sich niemand etwas kaufen. Ausschlaggebend ist die Entscheidung der Wähler am 27. September. Die Wahllokale sind an diesem Tag bis 18 Uhr offen – bis zu diesem Zeitpunkt wird die CDU um jede Stimme kämpfen.

Die CDU setzt im Wahlkampf wie die SPD auf das Internet. Über ein eigenes Online-Netzwerk können sich Unterstützer an Ihrem Wahlkampf beteiligen. Was passiert mit diesem Netzwerk nach der Wahl?
Jetzt beschäftigen wir uns erst einmal damit, was mit diesem Netzwerk vor der Wahl passiert. Wir sind sehr froh und dankbar, dass sich bereits jetzt mehr als 100.000 Menschen, darunter unglaublich viele junge Leute, bereiterklärt haben, sich im Team Deutschland oder in den sozialen Netzwerken für Angela Merkel und die CDU zu engagieren. Eine eindrucksvolle Bestätigung unserer Online-Strategie, vor allem aber ein tolles Signal der Unterstützung für unsere Kanzlerin.

Sie sind seit 2007 Bundesgeschäftsführer der CDU und verantworten damit zum ersten Mal den Bundestagswahlkampf Ihrer Partei. Was erwarten Sie?
Ach, wissen Sie, nach mehr als 20 Jahren in diesem Geschäft ist man ja kein „heuriger Hase“ mehr. Insofern finden Sie mich auch nicht im Zustand fiebriger Erregung, sondern eher einer gewissen konzentrierten Gelassenheit. Ich versuche in den verbleibenden Wochen bis zum 27. September meinen Job weiterhin so gut zu machen, wie es mir möglich ist. Dann werden wir sehen, wie das Wahlergebnis ausfällt.

Wahlkampf ist immer eine Extremsituationen. Freuen Sie sich darauf, nach der Wahl wieder ausschlafen zu können?
Natürlich ist ein Bundestagswahlkampf eine besondere Herausforderung, aber man weiß ja, worauf man sich einlässt. Ich war dankbar für das Vertrauen, eine solche Aufgabe übertragen zu bekommen und habe mich darauf gefreut, weil ich finde, dass man im Leben durch solche Erfahrungen auch persönlich ein Stück weiter kommt. Jetzt hoffe ich zunächst, dass die intensive Arbeit der zurückliegenden Monate am 27. September auch den angestrebten Erfolg hat. Dann habe ich meiner Frau und meinem Sohn ein paar Tage Urlaub zum gemeinsamen Golf spielen versprochen, darauf freue ich mich.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Jetzt aber los! – Endspurt zur Bundestagswahl. Das Heft können Sie hier bestellen.