„Wir brauchen ein Gesetz“

p&k: Herr Humborg, Herr Kretschmer, von wem ging die Initiative zu Ihrem gemeinsamen Papier aus?
Christian Humborg: Wir sind auf die Degepol zugegangen – da hatten wir allerdings noch nicht diese konkrete Initiative vor Augen, sondern diese hat sich erst aus den Gesprächen entwickelt. Der erste Gesprächstermin war bei der Degepol.

Das heißt, Sie sind auf die Degepol zugegangen und haben sich über die Themen unterhalten, die aus ihrer Sicht drängend waren?
Heiko Kretschmer: Das geschah ja im Jahr 2007 – zu einer Zeit, in der das Thema Ethik bei der Degepol ohnehin sehr stark im Fokus stand. Im vorigen Jahr folgte noch das Ausschlussverfahren gegen Jan Burdinski. Ich glaube, das alles hat dazu beigetragen, dass Transparency sich mit uns austauschen wollte. Offenbar hatte es doch überrascht, dass die Degepol ernsthaft versuchte, sich des Themas Ethik anzunehmen. Wer nun als erster die Idee zu solch einem Papier hatte, weiß ich jetzt auch nicht mehr. In den Gesprächen haben wir jedenfalls beschlossen: Lasst uns gemeinsam eine Initiative lostreten.
Humborg: Dies ist kein untypisches Vorgehen für Transparency International, denn wir nennen uns „Koalition gegen Korruption“. Das heißt: Wir sagen, wir können nur dann strukturelle Veränderungen erreichen, wenn wir gemeinsam mit Akteuren aus Politik, Zivilgesellschaft oder Wirtschaft etwas vorantreiben.
 
In dem gemeinsamen Papier schreiben Sie, dass es Ihr Ziel sei, das Vertrauen der Bevölkerung in Politik und Politikberatung zurückzugewinnen. Warum ist das denn verloren gegangen?
Kretschmer: Es sind zum einen konkrete Ereignisse, die eine Rolle gespielt haben: Da kann man ganz vorneweg natürlich den Fall Hunzinger nennen. Dann der Fall von WMP bei der Bundesagentur für Arbeit. Zum Zweiten hat das, glaube ich, mit der Wahrnehmung der Politik durch den Bürger zu tun und mit der Distanz der Politik zum Bürger. Politikberatung wird leider oft als ein Teil eines intransparenten Systems wahrgenommen.

Sie wollen eine Selbstkontrolle der Branche gewährleisten und ein Sanktionssystem einführen. Zugleich fordern Sie ein verbindliches Lobbyistenregister. Die drastischste Sanktion, die in ihrem Papier genannt wird, ist die Streichung aus dem Lobbyistenregister. Das käme einem Berufsverbot gleich – mit welcher Legitimation will ein Organ der Selbstkontrolle ein solches herbeiführen?
Humborg: Zunächst einmal gibt es Beispiele, in denen nichtstaatliche Gremien in die Belange Dritter eingreifen, beispielsweise die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex. Der Kodex wird nicht durch das Parlament oder ein Ministerium festgelegt. Außerdem finde ich es falsch, von einem Berufsverbot zu reden. Wer keinen Hausausweis des Deutschen Bundestags mehr hat und nicht mehr zur Anhörung eingeladen wird, der erleidet einen Reputationsverlust. Es ist aber nicht so, dass man dann gar nichts mehr machen kann.
Kretschmer: Wir haben die Initiative nicht so angelegt, dass jeder Satz in dem Papier den Charakter eines Gesetzestextes oder einer konkreten Richtlinie hat. Wir wollten die Grundsätze beschreiben. Dass man dann hinterher noch die juristischen Feinheiten abstimmen muss, ist klar. Aber konkret: Wenn jemand aus dem Lobbyistenregister gestrichen wird, kann er immer noch als Berater tätig sein. Insofern ist es kein Berufsverbot. Außerdem ist es durchaus üblich, dass es berufsständische Kontrollorganisationen gibt.

Befürworten Sie, dass die Verhaltensrichtlinien für Lobbyisten in einem Gesetz festgeschrieben werden?
Kretschmer: Ja. Das geht nur in Gesetzesform. Bisher gibt es in Deutschland mit der Lobbyliste nur eine Regelung im Rahmen der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags. Damit gilt diese Regelung aber auch nur für das Parlament. Es sollte aber der gesamte staatliche Bereich, Legislative und Exekutive, erfasst werden. Insoweit muss man dann ein Gesetz erlassen.

Es gibt Lobbyisten, die als Einzelkämpfer tätig sind und sich ausschließlich aktiv als Interessenvertreter betätigen. Angenommen, die würden aus dem Register gestrichen – was sollte es denen bringen, noch als Berater tätig zu sein?
Kretschmer: Sie sind ja auch nicht gezwungen, gegen den Kodex zu verstoßen. Wer sich ganz bewusst entschließt, diesen Beruf auszuüben und sich zu registrieren, von dem müssen wir erwarten, dass er sich an die aufgestellten Regeln hält. Jemand, der eine Straftat begeht und ins Gefängnis kommt, der kann in der Zeit seinen Beruf auch nicht ausüben. Auch das bedeutet dann faktisch ein Berufsverbot. Insofern halte ich das für eine weit hergeholte Diskussion.

Um die Einhaltung eines künftigen Kodex’ zu überwachen, schlagen Sie vor, eine Instanz zur Selbstregulierung zu gründen. Als mögliche Mitglieder sehen Sie Bundestag, Bundesregierung, Verbände, Nichtregierungs-Organisationen und die Beraterbranche. Wie wollen Sie die denn alle unter einen Hut bekommen?
Humborg: Aus meiner Sicht ist das Überzeugende an diesem Vorschlag, dass es nicht allein eine Instanz der Beraterbranche allein ist. Das muss man fairerweise sagen. Es wäre ein breit aufgestelltes Gremium. Bei anderen Organen der Selbstregulierung hapert es mitunter daran, dass nur Branchenmitglieder beteiligt sind.

Doch es bleibt die Schwierigkeit, zu definieren, wer als Repräsentant der Branche einbezogen werden soll. Beim Deutschen Presserat ist das einfach: Beteiligt sind Verleger- und Journalistenverbände. Aber wer sollte sich für die Politikberatungsbranche beteiligen?
Kretschmer: Es gibt ja eine klare Basis. Das sind all diejenigen, die registriert sind. Das heißt, auch darüber kann ich Vertreter rekrutieren.

Nach Ihrem Papier sollen auch die Anwälte der Selbstkontrolle unterworfen werden. Diese unterliegen jedoch der Verschwiegenheitspflicht, sofern es um Rechtsberatung geht. Wo würde nach Ihrer Meinung die Politikberatung anfangen und die Rechtsberatung enden?
Humborg: Entscheidend ist die Definition von Interessenvertretung. Dies erfolgt nicht in unserem gemeinsamen Papier. Der Gesetzgeber in den USA hat das schon getan und Kriterienkataloge definiert, was Lobbying ist und was nicht. Dies muss zunächst einmal definiert werden. Zum Beispiel: Was zählt als Lobbykontakt? Wer ist Lobbyist? Was die Anwälte angeht, ist zunächst festzustellen, dass sie in den USA offenbar keine Probleme haben, sich zu registrieren. Warum geht das in den USA und ginge hier nicht? Entscheidend dürfte sein, dass nicht die prozessuale Vertretung im Vordergrund steht, sondern die Interessenvertretung. Man wird da sicher eine Lösung finden – die Einbeziehung der Anwälte ist wesentlich.
Kretschmer: Der Mandantenschutz ist in Deutschland ohnehin primär ein Schutz der Rechtsberatung. Bei der Politikberatung geht es um anwaltliche Beratung, mittels der Einfluss auf den Staat genommen werden soll. Und an dieser Stelle endet definitiv der Mandantenschutz. Insofern ist die Verschwiegenheitspflicht kein Argument. Eines muss aber klar sein: Wenn eine verpflichtende Regelung und ein Lobbyistenregister die Rechtsanwälte ausnehmen, wäre dies eine Totgeburt. Das einzige Ergebnis wären dramatische Verzerrungen im Markt – zugunsten der Rechtsanwälte.

In Ihrem Papier sprechen Sie sich für eine Karenzzeit aus, der Regierungsmitglieder unterliegen sollen, die aus dem Amt scheiden und in die Beratungsbranche wechseln. Eine zeitliche Festlegung treffen Sie nicht. War das ein Streitpunkt zwischen Ihnen?
Humborg: Das ist ein Kompromiss, da haben wir uns nicht auf eine konkrete Jahreszahl geeinigt. Das hängt auch damit zusammen, dass sich Transparency seit Jahren schon zu diesem Thema positioniert hat. Wir befürworten eine Karenzzeit von drei Jahren für Minister und Parlamentarische Staatssekretäre, wenn ein Zusammenhang zwischen der bisherigen und der neuen Tätigkeit besteht. Es ist natürlich schwierig, wenn das schon einseitig vorbestimmt ist und die andere Seite nur noch zustimmen kann oder nicht.  

Was sind die nächsten Schritte – war das der Beginn einer wunderbaren Freundschaft zwischen Degepol und Transparency?
Humborg: Die Ausgestaltung eines Verhaltenskodex wird ein wesentliches Thema sein. Man muss jetzt verstärkt darüber nachdenken, was in so einen Verhaltenskodex gehört. Kann man den von der Degepol nehmen? Oder müssen nicht noch ein paar weitere Themen mit rein? Ich will nur ein Beispiel nennen, das nicht im Degepol-Verhaltenskodex genannt ist: die Frage der Bewirtung auf Veranstaltungen. Bei manchen Lobbyisten hat man das Gefühl, dass sie sich mit tollen Events gegenseitig überbieten wollen. Ich glaube, es ist fast im Interesse der Branche selbst, dass man sagt: Kommt, jetzt wollen wir uns hier mal ein bisschen beschränken …
Kretschmer: Ich stelle eigentlich genau das Gegenteil fest, da gibt es zunehmend Ängste …
Humborg: Na, umso besser. Wenn das kein Problem ist, kann man das ja mit aufnehmen. Aber ich glaube, das Wichtigste ist jetzt erst mal, dass die Einführung eines Lobbyistenregisters in der nächsten Legislaturperiode als Gesetzesprojekt betrieben wird, das auch von den Fraktionen ernst genommen wird und möglichst schnell Schritte eingeleitet werden.
Kretschmer: Ich glaube, dass die nächste Legislatur, die Legislatur sein wird, in der etwas passiert, in der sich der Bundestag mit diesem Thema befassen muss. Mir wäre es sehr lieb, wenn wir einen fachlich fundierten Diskurs hinbekommen. Ich möchte nicht, dass eines Tages ein Skandal und die „Bild“-Zeitungs-Schlagzeilen den Gesetzentwurf bestimmen. Da würde nicht viel Vernünftiges bei rumkommen. Insofern hoffe ich, dass diese Initiative jetzt auch von der Politik positiv aufgenommen wird.

Aber zumindest in der Union ist man derzeit der Meinung, dass hier keine gesetzliche Regelung erforderlich ist.
Kretschmer: Ja, was momentan in den Koalitionsfraktionen diskutiert wird, sind in der Tat nur Vorstöße auf der Ebene der Geschäftsordnung, also der Verbändeliste. Ich glaube, dass man deutlich machen kann, dass das zu kurz greift.
Humborg: Das Ergebnis einer Regelung auf der Basis der Verbändeliste wäre, dass die Nichtregierungsorganisationen, die in der Regel eingetragene Vereine sind, die Hosen runterlassen müssten, während die Industrie sie anlassen kann. Die Unternehmenslobbyisten stehen ja nicht auf der Verbändeliste. Das ist dann schon etwas komisch.

Wie haben Sie die bisherigen Reaktionen auf Ihre gemeinsame Initiative wahrgenommen?
Humborg: Ich fand erstaunlich, dass die Journalisten, die mir bei der Präsentation unseres Papiers gegenüber saßen, sich offenbar immer gefragt haben: „Warum machen die das?“ Die haben immer ein Haken gesucht. Die konnten sich einfach nicht vorstellen, dass zwei Akteure aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft sich zusammensetzen und gemeinsam Vorschläge erarbeiten. Das fand ich ein bisschen schade, weil dies die eingefahrenen Denk- und Entscheidungsstrukturen, die wir haben, zeigt.

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