Wechsel auf ein anderes Gleis

Politik

Mit dem Fahrrad die Alpen zu überqueren, ist für ihn die größtmögliche Entspannung. Einen Zweitausender hoch zu buckeln und anschließend bergab ein Auto zu überholen, die Krönung. Peter Westenberger weiß, wo er attackieren muss: in engen Kurven. Das perfekte Urlaubserlebnis. Der Kampf gehört dazu.

Ganz wie im beruflichen Alltag. Auch da geht er gerne an Grenzen, zeitlich wie inhaltlich. Er ist kein Workaholic, dafür ist er zu sehr Familienmensch, ein begeisterter Vater. Westenberger ringt für die Sache. Die Sache, das ist der Umweltschutz. Um seinetwillen kann er zum gnadenlosen Kämpfer werden.

Die Bahn hat damit ihre Erfahrungen gemacht: Westenberger ging Anfang der neunziger Jahre nach Mecklenburg-Vorpommern, um einen schlagkräftigen Landesverband des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND) aufzubauen. Sogleich nahm er den Kampf gegen den Transrapid auf, der auf seiner damals geplanten Prestige-Strecke zwischen Berlin und Hamburg auch in der Landeshauptstadt Schwerin Halt machen sollte. Als die ökologischen Argumente alleine nicht halfen, schmiedete er maßgeblich eine Allianz, die ein privates Bahnnetz ankündigte. Reichlich kess für einen Verein mit nicht mal 500 Mitgliedern. Doch der Stratege Westenberger weiß, wo er attackieren muss: Die DB-Berechnungen zur Wirtschaftlichkeit waren hinfällig.

Drei Jahre später kehrte Westenberger in die Bundesgeschäftsstelle des BUND nach Bonn zurück, wurde dort Verkehrsreferent. Den Kampf gegen den Transrapid nahm er mit, koordinierte den bundesweiten Widerstand. Weggefährten berichten, dass er oft nachts um 1 Uhr Nachrichten aus dem Büro schrieb. Morgens um 6 saß er schon wieder in irgendeinem Zug und rief Kollegen an, ob es erste Reaktionen auf seine nächtliche Arbeit gebe.

Peter Westenberger wird Geschäftsführer des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen

Peter Westenberger (c) Geschw. Kranert GbR

So ein Pensum empfinden auch Mitarbeiter mal als gnadenlos. Vor allem aber die jeweiligen Gegner. Das lieben die eigenen Leute so an ihm. Peter Westenberger reißt mit, schweißt Kollegien in kürzester Zeit zu schlagkräftigen Teams zusammen. In der Szene hat er sich damit den Ruf des hoch kompetenten und erfolgreichen Strategen erworben.

Als der BUND belegte, dass der Pro-Kopf-Energieverbrauch des Transrapid dem eines Autos entsprach, also weit über dem der Bahn, kippte der damalige Bahnchef Hartmut Mehdorn die Pläne zur Magnetschwebebahn. Und holte den überzeugten Umwelt-Streiter an Bord.

Fortan kämpfte er auf Bahn-Seite, prägte deren Umwelt-Kommunikation. Er institutionalisierte einen partnerschaftlichen Dialog mit den Umweltverbänden. “Fahrziel Natur” ist eines der bekanntesten Ergebnisse. Intern legte er überall dort den Finger in die Wunde, wo der Umweltvorteil der Bahn zu kippen drohte: beim Lärm etwa oder beim Strom aus Kohle.

Mit Verve warb er für den Klimaschutz, gab der Bahn vor Ort ein Gesicht. Manche witzeln, er nehme pro Tag ähnlich viele Termine in der gesamten Republik wahr wie mancher Bundesminister. Allerdings ließen sich diese mit dem Helikopter bringen, weil es anders nicht zu schaffen sei – Westenberger sei stets mit Fahrrad und Bahn unterwegs.

Jetzt hat die Bahn umgebaut, Peter Westenberger ist mit einem Mal draußen. Den wirklichen Grund habe er nie mitgeteilt bekommen, sagt er. Die Bahn äußert sich nicht dazu. Die private Konkurrenz freut sich: Sie schlug zu und holte sich den frei gewordenen Experten als neuen Geschäftsführer. Das kann munter werden, gerade im Wettstreit mit der Deutschen Bahn. Denn Westenberger weiß, wann man attackieren muss. Und: So richtig zufrieden ist er erst, wenn er gewonnen hat.