Warum glauben Sie, wird die SPD-Basis dem Koalitionsvertrag zustimmen, Herr Hilmer?

Herr Hilmer, die SPD-Mitglieder entscheiden ab dem 6. Dezember über den Koalitionsvertrag. Wichtig wird dabei die genaue Frage sein, über die die Mitglieder letztlich abstimmen. Haben Sie in diesem Punkt als Meinungsforscher vielleicht einen Tipp für Sigmar Gabriel?

Richard Hilmer: Das Problem bei solchen Mitgliederbefragungen ist, dass immer nur eine Ja/Nein-Antwort möglich ist. Die Konstellation birgt die Gefahr, dass sich die SPD-Mitglieder mehrheitlich für ein Nein entscheiden, einfach weil es für sie kognitiv einfacher ist, etwas abzulehnen anstatt etwas zuzustimmen. Die SPD-Führung muss sicherlich auf das Erreichte hinweisen und jetzt noch versuchen, bei Themen wie Mindestlohn und doppelter Staatsbürgerschaft einige symbolische Siege zu erringen.

Nun hat gerade die große Koalition bei den SPD-Mitgliedern ein schlechtes Image. Wie kann das die Parteiführung in so kurzer Zeit noch verändern?

Es wird sehr wichtig sein klarzumachen, dass die Bürger sich für die große Koalition entschieden haben. Die Wähler wollten dieses Bündnis am Wahltag und sie wollen es noch immer. Übrigens hat sich auch die Mehrheit der SPD-Anhänger in den Umfragen für diese Koalition ausgesprochen als klar war, dass Rot-Grün keine Machtoption hat. Das zu vermitteln, das ist jetzt Sigmar Gabriels Aufgabe.

Sie haben im Vorfeld den Tipp abgegeben, dass die SPD-Mitglieder dem Koalitionsvertrag letztlich knapp zustimmen werden.
Was macht Sie so optimistisch?

Ich glaube, die Furcht vor den Folgen wird ausschlaggebend sein. Denn ein Nein der Mitglieder würde für die SPD nicht nur das Aus für eine Regierungsbeteiligung bedeuten. Ein Nein würde die gesamte Parteiführung massiv beschädigen. Das beträfe nicht nur die Bundesspitze, sondern auch die führenden Landespolitiker, die ebenfalls an den Koalitionsverhandlungen beteiligt sind. Vor dem Hintergrund der anstehenden Landtagwahlen 2014 in Sachsen, Thüringen und Brandenburg kann ein solcher Kollateralschaden nicht im Sinne der Parteimitglieder sein.

Kommen wir noch kurz zur Union: Sie bezeichnen Angela Merkel gern als CEO von Deutschland. Wie lange wird sie mit ihrem zurückhaltenden Stil bei den Bürgern noch punkten können?

Merkels Regierungsstil des Abwartens und Abwägens war gerade in Zeiten der Eurokrise die ideale Form, um mit den Problemen umzugehen. Das ist ja schon bisschen “Führung von hinten“. Doch es kann natürlich sein, dass demnächst eher auch tatkräftige Führung von vorne gefragt ist, zum Beispiel in der Energiepolitik. Dort tickt die Uhr, die Beschlüsse sind gefasst, allerdings reichen die Maßnahmen bei weitem noch nicht aus. Hier wird die Aufgabe von Frau Merkel sein, kraftvoll nach vorne zu marschieren.