Wahlkampf ist immer

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In fast allen Märkten sind heute annähernd gleichartige oder gleichwertige Angebote die Regel. Verdrängungswettbewerb ist Standard geworden. Wahlkämpfe und Marktbearbeitung unterscheiden sich dabei auf den ersten Blick kaum. Denn in beiden Fällen geht es um das gleiche Ziel: Meinungen sollen vertieft oder verändert werden. Neue Verhaltensweisen sollen angeregt oder bewährte bestätigt werden. Trends sind zu schaffen, zu stabilisieren – oder zu brechen. Klimawechsel sollen ausgelöst werden. Massen sind zu motivieren und bestenfalls zu mobilisieren. Und doch: Auch wenn Politik als Produkt zu sehen ist, so ist der Politiker nicht die Ware. Und der Bürger nicht Verbraucher. Menschen haben Menschen etwas zu sagen. Das macht den Unterschied.

Keine Form der Werbung ist so öffentlich und so stark in der Diskussion wie die politische Kommunikation im Wahlkampf. Das gilt auf allen parlamentarischen Ebenen – von Kommune und Bürgermeisteramt bis nach Europa. Kandidaten müssen die eigenen Mitglieder und Stammwähler ebenso erreichen wie die unschlüssigen Stimmpotentiale. Tagtäglich wird Wahlwerbung dabei relativiert: im Echo der Medien, durch den Schlagabtausch mit dem politischen Gegner, im schnellen digitalen Netz der User, in Gesprächen unter Freunden, Nachbarn, Kollegen – und möglicherweise auch von unvorhersehbaren politischen und sonstigen Ereignissen. Wahlwerbung kann nichts verkaufen. Sie muss überzeugen. Rational wie emotional. Sie muss Stimmung nutzen, um Stimmen zu erzielen. Diese Aufgabe, ein Stück Demokratie in unserem reizüberfluteten Medienalltag werbewirksam um- und durchzusetzen, ist eine der höchsten Anforderungen an die politische Kommunikation. Für jede Partei, jede Kandidatin, jeden Kandidat.

Wahlerfolge sind abhängig von Personen und Inhalten, der richtigen Kommunikationsstrategie, einer ausgeklügelten Dramaturgie, vernetzter Kommunikation und einer perfekt funktionierenden Organisation. Dabei ist die politische Kommunikation als integrativer Teil des gesamten Managements der Partei zu begreifen. Ein erfolgreicher Wahlkampf bedingt ein optimiertes Zusammenspiel vielfältiger Faktoren.

Nach der Wahl ist vor der Wahl

Wahlkampf ist eigentlich immer. Wer kennt nicht das oft zitierte “Nach der Wahl ist vor der Wahl”? In der Tat kann täglich ein Baustein für den Erfolg der Zukunft gelegt werden. Im eigentlichen Wahlkampf, den letzten Wochen vor der Wahl, fokussiert die Wahlkampforganisation mit ihrem gesamten Instrumentarium und Mitteleinsatz, die letzten Stimmen zu bewegen und die eigene Anhängerschaft von der Bedeutung der Stimmabgabe zu überzeugen. Dies gelingt umso wirkungsvoller, je mehr die Wahlkampagne frühzeitig als Höhepunkt einer längerfristig angelegten Strategie gedacht wird. Glaubwürdige inhaltliche Positionierungen müssen daher frühzeitig erfolgen. In der Mediendemokratie geht es in modernen Wahlkampagnen immer auch um die Themen- und Interpretationshoheit. Gerade bei knappen Ausgangslagen sind Qualität der Strategieentwicklung sowie Medien- und Wahlkampfmanagement wesentliche Faktoren. Kampagnen können die entscheidenden Prozentpunkte bewegen. Und doch werden die Grundlagen für den Erfolg oft weit vor der offiziellen Wahlkampferöffnung gelegt.

Wahlaussagen brauchen Zukunft

Zukunftserwartungen bilden zusammen mit den jeweils herrschenden Problemlagen und den von der Bevölkerung attestierten Kompetenzen den Humus einer jeden Wahlstrategie. Wahlaussagen brauchen Zukunftsbezug. In der Regierung setzt man in der Regel auf zwei Themenfelder: die erfolgreiche Bilanz der bisherigen Arbeit und die konkreten Ziele für die Zukunft.

Mit Erfolgen der Vergangenheit allein ist nichts zu ernten. “Wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht, trägt sie an der falschen Stelle”, hat Heiner Geißler gesagt. Erfolge beweisen zwar Kompetenz, doch Kompetenz ohne ein glaubwürdiges Zukunftsprogramm ist ebenso wenig erfolgversprechend wie Visionen ohne Kompetenz. Nur wenn beides passt und die in den Vordergrund gestellten Inhalte für die Menschen von hoher Relevanz sind, hat das Wahlkampfmanagement seine Aufgabe erfüllt.

Kenne die Gegenseite!

Niemand ist allein auf dem Spielfeld. Für einen professionellen Wahlkampf ist es unabdingbar, Entwicklungen und Überlegungen auf der Gegenseite zu kennen. Gegnerbeobachtung ist ein zentrales Instrument einer strategischen Vorgehensweise. Sie muss langfristig angelegt sein und permanent Informationen über politische, personelle, wirtschaftliche und organisatorische Entwicklungen bei den Mitbewerbern liefern. Die Gegnerbeobachtung stellt vor allem die Basis für Gegnerangriffe dar, die vorhandene Schwächen auf Seiten der Mitbewerber aufdecken oder verstärken sollen.

“Negative Campaigning” spielt in nahezu jedem Wahlkampf eine Rolle. Wichtig ist, dass es wohldosiert eingesetzt wird. Wer sich zur Wahl stellt, muss zunächst einmal seinen eigenen Führungsanspruch begründen können. Die eigene programmatische Schwäche, die Alternative zum politischen Gegner nicht klar darzulegen und die Entscheidung, auf eine inhaltliche Diversifizierung zu verzichten, führen zum Verlust von Kompetenz. Die Schwächen der anderen sind nur Hilfsmittel. Angriff drückt Kampfeswillen und Siegesstimmung aus, kann gezielt ganz unterschiedliche Zielgruppen erreichen und politische Grundfragen ebenso wie bestimmte Meinungsfacetten ansprechen. Wer aber Schwächen der Mitbewerber zum Hauptargument macht, begibt sich auf dünnes Eis.

Folge 2: Ohne Emotionen geht es nicht

Folge 3: Von Massenmedien zu Medienmassen

Folge 4: Alleskönner Wahlplakat

Folge 5: Bürgergespräch und Exkurs in Kommunale