"Schäfer-Gümbel hat es geschafft, die Partei zu einen"

p&k: Auf den Plakaten der CDU ist zu lesen: „96% fühlen sich wohl in Hessen“. Führt die CDU einen reinen Wohlfühl-Wahlkampf?
Thomas Holl: Das ist die Absicht. Eine mögliche Wechselstimmung, die nach 14 Jahren CDU-Regierungen latent vorhanden ist, soll im Keim erstickt werden. Hiergegen stellt die CDU die Leistungen der Regierung, vor allem die guten Wirtschaftsdaten, in den Vordergrund. Die Frage ist, ob diese Strategie trägt. Es gibt in Hessen keine gravierenden Verwerfungen, aber der „Weiter-so-Wahlkampf“, wie ihn die CDU bisher führt, ist etwas dürftig.

Die Plakatkampagne der CDU betont den konsensorientierten Politikstil von Ministerpräsident Volker Bouffier. Halten Sie sie für gelungen?
Die Kampagne hat auf jeden Fall einen ähnlichen Zungenschlag wie die der Bundes-CDU: Wenig kontrovers, nicht polarisierend und gleichzeitig den guten Zustand des Landes betonend. Wie Merkel wirkt auch Bouffier eher präsidial.

Die Popularitätswerte von Bouffier sind vergleichsweise bescheiden. Woran liegt das?
Gerade in den Großstädten kommt er etwas bieder rüber. In urbanen Milieus, in denen die Grünen sehr stark sind, hat er eine sehr altväterliche Anmutung. Bouffier steht nicht für Frische, Modernität und Aufbruch. Er verkörpert einen Politiker alten Schlages, der eher traditionelle Wählerschichten anspricht.

Wie sehen Sie die Entwicklung des SPD-Spitzenkandidaten Thorsten Schäfer-Gümbel? Früher wurde er ja oft belächelt…
Dabei ging es um Äußerlichkeiten wie seine Brille oder seinen Doppelnamen. Der Spott hat ihn getroffen. Trotz dieser persönlichen Verletzungen hat Schäfer-Gümbel seine Aufgaben sehr gut gelöst: Er hat es geschafft, die Partei zu einen. Die Flügelkämpfe in der hessischen SPD, die unter Andrea Ypsilanti aufbrachen, gibt es heute nicht mehr.

Kann „TSG“ auch die Wähler von sich überzeugen?
Er ist sicherlich nach wie vor kein Charismatiker. Allerdings hat er in den vergangenen vier Jahren an Statur gewonnen. Hinzu kommt: Im Gegensatz zu Ypsilanti ist er nicht beratungsresistent.

Die SPD setzt auf einen Haustürwahlkampf in Vierteln mit einkommensschwachen Bewohnern. Verfängt die Strategie?
Vielleicht. Die Strategie der SPD lautet, ihren Markenkern soziale Gerechtigkeit zu betonen. Deshalb ist es folgerichtig, das Augenmerk auf verlorengegangene Stammwähler zu richten. Vorbilder sind hier die erfolgreichen OB-Wahlkämpfe von Peter Feldmann in Frankfurt am Main und Sven Gerich in Wiesbaden.

Welche Rolle spielt die Bundestagswahl, die ja am gleichen Tag stattfindet, für den hessischen Landtagswahlkampf?
Eine große. Eine spannende Frage wird sein, ob es der Hessen-SPD gelingt, dem Bundestrend zu trotzen. Das Beispiel von Matthias Platzeck, der das 2009 geschafft hat, könnte ihr Mut machen. Die hessische CDU wird sicherlich von den guten Werten der Bundespartei  profitieren. Eine Schlüsselrolle kommt der FDP zu, die in Umfragen nur knapp über fünf Prozent liegt. Der Spitzenkandidat Jörg-Uwe Hahn hofft auf einen ähnlichen Effekt wie in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.


 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Die Wahl ist noch nicht gelaufen. Das Heft können Sie hier bestellen.