Rhetorikcheck: Johanna Wanka

Wer Bundestagsreden kennt, der weiß, wie häufig die Abgeordneten das frei gesprochene Wort scheuen. Dabei gibt es keinen wichtigeren Ort für die freie Rede als den Bundestag. Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) beherrscht den freien Vortrag und geht souverän und ohne Manuskript an das Rednerpult.

“Es war schon recht interessant bei den Redebeiträgen der Opposition, dass auf das Wesentliche, auf die vielen Milliarden – was daraus wird – nicht eingegangen wurde. Und ich will es nochmal rekapitulieren. Im Dezember der Koalitionsvertrag: eindeutig die Priorität auf Bildung und Forschung. Das heißt: Alles, was zum Beispiel für den Hochschulpakt II notwendig ist, über sechs Milliarden, stand schon im Plan. Das heißt: Der Pakt für Forschung und Innovation stand im Plan. Das heißt: Alles, was wir brauchen für die Exzellenzinitiative in dieser Legislatur war schon im Plan!” Johanna Wanka redet scheinbar pausenlos, faktenreich und in hohem Tempo. Wie schafft sie das, ohne durcheinander zu kommen? Die Antwort: durch Redefiguren.

Wanka greift auf Redefiguren zurück

Redefiguren helfen im freien Vortrag, den Inhalt besser zu strukturieren. Sie dienen der Wiederholung und steigern die Wirkung. Die Ministerin kann beim Rekapitulieren den Inhalt ad hoc in wirkungsstarke Wortpakete für die Zuhörer packen. Das Gegenteil würde passieren, wenn man sich bei der Rückbesinnung verlieren und in Erinnerungen schwelgen würde.

Die erste Redefigur ist die Anapher. Sie entsteht durch die Wiederholung des gleichen Satzanfangs (“das heißt”) und erhöht die Spannung auf das jeweils Neue. Dreimal nacheinander hören wir das gleiche Satzende: “im Plan”. Diese zweite Redefigur, genannt Epipher, dient der Wirkungssteigerung, da sie nachdrücklich jenen Inhalt wiederholt, der sich bei den Zuhörern didaktisch festsetzen soll.

“Was haben wir denn jetzt erreicht mit diesen neun Milliarden? Im Dezember waren es 1,5 Milliarden für Forschung, jetzt haben wir drei Milliarden für Forschung: drei Milliarden! Und Herr Klaus (Die Linke, Anm. der Redaktion), Sie sagen Bilanz? Das ist eine der herausragenden Bilanzen, dass wir eine Spitzennation geworden sind im Bereich Forschung und Entwicklung. Und wenn wir über Wohlstand reden, dann hat das da seine Wurzeln. Und das ist jetzt gesichert.”

Klare Ansichten, klare Überzeugungen, klare Worte. Die Bildungsministerin hat keinen Redetext dabei. In der freien Rede folgt die Wortfindung der inhaltlichen Überlegung. Die beste Gelegenheit für die Redeplanung beim Reden selbst sind Pausen.

Helmut Schmidt’sche Pausen macht die Bildungsministerin nicht. Sie ist ungeduldig. Und so ist es nur eine Frage der Zeit, dass bei dem hohen Sprech- und Denktempo irgendwann ein Kurzschluss entsteht: “Herr Klaus? Sie sagen so schön DDR. Da haben wir nun eine gemeinsame …”, sagt Wanka und hält inne. “Vergangenheit” will sie offenbar nicht sagen. “Also jedenfalls”, setzt sie neu an und führt ihre Arme beschwörend nach oben, “haben wir da mal gewohnt zusammen”. Amüsiertes Gelächter und Zwischenbemerkungen der Abgeordneten sind die Quittung.

Der Rettungsversuch folgt sympathisch mitlachend auf dem Fuße: “Aber … in diesem Land … jedenfalls Eines ist klar: In der ehemaligen DDR war es nicht so wie jetzt, dass wir eine Situation haben, wo viele junge Leute studieren können. Nein, das war ganz stark beschränkt: zehn Prozent, zwölf Prozent. Die durften studieren.”

Fazit: Die Stärken der Bildungsministerin sind ihre Wortgewandtheit und ihre Fähigkeit, die Kritik der Opposition dialogisch zu widerlegen. Statt eine steife Rede mit vorgefertigten Argumenten abzulesen, redet Johanna Wanka frei mit vielen Gesten, klaren Worten und sicherer Betonung. Einziges Manko: Tempo und Pausen fordern Konzentration und bilden eine Ursache für sympathische Formulierungsfehler. Applaus!

 

Mimik, Gestik, Körpersprache:

Lebendiger Ausdruck:

Redeaufbau: