Haben Politiker zu viel Macht in Rundfunkräten?

Pro und Kontra

Pro
von Kurt Beck

Die Politik hat Verantwortung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Sie daraus zu entlassen, wäre ein Fehler. Ihre notwendige (Selbst-)beschränkung dient aber der Meinungsvielfalt in Deutschland ebenso wie die aufrechte Standhaftigkeit von Redakteuren und Intendanten gegen unangemessene politische Bevormundung. Die Politik gehört in die Aufsichtsgremien der Öffentlich-Rechtlichen. Sie trägt Verantwortung für das Gelingen der Demokratie, für den Ausgleich unterschiedlicher Interessen. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk seinerseits ist es eine Verpflichtung, insgesamt ausgewogen zu berichten, Ereignisse nicht einseitig zu betrachten, alle gesellschaftlichen Schichten und Altersgruppen zu erreichen. Es ist daher wichtig, daß die Politik, also die von ihr unmittelbar beeinflussten Mitglieder, Entscheidungen nicht alleine dominieren kann. Das zügelt auch die gelegentliche Neigung, eigene Interessen zu sehr in den Vordergrund zu schieben.
Der sogenannte Fall Brender, bei dem von Seiten der CDU/CSU der Versuch gemacht wurde, einen nicht immer einfachen, aber zweifelsfrei herausragenden Journalisten abzuschießen, war Anlass zu überprüfen, ob der Einfluss der Politik in den Gremien nicht zu groß ist. Wenn über die Hälfte der Gremienmitglieder unmittelbar von der Politik abhängig sind, ist das zuviel! Malu Dreyer und Winfried Kretschmann haben mit dem neuen Staatsvertrag über den Südwestrundfunk gezeigt, dass Selbstbeschränkung möglich ist. Einen solchen Weg waren die unionsgeführten Länder nicht bereit zu gehen.
Deshalb haben die rheinland-pfälzische und die hamburgische Landesregierung exemplarisch den ZDF-Staatsvertrag in Karlsruhe beklagt. Mir geht es dabei darum, einen unabhängigen Journalismus in Konfliktsituationen zu stärken und die gesellschaftlichen Strömungen angemessener als heute in den Gremien zu gestalten. Dazu gehören Politikerinnen und Politiker in unterschiedlichen Funktionen. Sie sollten jedoch nicht mehr als ein Drittel der Mitglieder eines Gremiums ausmachen.

 

Kontra
von Thomas Jarzombek

Kurt Beck beklagt sich selbst.“ So titelte die FAZ vor drei Jahren. Spötter könnten einwerfen, nicht einmal bei der Klage gegen die Strukturen im ZDF gebe es Staatsferne. Doch sind der Eindruck und die Empörung vielleicht nur inszeniert? Von einem Landespolitiker, der sich zum Ende seiner Karriere als liberaler Freigeist inszenieren möchte?
Fakt ist, dass die Staatsferne in vielen Gremien unzweifelhaft ist. In der größten Anstalt der ARD, dem Westdeutschen Rundfunk, finden sich in einem Rundfunkrat von 48 Mitgliedern gerade acht Abgeordnete und kein Regierungsmitglied. Dafür aber Vertreter gesellschaftlicher Gruppen, von Wohlfahrtsverbänden über Gewerkschaften bis zu den Kirchen, die über die Entsendung ihrer Vertreter autonom entscheiden.
Daher gilt es erst einmal fein zu trennen: Die Causa Unabhängigkeit scheint tatsächlich eher eine Causa ZDF zu sein. Und zwar besonders des Verwaltungsrates. Denn sechs von 14 Vertretern dort sind Politiker. Um genau zu sein: Fünf Ministerpräsidenten und der Kulturstaatsminister. Über all dem thront der übermächtige Verwaltungsratsvorsitzende Kurt Beck – im mittlerweile 15. Jahr. Glaubwürdig wäre Beck gewesen, wenn er den Vorsitz aufgegeben hätte zugunsten eines Kandidaten außerhalb der Politik. Glaubwürdig wäre es auch gewesen, wenn er bei seinen Reformvorschlägen auch die eigene Position in Frage gestellt hätte. Glaubwürdig wäre er gewesen, wenn er sich der grünen Normenkontrollklage angeschlossen hätte, die sehr grundsätzliche Veränderungen herbeiführen will.
So ist auch diese Diskussion nicht mehr als eine Selbstinszenierung des Ministerpräsidenten a.D. – Chance verpasst. Dass gerade noch Olaf Scholz neu berufen wurde, mag als letzter Beleg für diese Klamotte gelten. Besser wäre: 1. Regierungsmitglieder aus den ZDF-Gremien raus, 2. Abgeordnete mit höherer Unabhängigkeit für die Politik rein, 3. Vertreter gesellschaftlicher Gruppen auch von diesen eigenständig statt durch die Landesregierung bestellen zu lassen.
Wie wär‘s damit, Herr Beck?

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Hallo Kollegen. Das Heft können Sie hier bestellen.