Elternzeit für Bundestagsabgeordnete?

Pro und Kontra

Pro
von Sabine Bätzing-Lichtenthäler

Ich bin Mutter zweier Kinder und Bundestagsabgeordnete. Letzteres bedeutet, dass auf meinem Facebook-Account zu jeder Tages- und Nachtzeit Nachrichten, Bitten um Hilfe und Beschwerden eingehen. Es ist mir ein Anliegen, diese möglichst schnell zu beantworten. Schließlich bin ich gewählt, um die Wähler meines Wahlkreises zu vertreten. Es gab zwei Phasen in meinen zwölf Jahren im Bundestag, in denen ich das nicht konnte. In diesen Zeiten wollte ich nicht über die Umsatzsteuer für Hotelübernachtungen diskutieren, sondern mittags zu Hause sein und mein Kind füttern. Ich wollte nicht Krankenkassen wegen Mutter-Kind-Kuren anschreiben, sondern Windeln wechseln. Ging das? Klar ging das. Ich habe es gemacht. Ich musste mir keine finanziellen Sorgen machen; als Abgeordnete bekomme ich mein Geld unabhängig von meiner Anwesenheit. Ich muss teilweise Strafe zahlen, wenn ich nicht in Berlin bin, aber die Abgeordnetenversorgung ist mehr als ausreichend. Dann hat das Ganze doch auch ohne Elternzeit gut funktioniert, oder? Jein!
Denn eine offizielle Elternzeit wäre ein Zeichen, dass Kinder auch bei Abgeordneten gewollt sind. Ein Zeichen, dass der Job Bundestagsabgeordneter doch familienkompatibel ist. Dann kann kein Wähler mir den Vorwurf machen, ich hätte ihn betrogen. Er habe mich gewählt und dann sei ich wegen des Kindes ausgefallen. Das gleiche Zeichen gilt aber auch nach innen. Eine offizielle Elternzeit würde zeigen, dass man nicht weg vom Fenster ist, weil man ein paar Monate pausiert. Und das ist nicht unwichtig, denn eine Mutterschaft – oder bei Männern eine Vaterschaft – wird immer noch als Zeichen gewertet, dass die- oder derjenige ihre politischen Pflichten nicht mehr erfüllen kann. Das haben auch Männer erkannt, die sich Zeit für ihre Kinder nehmen und ein paar Monate raus sein wollen, ohne dass das gleich das Ende aller Karrierepläne bedeutet. Eine offizielle Elternzeit würde das erleichtern. Man könnte Regelungen treffen, ob und inwieweit die Diät während der Elternzeit gekürzt wird, oder wie es mit Strafen für versäumte Abstimmungen aussieht. Eine solche Formalisierung würde die Entscheidung für ein Kind einfacher machen. Und es kann Bundestagsabgeordneten nur gut tun, Kinder zu haben. Das erdet.

Kontra
von Dorothee Bär

Mit der Elternzeit haben wir ein enorm wichtiges familienpolitisches Instrument geschaffen, das es Eltern ermöglicht, Beruf und Familie zu vereinbaren und sich für eine bestimmte Zeit voll und ganz auf das Kind zu konzentrieren, ohne Angst haben zu müssen, den Wiedereinstieg in den Job nicht zu schaffen. Für Abgeordnete des Deutschen Bundestages gilt die Elternzeit nicht, ebenso wenig wie für die Abgeordneten der meisten Landesparlamente. Trotz meines Lobes für die Elternzeit an sich finde ich das richtig so. Ein Mandat kann man nicht ohne Weiteres gleichsetzen mit dem Job eines Lehrers, einer Managerin oder eines Krankenpflegers. Ein Mandat wird vom Volk als Souverän durch eine Wahl vergeben, womit ein großer Vertrauensvorschuss und -beweis verbunden ist. So hart es klingt: Wenn jemand Bär wählt, dann soll er auch Bär bekommen, und ich habe nicht wenig Bauchschmerzen dabei, wenn die Ausübung dieses Mandats aus letztendlich persönlichen Gründen über längere Zeit nicht stattfinden kann.
Die Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Vertreterin bei wichtigen Debatten anwesend ist, sich in die Parlamentsarbeit einbringt und an wichtigen Abstimmungen teilnimmt. Damit rechnen zu müssen, dass „mein“ Vertreter für längere Zeit ausfällt, halte ich für ein nicht unwesentliches Problem, da eine demokratisch einwandfreie Vertretungsregelung sicher schwer zu finden wäre. Dazu kommt, dass ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete bisweilen die Möglichkeit hat, die Familie bei der Terminplanung zu berücksichtigen, indem man beispielsweise die Kinder zu entsprechend geeigneten Terminen mitnimmt oder zwischen zwei örtlich nahegelegenen Wahlkreisterminen für kurze Zeit nach Hause kommt. Das kommt nicht unbedingt häufig vor, aber andere Bürger haben diese Möglichkeit meist gar nicht. Aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, dass es nicht schön ist, seine Kinder nicht häufig genug zu sehen, wenn man beispielsweise in Berlin ist. Man muss sich aber auch darüber im Klaren sein, dass ein Mandat anders einzuschätzen ist als die Berufe und Jobs, denen die meisten Menschen in unserem Land, die von der Elternzeit profitieren sollen, nachgehen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Frauen und Macht. Das Heft können Sie hier bestellen.