Direktwahl der Ministerpräsidenten?

Pro und Kontra

Pro
von Hans Herbert von Arnim

Die Direktwahl des Ministerpräsidenten würde ihm hohe demokratische Legitimation verschaffen. Mit Ministerpräsidenten wie Horst Seehofer oder Volker Bouffier, die noch nie an der Spitze einer Wahlliste eine Landtagswahl gewonnen haben und ihr Amt allein der Partei verdanken, wäre es vorbei.  
Direkt gewählte Ministerpräsidenten sind unabhängiger von ihrer Partei und lassen sich nicht mehr so leicht zu rein parteipolitischen Blockaden im Bundesrat veranlassen, wie das jetzt häufig vorkommt.
Da die Mehrheitsfraktionen dann nicht mehr ihre Hauptaufgabe in der Stützung „ihrer“ Regierung sehen, ist das ganze Parlament frei, den direkt Gewählten und seine Regierung wirklich zu kontrollieren. Bisher ist nur die Opposition dazu wirklich bereit, kann im Parlament aber jederzeit überstimmt werden. Auch bei der Gesetzgebung wird das Parlament zu einer selbstbewussten eigenen Potenz. Damit wird echte Gewaltenteilung hergestellt. Der Landtag wird – entgegen dem ersten Anschein – also keineswegs geschwächt, sondern erheblich gestärkt. Selbstverständlich können Regierungsmitglieder dann nicht mehr dem Parlament angehören und auch noch Abgeordnetendiäten mitnehmen – ein Faktum, das nicht gerade dazu beiträgt, führende Landespolitiker für die Direktwahl zu begeistern.
Die wichtigste Funktion der Bundesländer ist die Verwaltung. Selbst Bundesgesetze werden von den Ländern und Gemeinden ausgeführt. Liegt es dann nicht nahe, die Spitze der Exekutive – genau wie in den Städten – direkt vom Volk wählen zu lassen? Haben wir mit der Direktwahl der Oberbürgermeister, etwa in München, nicht gute Erfahrungen gemacht?
Auch wenn der Ministerpräsident einer anderen Partei angehört als die Landtagsmehrheit, droht keine Blockade. Das zeigt die Erfahrung in den Großstädten. Ein kluger Ministerpräsident wird ohnehin die Fraktionen in seiner Regierungsmannschaft angemessen berücksichtigen und so die Kooperationsbereitschaft erhöhen.  

Kontra
von Georg Schmid

Die Sehnsucht nach einem charismatischen Herrscher mag in einer Mediendemokratie verlockend sein –  am Gemeinwohl orientierte Entscheidungen befördert sie nicht. Mit der Direktwahl des Ministerpräsidenten würde nicht die Demokratie gestärkt, sondern ein künstlicher Gegensatz zwischen Parlament und Regierung entstehen.
Die letzten Haushaltsverhandlungen in den USA zwischen Präsident Obama und dem amerikanischen Kongress sind ein mahnendes Beispiel für politischen Stillstand und institutionelle Selbstblockade in einer präsidentiellen Demokratie. Und würde die Direktwahl eines Regierungschefs zwangsläufig zu mehr Akzeptanz führen? Umfragen der vergangenen zwei Jahrzehnte belegen, dass die meisten Länderregierungschefs – im übrigen über  Parteigrenzen hinweg – deutlich höhere Zustimmungswerte genießen als der jeweilige US-Präsident. So sind nahezu zwei Drittel aller Bayern mit der Arbeit von Ministerpräsident Horst Seehofer zufrieden bis sehr zufrieden – Werte, von denen Barack Obama nur träumen kann.
Die CSU bräuchte eine Direktwahl nicht zu fürchten, sinnvoll ist sie gleichwohl nicht. Stattdessen würden Vorteile der parlamentarischen Demokratie beseitigt werden. Regierungskontrolle besteht nicht in erster Linie im Widerspruchsgeist, sondern in der Gestaltungskraft des Parlaments. Die Volksvertretung würde durch den Entzug ihrer Wahlfunktion einer entscheidenden Kraftquelle beraubt. Gleichzeitig würde sie Legitimationskraft gegenüber der Regierung verlieren. Und dies zum Schaden der Bürger: Parlamente und gerade auch Regierungsfraktionen sind keine Claqueure. Vielmehr bringen sie unendlich viele Anliegen aus ihren Stimmkreisen ein, verbessern Regierungsvorlagen und diskutieren die Regierungspolitik täglich mit den Bürgern. Der direkt gewählte Regent wäre einer wirksamen Kontrolle durch das Parlament enthoben. Eine strikte Trennung zwischen Parlament und Regierung würde diese tägliche Zusammenarbeit im Großen wie im Kleinen auf einem Schlag beenden. Mehr Bürgerbeteiligung sieht anders aus.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Alles Fake – Wenn Bürgerdialog nur PR ist. Das Heft können Sie hier bestellen.