Politische Kommunikation in Gefahr

Zeitungssterben, Redaktionszusammenlegungen, Entlassungen – im deutschen Blätterwald herrscht heftiges Rauschen. Die Pressekrise hat auch auf die Kommunikationsbranche gravierende Auswirkungen. Denn diese Dienstleister profitieren von einer breiten Berichterstattung über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sowie von sauber und tiefgründig recherchierten Artikeln. Zwar ist die Presse-Berichterstattung nicht die einzige Grundlage, aus der heraus eine politische Kommunikationsleistung entsteht – diese basiert eher auf Informationen, die eben nicht in Zeitungen und Magazinen auftauchen. Doch bestimmt die Dynamik einer frei und ohne wirtschaftlichen Druck arbeitenden Presse doch auch die Möglichkeiten und Grenzen einer kommunikativen Strategie. Denn die Durchschlagskraft einer in den einschlägigen Kanälen gespielten Kommunikationsmaßnahme hängt davon ab, wie schwer ihr Gewicht in der politischen Waagschale liegt. Die demokratische Masse eines politischen Prozesses ist durch ihren Stellenwert in der medialen Berichterstattung abhängig. Daher wird die politische Beratung immer auch von der Frage bewegt, welchen Stellenwert ihr jeweiliges Thema in der Tagespresse hat.
Wie aber steht es um die Zeitungen in Deutschland? Die Vielfalt der Berichterstattung ist durch den immer schärferen Kostendruck, der auf den Redaktionen lastet, existenziell bedroht. Die Entwicklung hin zu immer schlankeren Redaktionen ist nicht erst mit der gegenwärtigen Krise eingetreten. Die als Nachbeben der Anschläge vom 11. September 2001 ausgebrochene erste Jahrtausendrezession hat die Druckmedien in den letzten Jahren bereits arg gebeutelt. Sinkende Anzeigenaufträge bei gleichzeitigen Auflagenverlusten veranlassten seinerzeit viele Verlagshäuser zu kräftigen Einschnitten in den Redaktionen. Denn wo sollte sonst gespart werden? Wenn die Stellenanzeigen sanken und der Arbeitsmarkt erlahmte, war das „Cost Cutting“ in der Wirtschaftsredaktion das erste Rezept aus dem Standardkochbuch der Verlagsmanager. Und rückläufige Buchungen in der klassischen Werbung mussten natürlich weitere Entlassungen in den übrigen Ressorts nach sich ziehen. So einfach war das. Und so einfach ist das offenbar auch noch heute. „Deficit Spending“ in Zeiten abflauender Anzeigen- und Vertriebserlöse steht in fast allen Chefetagen der Medienbranche nicht im Handlungskatalog. Mit einer fatalen Konsequenz: das Zusammenstutzen der Redaktionen bringt zwangsläufig einen Qualitätsverlust mit sich, der proportional zum abgebauten Redaktionsstamm steht. Daher werden Nachrichten einfach ärmer. Und vor allem weniger tiefgründig. Also immer platter. Platte Nachrichten aber schaden – auf das Ganze gesehen – dem Land, denn solide recherchierte Nachrichten sind schließlich auch eine Frage der Demokratie.
Durch die um sich greifende Nachrichtenarmut verlieren auch die Unternehmen der politischen Kommunikation ausgerechnet im Wahljahr 2009 wichtige Quellen ihrer Information und Inspiration. Die Zusammenlegung der Wirtschaftsredaktionen eines großen Hamburger Verlagshauses oder die Krise eines regionalen Zeitungskolosses in Westdeutschland werden journalistische Quellen der Politikberatung zum Versiegen bringen. Mangels einer starken Presse, die ihre Einflussmöglichkeit immer auf die Exzellenz ihrer Redaktionen stützt, wird auch der Druck auf die Politik abnehmen. Mangelnder medialer Druck aber macht die Politik (noch) beratungsresistenter. Es ist also nicht nur die um sich greifende Rezession, die der Beratungsbranche das Leben schwerer machen wird. Das Rüstzeug der politischen Kommunikationsberatung – eine stabile Presse – wird durch die Pressekrise verkleinert werden.  
Was tun? Vielleicht hilft es, den Blick von der Zeitungskrise auf die Bankenkrise zu lenken. Anfang Januar hat EU-Kommissar Günter Verheugen eine zögerliche Kreditvergabe der Banken konstatiert und ein neues Denken angemahnt. Es dürfe nicht nur um die Maximierung von Renditen gehen. Die Banken hätten auch eine gesellschaftliche Verantwortung und müssten die Kreditversorgung der Volkswirtschaft sicherstellen.
Und welche übergreifende Aufgabe haben nun die Zeitungsverlage? Über das Erfordernis profitabler Anzeigengeschäfte hinaus ganz wesentlich die Gewährleistung der Rahmenbedingungen der Informationsvielfalt. Sicher: Hoher Kostendruck und die sinkende Erlöse machen Budgetschnitte in Verlagsunternehmen unvermeidlich. Diese dürfen jedoch nicht zu Lasten der Qualität gehen. Denn Redaktionen zusammenzustutzen und in „Newsrooms“ zusammenzupferchen, ja gar Redaktionspools zu bilden, aus denen ganz unterschiedliche Publikationen gespeist werden, ist keine Maßnahme des Qualitätsmanagements. Die Verlage sollten stattdessen darüber nachdenken, die Redakteure als die Garanten der Zeitungsqualität angemessen zu beteiligen: am besten als Gesellschafter. Ein großes norddeutsches Verlagshaus macht seit Jahren vor, dass eine Grundlage des wirtschaftlichen Erfolgs die angemessene Mitarbeiterbeteiligung ist. Diese hat in Krisenzeiten konsequenterweise die Schattenseite einer negativen Beteiligung der Redaktion, sprich: In schlechten Jahren müssen Redaktionsgesellschafter den Gürtel enger schnallen. Aber sie bleiben Teil des Verlagsunternehmens.
Und um auf die Kommunikationsbranche zurückzukommen: Richtiges Krisenmanagement in den Verlagen erhält die Grundlagen des deutschen Qualitätsjournalismus. Dieser arbeitet auch im Sinne einer hochwertigen politischen Kommunikationsberatung.
Im Gegenzug leistet politische Kommunikationsarbeit einen fundamentalen Beitrag für das Wohlergehen der Verlage: Denn der Transport von Unternehmens- oder Verbandsbotschaften in die politischen Kanäle hält die Politik auf dem Laufenden und vor allem auf Trab. Somit leistet die Kommunikationsarbeit einen ebenso bedeutsamen gesamtgesellschaftlichen Beitrag wie die Verlage ihn leisten – vorausgesetzt, dass die Redaktionen mit voller Kraft arbeiten können.

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