Noch lange nicht ausgedient

Keine Frage: Alles ändert sich – auch die Ministerialverwaltung. Die Aufgaben, die Arbeitsbedingungen, die Anforderungen an die Mitarbeiter, das Verhältnis der Vorgesetzten zu ihren Mitarbeitern und schließlich auch die Art und Weise, wie ein Ministerium geführt wird. Aber schildert der Beitrag „Ausgedient“ wirklich die heutige Situation? Wedelt tatsächlich der Schwanz mit dem Hund, sprich: die Arbeitsebene mit der Leitung? Spielt bei Beförderungen die fachliche Qualifikation nahezu keine Rolle mehr? Ist die Karriere tatsächlich mit 42 Jahren beendet, wenn der Minister sich nicht auf die politische Gesinnung verlassen kann? Werden die Ministerien in der Tat von Küchenkabinetten geführt? Und schließlich: Kann ein loyaler, parteipolitisch neutraler Beamter heute keine Karriere mehr machen? Die Fragen werden zum Teil schon im Beitrag selbst verneint.
Ich will die Antworten im Folgenden um einige Aspekte ergänzen. Zunächst: Ein Minister und seine leitenden Mitarbeiter wollen in der Regel, dass ihr Ministerium effektiv und effizient funktioniert. Dies können sie nur mit qualifizierten und motivierten Mitarbeitern erreichen. Dazu müssen sie den Beschäftigten im Rahmen der bürokratischen Organisation Freiheiten einräumen. Wie groß die Spielräume sein müssen und in welchem Umfang Kontrolle stattfinden muss, kann nicht allgemeingültig beantwortet werden. Das hängt von der Aufgabe und den Beschäftigten ab. Hier das richtige Verhältnis von Freiheit und Bindung zu finden, zeichnet einen guten Vorgesetzten aus. Die oben beschriebenen Verhaltensweisen würden jedenfalls selbst den willigsten Mitarbeiter demotivieren. Natürlich gibt es Minister, die meinen, ein Ministerium mit einem Küchenkabinett leiten zu können. In der Regel geht das nicht lange gut. Die Mitarbeiter werden nicht mehr von sich aus initiativ, das Klima verschlechtert sich, und bis zu den ersten negativen Presseveröffentlichungen ist es nicht mehr weit. Natürlich gibt es parteipolitische Ämterpatronage. Aber sie ist bei weitem nicht so verbreitet wie mit zum Teil abenteuerlichen Begründungen behauptet. So schreibt etwa der Berliner Universitätsprofessor Michael Kloepfer allen Ernstes, ohne die Möglichkeit einer parteipolitischen Ämterpatronage „würden die politischen Parteien wahrscheinlich – jedenfalls langfristig – den größten Teil ihrer Mitglieder verlieren.“ Abgesehen davon gibt es noch Personalräte und Verwaltungsgerichte. Deshalb kann man immer wieder von zum Teil spektakulären Gerichtsentscheidungen lesen, in denen Beförderungen aufgehoben werden, weil nicht entsprechend der Qualifikation entschieden wurde. Natürlich gibt es auch Beamte, deren Karriere mit 42 beendet ist, weil sie mangels Qualifikation nicht zum Ministerialrat befördert werden können. Aber unabhängig von der Parteizugehörigkeit hat jeder Mitarbeiter die Chance, zum Ministerialrat mit der Besoldungsgruppe A-16 und eventuell auch B-3 im Alter von über 50 befördert zu werden. In einem gut geführten Ministerium wird die Karriereplanung im Übrigen so angelegt sein, dass ein Beamter das Endamt nicht zu früh erreicht.
Aufgrund ihrer hervorragenden Fachkenntnisse haben die Mitarbeiter natürlich Einfluss auf die Leitung des Hauses. Aber niemand wird nach einem Regierungswechsel Vorschläge machen, die dem erklärten politischen Willen der neuen Leitung widersprechen. Er würde seinen Vorgesetzten ja geradezu eine Steilvorlage für eine negative Beurteilung liefern. Er kann rechtliche Bedenken geltend machen. Aber die neue politische Linie wird er nicht ignorieren.
Schließlich: Dem öffentlichen Dienst der Bundesrepublik wird allgemein ein gutes Zeugnis ausgestellt. Er könnte noch besser werden. Aber dieser gute Ruf wäre längst verspielt, wenn Personalentscheidungen ohne Rücksicht auf Befähigung nur nach parteipolitischen Gesichtspunkten getroffen oder wenn die Ministerien nur von Küchenkabinetten ohne Rückkoppelung mit der Arbeitsebene geführt würden.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe SPD – Eine Partei baut sich um. Das Heft können Sie hier bestellen.