Mobiles Lobbying

Verbände vertreten Interessen – im Falle des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) die Interessen von 28 Millionen Menschen. Genau so viele Fahrgäste befördert der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) jeden Tag. Eine Leistung, die 430 Unternehmen des ÖPNV in ganz Deutschland ermöglichen. Doch sind Verkehrsbetriebe auf die Mittel der öffentlichen Hand angewiesen: Zwar investieren Bund und Länder Millionen in die Mobilität der Bürger, aber auch hier herrscht starker Spardruck. Der VDV kämpft dafür, die staatliche Förderung zu sichern – und setzt dabei auf eine Kampagne, die die Fahrgäste im doppelten Sinne mobilisiert.
 Der Verkehr und der Transport mit Bussen und Bahnen genießt nicht das glamouröse Image, das Autos in Deutschland über Jahre gewonnen haben – auch nicht bei der Politik. Der VDV hat darum 2005 die Agentur Fischer-Appelt beauftragt, gemeinsam mit dem Verband den öffentlichen Verkehr verstärkt auf die Agenda zu setzen – gerade auch bei Nicht-Verkehrspolitikern, die maßgeblichen Einfluss auf die Verteilung der knappen öffentlichen Mittel haben.
Die Anbindung des ländlichen Raums, Mobilität in Ballungsräumen, für Schüler, für Ältere oder Familien: Die Menschen vor Ort spüren die Auswirkungen der Verkehrspolitik jeden Tag. Die Kampagne setzt genau da an. Unter dem Motto „Damit Deutschland mobil bleibt. Die Initiative für Busse & Bahnen“ klärt sie auf, mobilisiert nach innen und wirkt nach außen. Werbung, PR, Internet, Events, direkte Kommunikation: Der VDV nutzt alle Kanäle und bündelt sie unter einem Dach, um die Leistung und den Nutzen des ÖPNV zu zeigen. Er bezieht die Mitgliedsunternehmen ein, nutzt ihre lokale Position und bettet sie in eine bundesweite Aktion ein. Jedes Jahr steht ein Thema im Fokus, das die Kampagne strukturiert – nah an den Nutzern und nah an der Agenda, auf die der ÖPNV gehört.

Bürger mit ins Boot geholt

Im Superwahljahr kämpft der VDV für das Votum der Politiker. „Ihre Stimme für Busse & Bahnen“ lautet die Schlagzeile. Mit Briefen an die Direktkandidaten, in denen der Verband erklärt, warum Politiker für die Sicherung der Mobilität stimmen sollen. Mit einem Videowettbewerb, in dem Bürger ihren „Wahlwerbespot“ für Busse und Bahnen drehen. Und mit dem „Zukunftsforum Mobilität“, der „Wahlveranstaltung“ zur Kampagne, in der Bürger quer durch Deutschland mit Politikern über die Bedeutung des ­ÖPNV diskutieren. Maßnahmen, mit denen der VDV zusammen mit Vertretern aus Wirtschaft und Gesellschaft für die Stimme der Politiker kämpft.
Der VDV stellt die Nutzer und den Nutzen des ÖPNV in den Mittelpunkt seiner politischen Kommunikation. 2007 rief er ein Aktionsbündnis ins Leben, das die Bedeutung des öffentlichen Verkehrs für die Wirtschaft und den Standort Deutschland betonte. Titel des Kampagnenschwerpunkts: „Wir bringen die Wirtschaft in Fahrt“. Die deutsche Wirtschaft wäre ohne Bus und Bahn undenkbar, findet der Verband. Unternehmen aus ganz Deutschland schlossen sich darum mit Vertretern des VDV zu einer bundesweiten Allianz zusammen. Im ehemaligen BDI-Vorsitzenden Hans-Olaf Henkel fand der VDV einen prominenten Schirmherrn, der den Schulterschluss mit der Wirtschaft symbolisiert.
Kernstück der Kampagne war eine Bustour quer durch Deutschland. Zwei Monate lang fuhr ein Bus durch die Republik, absolvierte 4400 Kilometer und machte in 41 Städten Halt. Ikea, BMW, Siemens, Dr. Oetker: 114 Unternehmen beteiligten sich an der Kampagne. Als Zeichen ihrer Unterstützung klebten die Partner ihre Firmenlogos und Stadtwappen auf den Bus, den Mitglieder des Deutschen Bundestags, Mitglieder der Landtage und Bürgermeister besuchten. Der direkte Kontakt zu lokalen Vertretern aus Politik und Wirtschaft ermöglichte einen gezielten Dialog mit den entscheidenden Akteuren. Um die Inhalte der Kampagne noch breiter zu streuen und gleichzeitig eine Anlaufstelle für die Öffentlichkeit zu etablieren, wurde ein begleitender Internetauftritt entwickelt. Lokal adaptierbare Werbe- und Printanzeigen flankierten die Aktion.
Der VDV brachte gemeinsam mit Fischer-Appelt seine Botschaft wortwörtlich auf die Straße – und erhielt dafür 2008 den Deutschen PR-Preis. Die Beispiele zeigen, wie ein großer Verband ein abstraktes Thema mit Leben füllt. Es kann durchaus als Trend verstanden werden, dass politische Kommunikation derart offen funktioniert. Wenn die Öffentlichkeit mit an Bord ist, kann ein Verband besser argumentieren, für wen er die Interessen realisiert.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Die Stunde der Lobbyisten – Deutschland nach der Wahl. Das Heft können Sie hier bestellen.