"Merkel ärgern, weil uns das Spaß macht"

[no-lexicon]Mittwochabend vor dem Kino Zoo Palast in Berlin-Charlottenburg: Wenige Meter von einem Europafest der CDU entfernt versammelt sich ein Grüppchen. Die Leute tragen graue Anzüge und rote Krawatten – Markenzeichen der Satirepartei Die PARTEI. Auf der CDU-Veranstaltung soll Angela Merkel auftreten. Ausgerechnet dort will Martin Sonneborn, Spitzenkandidat der PARTEI zur Europawahl, ein neues Wahlplakat präsentieren. Seit dem Wegfall der Drei-Prozent-Hürde hat seine Satirepartei reale Chancen auf einen Einzug ins Europaparlament.

Während im geschlossenen Bereich des Europafests viele Bierbänke leer bleiben, stehen vor der Absperrung mehrere Hundert Demonstranten und Schaulustige. Viele Polizisten sind vor Ort – kaum ein Durchkommen für Sonneborn und seine Unterstützer. Um 19 Uhr betreten Angela Merkel und das CDU-Führungsteam die Bühne. Die Junge Union errichtet mit Plakaten einen Wall zwischen Demonstranten und Bühne.

Die Anhänger der PARTEI stehen abseits, strecken ihre neuen Plakate in die Luft. Doch bevor die Kanzlerin das Podium betritt, bauen sich sechs Polizeibeamte vor den Aktivisiten auf und fordern sie auf, ihre PARTEI-Plakate zu senken. Wenig später werden die Plakate beschlagnahmt. Bei den Wahlsprüchen handele es sich um Beleidigungen, so der Vorwurf. Sonneborn diskutiert mit den Polizisten. Die nehmen seine Personalien auf. Wenig später endet das CDU-Fest mit der Nationalhymne. Sonneborn und seine Parteikollegen sind noch immer da, wollen ihre Plakate zurück. Zu diesem Zeitpunkt ist unklar, ob die Aktion rechtliche Folgen haben wird.

Vor der Auseinandersetzung zwischen PARTEI-Aktivisten und der Polizei sprach p&k mit Martin Sonneborn über den Europawahlkampf und darüber, wie er als Abgeordneter in Brüssel möglichst viele Spesen abgreifen will.

p&k: Herr Sonneborn, der Geschäftsführer von infratest dimap, Richard Hillmer, sagt Ihnen „mittelmäßige Chancen“ auf den Einzug ins Europäische Parlament voraus. Retten Sie die Welt demnächst von Brüssel aus?

Martin Sonneborn: Ich bedanke mich für diese Einschätzung. Wir rechnen uns selbst eine ordentliche Chance aus, mit 0,6 Prozent der Stimmen ins Europaparlament einzuziehen. Das ist in etwa der Schnitt, den wir bei Bundestagswahlen in den Ländern haben. Jetzt sind wir zum ersten Mal bundesweit auf den Wahlzetteln. Ich werde die Welt aber nicht von Brüssel aus retten, sondern von Brüssel und Straßburg aus. Schon alleine wegen der Sitzungsgelder, die man bekommt, wenn man sich in das Sitzungsbuch einträgt. Außerdem gibt es noch Kilometergeld, eine Pauschale von 50 Cent. Ich werde also sehr oft und sehr viel zwischen Berlin, Brüssel und Straßburg herumfahren. Und ich habe mir vorgenommen, auch ab und an Sachen zu vergessen, sodass ich zurückfahren muss, um dann noch mal den ganzen Weg zurückzulegen.

p&k: Werden Sie das Amt denn auch wirklich antreten, wenn Sie gewählt werden? Oder machen Sie den Röttgen und bleiben bei Ihrem bequemen Job im Öffentlich-Rechtlichen?

Nein. Erstens habe ich keinen bequemen Job bei den Öffentlich-Rechtlichen. Zumal ich in Wahlzeiten im ZDF gar nicht auftauchen darf. Und ich habe den Parteimitgliedern versprochen, dass ich nach einem Monat zurücktrete und dass wir quasi rotieren. Der PARTEI-Vertreter in Brüssel wird monatlich zurücktreten, aufgrund von Heimweh, psychischer Probleme oder zu wenig Kilometergeld. So schleusen wir insgesamt 60 Leute durchs Europaparlament. Ich habe bei Wikipedia gelesen, dass denen neben der monatlichen Vergütung hinterher noch sechs Monate Übergangsgelder zustehen. Wir werden die EU also melken wie kleine südeuropäische Staaten.

p&k: Bei der TV-Debatte hat Martin Schulz gesagt, sein Thema sei die Jugendarbeitslosigkeit. Jean-Claude Juncker hat gesagt, für ihn seien es solide Finanzen. Was ist das Thema, das Sie während der nächsten Legislatur umtreiben wird?

Wir werden versuchen, einen Hauch von Seriosität in das Europaparlament zu bringen. Was ich in der „FAZ“ lesen musste, zeigt kein gutes Bild. Bilder gibt es eh selten vom Europaparlament, weil zu viele Plätze meist unbesetzt bleiben. Abstimmungen werden im Minutentakt durchgepeitscht, ohne dass die Gesetze namentlich genannt werden. Da heißt es dann: „667, wer ist dafür? Wer ist dagegen?“ Ich glaube, dass wir versuchen werden, diesen Irrsinn ein wenig zu hemmen. Und natürlich sind wir gegen 667.

Sie haben den leeren Plenarsaal angesprochen. Eine zentrale Forderung der „PARTEI“ ist die sogenannte „Faulenquote“. Ist die in Europa denn überhaupt noch notwendig?

Ich glaube, in Nordeuropa schon. Südeuropa ist uns da eindeutig voraus. Wir können von den Südeuropäern noch einiges lernen. Ich denke, dass das Leben etwas entspannter geführt werden könnte und sollte.

Welche anderen Themen sind Ihrer Partei in diesem Wahlkampf wichtig?

Der Wahlkampf wird zunehmend mehr personalisiert. Wir ziehen mit und ärgern Merkel, einfach weil uns das Spaß macht. Unsere „Merkel ist doof!“-Plakate werden von der Berliner Staatsanwaltschaft seit dem Bundestagswahlkampf 2013 auf ihre Rechtmäßigkeit hin geprüft. Man unterzieht Merkel also offenbar gerade einem sehr langwierigen Intelligenztest. Und da wir nicht wissen, wie der ausgeht, haben wir nachgelegt und ein neues Machwerk produziert: „Merkel ist dick!“ Das hat bei CDU-Veranstaltungen in Frankfurt und Eisenach bei Merkel schon zu erheblicher Verärgerung geführt. Zwei Tage später hat die Kanzlerin über die Springer-Presse bekannt gegeben, dass sie angeblich zehn Kilo abgenommen hat. Unser Anwalt ist aber zufällig Adipositas-Spezialist und glaubt, anhand von Kleider-, Körbchen- und Körpergrößenangaben in der „Bunte“ nachweisen zu können, dass Merkel dick ist. Wir werden das notfalls vor Gericht auch beweisen.

Aber Frau Merkel steht doch gar nicht zur Wahl am 25.Mai.

Das stimmt, aber sie macht Wahlkampf. Und es gibt Merkel-Plakate auf den Straßen. Es gibt im Prinzip außer Merkel, Martin Schulz und dem Gegenkandidaten der CDU – dessen Namen ich vergessen habe, weil er so unbedeutend ist – keine Köpfe in diesem Wahlkampf.

Für wen würde ein Europaabgeordneter Martin Sonneborn bei der Wahl zum Kommissionspräsidenten stimmen?

Ich glaube, dass ich für mich selbst stimmen werde. Manchmal ist es die eigene Stimme, die den Ausschlag gibt. Das wissen wir seit Adenauer.

Am Donnerstagmorgen sieht Sonneborn ein mögliches juristisches Nachspiel der Aktion gelassen: “Mit einer Anzeige müssen wir nur rechnen, wenn Merkel Strafanzeige stellt – und das wird sie nicht tun, weil sie eine öffentliche Diskussion über ihren Intelligenzquotienten und BMI fürchtet.”