Mehr grünes Licht für die Ampel?

Landtagswahl Rheinland-Pfalz

Die Ausgangssituation zur Landtagswahl in Rheinland-Pfalz wird durch zwei gegensätzliche Entwicklungen bestimmt. Da ist auf der einen Seite eine populäre Ministerpräsidentin mit einer Partei an ihrer Seite, die auf Bundesebene seit Beginn der Corona-Pandemie in Umfragen zwischen 15 und 16 Prozent stagniert. Ihr gegenüber steht ein Herausforderer, der auf eine Partei setzen kann, die bundesweit seit März 2020 in der Gunst der Wähler weit oben steht, den aber selbst ein Drittel der Rheinland-Pfälzer kaum kennen.

Die seit 30 Jahren regierende SPD setzt entsprechend in ihrer personalisierten Wahlkampagne auf Regierungschefin Malu Dreyer, die weit über das Land hinaus bekannt ist. Der zentrale Wahlkampfslogan der Sozialdemokraten lautet entsprechend: “Wir mit ihr”. Auf Großplakaten erscheint nur das Konterfei Dreyers – ohne Namensnennung. Die Landes-SPD profitierte schon bei vorangegangenen Wahlen zum Landtag vom Amtsbonus des Ministerpräsidenten: vor Malu Dreyer war ihr Vorgänger Kurt Beck Garant für sozialdemokratische Wahlerfolge.

Wie wichtig die Popularität ihrer Regierungschefs für die SPD war und ist, zeigt ein Blick auf die Geschichte von Wahlen in Rheinland-Pfalz. Nur bei Landtagswahlen konnten sich die Sozialdemokraten nicht zuletzt wegen des Amtsbonus ihrer Ministerpräsidenten hier durchsetzen, bei Bundestagswahlen und bei Kommunalwahlen lagen im landesweiten Vergleich in Rheinland-Pfalz nahezu stets die Christdemokraten vorn. Daher gilt für die rheinland-pfälzische SPD im Jahr 2021: Auf Malu kommt es an. Sie genießt laut Daten von Infratest imap selbst unter CDU- und Grünen-Wählern ein hohes Ansehen. Würde der Ministerpräsident direkt gewählt, lag Dreyer zuletzt in Umfragen mehr als 30 Prozentpunkte vor ihrem Herausforderer.

Union ohne Koalitionspartner

Die CDU versucht zwar im Wahlkampf ihren Spitzenkandidaten, den Fraktionsvorsitzenden im Mainzer Landtag Christian Baldauf, mehr herauszustellen. Gleichzeitig will sie nach langer Regierungszeit der Sozialdemokraten aber auch auf den aus ihrer Sicht vorhandenen Innovationsstau hinweisen. Mit einer “Zukunftsagenda” will die Union den Wechsel anstreben unter dem zentralen Wahlkampfslogan “Wir machen das”. Die zentralen Themen der Union sind Bildung, Wirtschaft und Gesundheit.

Damit möchte sie mögliche Schwachstellen der Politik der Landesregierung aufdecken: Mit diesen Politikfeldern sind die Wähler im Land entweder weniger zufrieden oder erkennen sie als wahlentscheidend an angesichts der aktuellen Corona-Pandemie und ihren Folgewirkungen. Die Corona-Krise ist in den Augen der Wähler auch das mit Abstand wichtigste Wahlkampfthema. Bildung spielt ebenfalls keine unwichtige Rolle in diesem Kontext.

Eine große Wechselstimmung vermochten die Oppositionsparteien bislang jedoch nicht zu entfachen. Acht Wochen vor der Landtagswahl im März waren laut Infratest dimap 63 Prozent der Wähler sehr zufrieden oder zufrieden mit der Arbeit der Landesregierung. Sogar unter CDU-Anhängern überwog die Zufriedenheit (56 Prozent), was die CDU-Wahlkämpfer vor besondere Herausforderungen stellt. Neben dem vergleichsweise geringen Bekanntheitsgrad ihres Spitzenkandidaten sind die eingeschränkten Machtoptionen ein weiteres Problem für die CDU. Es fehlt ihr ein potenzieller Koalitionspartner, der sich eindeutig zur Union bekennt.

Auf die Grünen kommt es an

Zwar haben beide Koalitionspartner der SPD in der seit 2016 regierenden “Ampelkoalition”, die Grünen und die FDP, bislang keine Koalitionsaussage getroffen und halten sich aber alle (Macht-)Optionen offen. Jedoch verlief die Zusammenarbeit von SPD, FDP und Grünen in Mainz harmonischer, als einzelne Kritiker bei der Regierungsbildung gedacht hatten. Größere Auseinandersetzungen traten nicht öffentlich zutage, selbst zwischen FDP und Grünen nicht. Im Gegenteil, alle drei Parteien betonten zuletzt ihre Wertschätzung füreinander während der gemeinsamen Regierungszeit. Es spricht sowohl für die Grünen als auch für die FDP viel dafür, die bisherige Zusammenarbeit an der Seite der SPD fortzusetzen.

Darüber hinaus pflegte einerseits Malu Dreyer einen kooperativen Umgang mit beiden Koalitionspartnern. Andererseits zeigte die Basis der Grünen in Rheinland-Pfalz trotz einzelner Kooperationsformen auf lokaler Ebene bisher wenig Begeisterung für eine Koalition mit der CDU. Auf die Grünen dürfte es im Hinblick auf die zukünftige Koalitionsbildung aber ankommen, sollten sich die Umfragedaten bestätigen. Die im Land seit zehn Jahren mitregierende Partei profitiert auch in Rheinland-Pfalz vom Bundestrend und liegt derzeit in Umfragen bei deutlich mehr als 10 Prozent.

Die Partei könnte mit ihrer Spitzenkandidatin, der langjährigen Integrationsministerin und nun auch Umweltministerin Anne Spiegel, das “Zünglein an der Waage” werden. Selbst die Affäre im grünen Umweltministerium Ende vorigen Jahres um rechtswidrige Beförderungen konnte der Partei in Umfragen bislang wenig anhaben. Der Rücktritt der politisch dafür verantwortlichen Ministerin Ulrike Höfken kam möglicherweise gerade noch rechtzeitig.

Wissings Wechsel schwächt die FDP

Die FDP in Rheinland-Pfalz hat nicht zuletzt durch mehrere Koalitionsbildungen mit der SPD in jüngerer Vergangenheit eine sozial-liberale Tradition. Der seinerzeitige Spitzenkandidat Volker Wissing konnte mit der Regierungsbildung 2016 daran anknüpfen. Wissing gilt als wichtiger Protagonist der “Ampelkoalition”. Sein Rückzug aus dem Kabinett nach der Landtagswahl, um die Aufgabe als Generalsekretär der Bundespartei besser auszufüllen, wird allenthalben als Schwächung der Landes-FDP wahrgenommen. Die Liberalen nominierten die weitgehend unbekannte Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium Daniela Schmitt zu ihrer Spitzenkandidatin.

Da auch der Bundestrend für die Partei derzeit eher mäßig ist, spekulieren manche Beobachter, die FDP könne an der Fünfprozenthürde scheitern. Dagegen spricht jedoch die ökonomische Struktur des Landes, die von klein- und mittelständischen Unternehmen geprägt ist. Sie trug dazu bei, dass der Partei mit Ausnahme der absoluten Partei-Krisenjahre 1983 und 2011 der Sprung in den Mainzer Landtag immer gelang. Zudem könnten die Liberalen von der zunehmenden Unzufriedenheit gegenüber dem Krisenmanagement der Bundesregierung in der Corona-Pandemie profitieren.

AfD gibt sich moderat

Letzteres gilt ebenso für die AfD. In Rheinland-Pfalz versucht sich der Landesverband als eher moderat innerhalb des Spektrums der Gesamtpartei darzustellen. Mit dem Trierer Berufsschullehrer Michael Frisch hat sie einen Spitzenkandidaten aufgestellt, der diesem Image entsprechen möchte. Der dem extremen “Flügel” zugerechnete Joachim Paul kam infolge einzelner Skandale nicht zum Zuge, obwohl er lange als Spitzenkandidat höher gehandelt worden war als Frisch. Die Demoskopen trauen der AfD auf jeden Fall den Wiedereinzug in den Landtag zu.

Anderen Parteien, wie etwa den Freien Wählern oder der Linkspartei, werden kaum Chancen eingeräumt, in das Mainzer Parlament einzuziehen. Am ehesten könnte es noch die Linkspartei schaffen. Allerdings hat sie es in Rheinland-Pfalz bisher nicht vermocht, ein eigenes Profil aufzubauen. Die Freien Wähler profitierten zumeist von unzufriedenen Unionswählern nach längeren Regierungsphasen der Unionsparteien. Diese Voraussetzung fehlt in Rheinland-Pfalz.

Briefwahl erschwert Hochrechnungen

Der Wahlkampf ist parallel zu dem in Baden-Württemberg der erste in einem Bundesland unter den Bedingungen der Pandemie – mit allen Konsequenzen: keine Großveranstaltungen, fehlende Stände in den Fußgängerzonen, kaum Haustürwahlkampf, stattdessen weiterhin Plakate, weiterhin etablierte Medien und noch mehr Internet. Die Parteien und Spitzenkandidaten haben eigene digitale Formate entwickelt, die primär in den sozialen Medien wirksam werden sollen.

Zu den auffälligsten Ideen zählt das digitale Wohnzimmer der Ministerpräsidentin, in dem sie zuweilen Gäste empfängt. Beobachter kritisieren jedoch, dass die meisten Parteien die Spezifika der jeweiligen Plattform zu wenig berücksichtigen. Ohnehin ist die Resonanz in den digitalen Medien – zumindest derzeit – nicht allzu hoch. In den etablierten lokalen und regionalen Medien dagegen weist die Berichterstattung zumindest sichtbar auf den Wahlkampf hin.

Als einer der Höhepunkte des Wahlkampfs in den etablierten Medien gilt das Spitzenkandidatenduell zwischen Malu Dreyer und Christian Baldauf im SWR-Fernsehen am 5. März. Daneben gibt es bunte Zeitschriften (unter anderem das “Malu-Magazin”) auch als E-Paper, regionalisierte Plakataktionen der CDU und den einen oder anderen Aufreger. Ein Plakat der AfD etwa war in den Augen der Kritiker frauenfeindlich.

Eine weitere Unbekannte in diesem Wahlkampf ist die Auswirkung der Corona-Pandemie auf die Bereitschaft, am Urnengang teilzunehmen und falls ja, in welcher Form. Eine reine Briefwahl wird es nicht geben. Viele gehen aber davon aus, dass der Anteil der Briefwähler spürbar ansteigen wird. Schon beim Urnengang vor fünf Jahren machten etwa 30 Prozent der Rheinland-Pfälzer davon Gebrauch. Sollten es dieses Mal deutlich mehr werden, dürfte es für die Meinungsforscher schwerer werden genaue Prognosen zu erstellen. Sie beruhen auf Nachwahlbefragungen in repräsentativ ausgewählten Wahllokalen. In der Vergangenheit profitierten CDU und Grüne von hohen Briefwahlanteilen. Die AfD dagegen konnte Spätentscheider und Protestwähler für sich gewinnen, die eher selten per Brief abstimmen. Auch die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz wird von den vielen Ungewissheiten und Unsicherheiten der Pandemie erfasst.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe N° 134 – Thema: Wahlkampffieber – Superwahljahr im Zeichen der Pandemie. Das Heft können Sie hier bestellen.