Maßgeschneiderte Texte

Über Reden

Eine Frage wird häufig an Redenschreiber gestellt: Wie passen Sie Ihren Stil an den eines Redners an und wie überzeugen Sie Redner, einen Redetext vorzutragen, der nicht aus ihrer Hand stammt?

Dazu drei Anmerkungen. Erstens: Die Rede gehört dem Redner und nicht dem Redenschreiber. Redner können mit dem Typoskript umgehen, wie es ihnen beliebt. Lob und Tadel des Publikums gilt der Rede, nie aber dem Redetext. Niemand würde sagen: “Die Rede war toll, aber der Redetext schlecht.”

Zweitens: Die beste Rede ist die freie Rede. Redetexte – ausformulierte, stichwortartige, Textbausteine – sind Stützen, keine Beine. Laufen muss der Redner selber.

Drittens: Viele Abgeordnete möchten dennoch ausformulierte Typoskripte. Die Gründe dafür mögen verschieden sein – wenig Zeit, um sich die Rede einzuprägen, Routinereden, die einfach gehalten werden müssen oder Unsicherheit beim Vortrag. Welcher dieser Gründe vorliegt, ist nachrangig. In all diesen Fällen gilt: Der Redenschreiber muss seinen Redner und seine rednerischen Vorlieben kennen, um gelungene Texte liefern zu können, denn sein erstes Publikum ist – im Gegensatz zum Redner – nicht etwa das Publikum im Saal, sondern der Redner selbst. Dieser muss zuerst vom Redetext überzeugt werden, damit er seinerseits das Publikum von der Rede zu überzeugen vermag.

Gemeinsam erfolgreich

Wie können sich Redner und Redenschreiber also rhetorisch kennenlernen? Die Selbstverständlichkeit, dass sich beide vor dem Beginn ihrer Zusammenarbeit über Wünsche und Vorlieben austauschen sollen, spare ich aus. Das größte Missverständnis besteht in der Gleichsetzung von Rede und Redetext. Wenn Abgeordnete ihren Mitarbeitern sagen, diese oder jene Rede beziehungsweise Redner habe ihnen am besten gefalle, heißt es nicht – und das sollten die Abgeordneten und deren Mitarbeiter wissen –, dass ihnen auch der dazugehörige Redetext gefällt. Denn ein guter Redetext bedeutet noch lange keine gute Rede und einer guten Rede liegt nicht zwangsläufig ein gelungener Redetext zugrunde. Richard Nixon brachte es fertig, aus guten Texten schlechte Reden zu machen und Ronald Reagan aus schlechten Texten gute Reden. Was das Publikum wahrnimmt, ist nie der Redetext, sondern immer die Rede selbst.

Daher ist es empfehlenswert, dass Redner ihren Mitarbeitern die Reden oder Redner benennen, die ihnen liegen. Gleichzeitig sollten sie dann auch die Redetexte, die sie gut finden, aufzeigen. So können ihre Mitarbeiter die erwünschte stilistische Stoßrichtung erkennen und bei der Verfassung von Texten daran orientieren.