Lobbyieren wie Kaiser Lothar

Der Neu-Lobbyist mag es lieber unaufgeregt. „Kampagnen machen wir nicht“, sagt Professor Dieter Weirich und legt die Hände in den Schoß. Das Arbeitsmotto des 68-Jährigen lautet „Höre auch auf die andere Partei“ und ist der Wahlspruch von Lothar dem Dritten, einem Kaiser des Hochmittelalters. Persönliche Kontakte sind das bevorzugte Werkzeug des Mannes mit den zersausten, schlohweißen Haaren. Der Ex-Intendant der Deutschen Welle hat den Auftrag übernommen, das Deutsche Institut für Altersvorsorge, kurz DIA, in Berlin bekannt zu machen. Unterstützt wird er dabei von Klaus Morgenstern, einem auf Finanzthemen spezialisierten Journalisten.
Beide residieren auf circa 15 Quadratmetern in der Charlottenstraße 68, nahe dem Gendarmenmarkt. Ihr kleines Domizil gehört zu einer Bürogemeinschaft; empfangen wird im gemeinsamen „Meeting Room“. Die bescheidenen Verhältnisse irritieren etwas, wenn man weiß, dass die Deutsche Bank Brötchengeber der beiden ist.

Näher am Ort des Geschehens

Bis vor Kurzem war das DIA noch in Köln. Gegründet 1997 von der Deutschen Bank, sollte es den Deutschen die private Altersvorsorge schmackhaft machen. Dazu ließ das DIA über ein Netzwerk nahestehender Wissenschaftler Studien zur privaten Altersvorsorge und zur gesetzlichen Rentenversicherung erstellen. Aushängeschild des DIA war Bernd Katzenstein. Der gelernte Bankkaufmann mauserte sich als DIA-Sprecher zu einem bekannten Experten in Sachen Rente. Über seine Kommunikationsberatung betreute er Kundenzeitschriften von Finanzdienstleistern wie MLP oder auch der Deutschen Bank.
Vom Rheinland aus die Berliner Politik zu beeinflussen, war aber schwierig. Die Träger des DIA wollten dessen Arbeit „näher am Ort des Geschehens sehen“, so Weirich. Dafür holten sie Ende 2012 Morgenstern und ihn. Der Ex-Intendant soll die Politik bedienen, Finanzfachmann Morgenstern kümmert sich um den Rest: Er modernisiert die Internetseite des DIA, baut den Social-Media-Auftritt aus und organisiert Veranstaltungen.
Weirich hat die perfekte Vita für einen Interessenvertreter. Sein gesamtes Berufsleben pendelte er zwischen Medien, Politik und Wirtschaft. Ursprünglich Journalist, saß er später für die CDU sechs Jahre im Hessischen Landtag und neun Jahre im Bundestag. Danach baute er ab 1989 die Deutsche Welle vom Kurzwellensender zum Multimedia-Radio aus. Zuletzt war er Kommunikationschef des Energiekonzerns HSE. An der Arbeit für das DIA reizt ihn, „ein unbekanntes Wesen bekannt zu machen“, wie Weirich es ausdrückt. Morgensterns Arbeitgeber hießen unter anderem „Cash“, „Capital“ und „Portfolio International“. Der Mann mit Schnauzer und Brille, Jahrgang 1959, wirkt akkurat bis ins Mark. Er deckt die Lücke an Fachexpertise ab, die durch Katzensteins Weggang entstanden ist.
Gemeinsam sollen sie die neue Strategie des DIA umsetzen: Man will weg vom Image, eine reine Lobbyorganisation der Deutschen Bank zu sein. In Berlin soll das DIA künftig als Debattenforum und Thinktank für das Thema Rente wahrgenommen werden. Als Vorbild nennt Weirich die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung.

Problem Glaubwürdigkeit

Um das Vorhaben glaubwürdig zu machen, will das DIA neue Fördermitglieder gewinnen. Bis jetzt sind dies lediglich die Deutsche Bank und Tochterfirmen, beispielsweise die Fondsgesellschaft DWS. Einen neuen Förderer gibt es inzwischen. Allerdings ist dieser ebenfalls ein Finanzdienstleister und sein Name bislang ein Geheimnis. Immerhin soll er nicht zum Konglomerat der Deutschen Bank gehören, verrät Weyrich.
Bis das DIA als „Lobbyorganisation für Sachthemen“ wahrgenommen wird, wie Weirich und Morgenstern sich das wünschen, ist es somit noch ein weiter Weg. Hinter dem Umzug nach Berlin vermuten nicht wenige die Sorge einer Branche, die ihre Felle davonschwimmen sieht. Im Zuge der Finanzkrise sinkt die Rendite vieler Anbieter von Privatrenten. „Die Finanzdienstleister wollen ihr Marktsegment absichern“, so der Rentenberater Peter Sammer. In Krisenzeiten gewinnt das Umlageverfahren der gesetzlichen Rente wieder mehr Anhänger.
Experten zufolge zeigt die Finanzkrise überdeutlich ein generelles Problem der kapitalgedeckten Privatrente. Der Niedriglohnsektor in Deutschland wächst immer stärker. Aber gerade dieser Klientel habe die Branche nichts zu bieten. „Für Niedrigverdiener, die nur wenig sparen können, hat die Finanzbranche bis jetzt keine Produkte entwickelt, die wirklich lohnenswert sind“, meint Axel Kleinlein, Vorstandsvorsitzender des Bundes der Versicherten.
Auch Matthias W. Birkwald sieht das Engagement des DIA in Berlin kritisch. Der rentenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag vermutet dahinter „eine Marketingmaßnahme zur Gewinnmaximierung einiger Unternehmen.“ Mit dieser Meinung steht der Abgeordnete nicht alleine. Auch deshalb hat das DIA seine Lobbyarbeit neu ausgerichtet. „Weniger Gutachten, mehr Öffentlichkeitsarbeit“, soll laut Weirich die Erfolgsformel für Berlin werden.
Allerdings muss die Lobbyoffensive in der Hauptstadt ohne zusätzliche Mittel auskommen. Laut Weirich wurde das Budget lediglich umgeschichtet. Erste Aktion war das DIA-Forum 2013 mit dem Titel „Strategien gegen Altersarmut beginnen im Erwerbsleben“, das Ende Februar bei der Konrad-Adenauer-Stiftung (Kas) in Berlin stattfand. Zu der CDU-nahen Stiftung unterhält Weirich gute Kontakte: Er ist Chef des Beirats der Journalistenakademie der Kas.
Weitere Veranstaltungen sind bereits geplant: Im Mai/Juni will Weirich Politiker zu einem politischen Frühstück des DIA einladen, parlamentarische Abende sollen folgen. Sein besonderes Augenmerk gilt dabei jungen Bundestagsabgeordneten. So erhalten MdBs wiee Carsten Linnemann, Peter Tauber und Gerhard Schick wohl demnächst Post von ihm. „Die junge Generation beschäftigt sich noch viel zu wenig mit dem Thema Rente“, meint Weirich und lächelt milde.

„Gamification“ für die Schüler

Außerdem soll noch in diesem Jahr eine Fachtagung für Nachwuchsjournalisten stattfinden. „Wir denken hier an ein Wochenendseminar mit den Chefredakteuren von Schülerzeitungen“, so Morgenstern. Sein Steckenpferd nennt er „Altersvorsorge 3.0“. Der Plan: eine Onlineplattform des DIA zur Rentenberatung aufzubauen, die vor allem für junge Leute attraktiv ist, um sich über Möglichkeiten der privaten Altersvorsorge zu informieren.
Dabei setzt das DIA auch auf „Gamification“, also auf spielerische Elemente, um Jugendliche für das eher spröde Thema zu gewinnen und zum Sparen für die private Altersvorsorge zu motivieren. Gemeinsam bauen Weirich und Morgenstern gerade eine Diskussionsrunde mit Experten für diesen Bereich auf. Erste Ergebnisse sollen Anfang Mai auf der re:publica, einer seit 2007 jährlich in Berlin stattfindenden Konferenz zum Thema Web 2.0, durch „Schwarmintelligenz“ getestet werden, erzählt Morgenstern.
Des Weiteren wollen die DIA-Lobbyisten langfristig einen Gesprächkreis für Expertendebatten zum Thema Rente etablieren. Dieser soll auch für kritische Stimmen zum Thema Privatrente offen sein. „Wir wollen ganz bewusst die kontroverse Diskussion. Schließlich sind wir eine Denkfabrik und keine Propaganda-Maschine“, meint Weirich. Kaiser Lothar hätte wohl auch so gehandelt.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Im Auftrag des Herrn – wie die Kirche ihre Macht wahrt. Das Heft können Sie hier bestellen.