„Leitfaden für Politiker“

p&k: Herr Bender, welche Rolle spielte Facebook im US-Wahlkampf 2012?
Gunnar Bender: Wie wir aus den USA hören, eine erhebliche. Gerade als es darum ging, auf den letzten Metern die sogenannten Swing States zu gewinnen, musste man sehr zielgerichtet kommunizieren. Das Wahlkampf-Team von Präsident Obama entwickelte dafür das sogenannte „targeted sharing“, das gezielt die Freunde von Freunden bei der politischen Kommunikation berücksichtigt. Zudem ist Facebook ein wichtiger Kanal, um die jungen und mobilen Leute anzusprechen – und genau das haben wir im US-Wahlkampf gesehen.
Inwiefern haben sich die Facebook-Auftritte von Obama und Herausforderer Mitt Romney unterschieden?
Romney hat vor allem auf Facebook-Apps gesetzt, mit dem Ziel, potenzielle Wechselwähler zu erreichen. Obama hingegen hat seine Facebook-Aktivitäten vorwiegend dazu genutzt, um seine bereits vorhandenen Anhänger zu mobilisieren, damit diese wiederum weitere Zielgruppen ansprechen. Das war ein komplett anderer Einsatz der sozialen Medien.
Gab es auch Gemeinsamkeiten?
Das Gemeinsame war, dass in beiden Kampagnen die sozialen Medien integraler Bestandteil des klassischen Marketing-Mix waren. Die Obama-Kampagne war aber insgesamt wesentlich authentischer und emotionaler. Botschaften wurden über Bilder transportiert. Bestes Beispiel ist das Foto, das Obama am Tag nach der Wahl in inniger Umarmung mit seiner Frau zeigt – mit dem Slogan „Four more years“. Das Foto ist mittlerweile das am häufigsten geteilte und gelikte Foto, das es je bei Facebook gab.
Wie sollten sich Politiker auf Facebook präsentieren?
Wichtig ist die richtige Mischung aus Informationen und Persönlichem. Dabei muss man zwischen persönlich und privat unterscheiden. Kein Politiker muss auf Facebook sein Privatleben darstellen. Aber er sollte Facebook nutzen, um eine persönliche Seite von sich zu kommunizieren.
Erwarten Sie eine Professionalisierung des Social-Media-Wahlkampfes in Deutschland?
Alle Parteien haben beim Thema soziale Medien bereits einen enormen Lernprozess durchlaufen. Diese Lernkurve wird sich weiter steil entwickeln. Natürlich gibt es in den Wahlkampfzentralen noch einige Social-Media-Skeptiker, aber das wird sich legen. Ich hoffe, dass nach der nächsten Bundestagswahl die Social-Media-Aktivitäten endlich aufrechterhalten werden und die Parteien mit den Wählern dauerhaft auf Facebook in Kontakt bleiben.
Welche Politiker sind schon Facebook-Profis?
In jeder Partei gibt es Vorreiter im Umgang mit den sozialen Medien. Kürzlich habe ich gesehen, dass der FDP-Politiker Hans-Joachim Otto auf seiner Facebook-Seite Fotos von sich postet, auf denen er Fragen auf einem Whiteboard formuliert und so seine Anhänger mobilisiert. Das ist genau der authentische Ansatz, den es braucht, um die Menschen zu erreichen.
Was plant Facebook für die Bundestagswahl 2013?
In den USA gibt es Leitfäden für Politiker, wie sie ihre Facebook-Seite effizienter gestalten können. In Deutschland haben wir bisher nur mit dem amerikanischen Leitfaden gearbeitet. Wir entwickeln jedoch gerade einen eigenen für Deutschland und werden ihn Anfang 2013 präsentieren. Es gibt auch eine Facebook-Seite, die nennt sich „Government on Facebook“; dort werden gelungene Facebook-Auftritte staatlicher Institutionen präsentiert. Möglicherweise machen wir eine solche Seite auch für Deutschland.
Bei Politikern wird Twitter immer beliebter. Finden hier die eigentlichen politischen Diskussionen statt?
Das kommt darauf an, was sie erreichen wollen. Auf Twitter kann man den Dialog mit Multiplikatoren sehr gut führen. Aber mit Twitter erreicht man nicht die Massen. Die Reichweite ist bei Facebook viel größer. Auf keinen Fall aber sollte man Twitter und Facebook so verlinken, dass die Tweets automatisch auf Facebook erscheinen. Facebook als Zweitverwertungsrampe zu nutzen, verfehlt das Ziel eines engagierten Dialogs auf unserer Plattform.
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück gilt als Offline-Kandidat. Ist das ein entscheidender Nachteil?
Man kann keinen Wahlkampf gegen den Willen des Kandidaten führen. Aber ich habe Steinbrück als Unterstützer des Internets kennengelernt. Die Sache mit seinem Online-Berater Koidl …
… der Unternehmer sollte Steinbrück im Wahlkampf unterstützen, doch nach Protesten aus der SPD verzichtete dieser darauf …
… hat gezeigt, dass Steinbrück die sozialen Medien nicht ignorieren wird. Der Wahlkampf in Social Media ist nichts anderes als ein virtueller Straßenwahlkampf, denn die Menschen halten sich heute in den sozialen Medien auf und dort erreicht man sie. Wer das ausblendet, geht komplett an der Realität vorbei.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Wann bringen Sie Angela Merkel das Twittern bei, Herr Altmaier? – Fragen an den Politiker des Jahres. Das Heft können Sie hier bestellen.