Lauter Könige: Über den Umgang mit schwierigen Chefs

Praxis

Auch wenn Menschen überall mit “Problem-Chefs” zu kämpfen haben, so stehen gerade in Politik, Verwaltung und Verbänden besonders viele Führungskräfte in dem Ruf, schwierig zu sein. Dabei reicht die Spannweite vom schlicht kommunikationsschwachen Menschen bis hin zum ausgeprägten Narzissten. Warum ist das so? Welche Besonderheiten bestehen in Verwaltung und Politik, die solche “dunklen Seiten der Macht” fördern?

Starre Strukturen und Regelwerke

Während im privatwirtschaftlichen Bereich die Themen rund um New Work, Collaboration, Netzwerkstrukturen und Abschaffung von Hierarchie – oder zumindest Teilen davon – kreisen, ist der öffentliche Sektor nach wie vor stark hierarchisch organisiert.
Das geht einher mit einer dominanten Ausrichtung an umfassenden, detaillierten Regelwerken:
•    Komplizierte Vorgaben sollen jeden Einzelfall regeln.
•    Zuständigkeiten und Befugnisse dominieren den Arbeitsalltag.
•    Die personelle Durchlässigkeit für Festangestellte und Beamte ist gering,
     die Fluktuation von politisch besetzten oder beeinflussten Positionen dagegen hoch.
•    Die Abhängigkeitsbeziehungen sind ausgeprägt und an das jeweilige
     Organisationssystem gebunden.
•    Moderne Weiterbildungsangebote für Führungskräfte sind nur wenig vorhanden.
•    Personalauswahl und Karrieremöglichkeiten hängen nicht an der Kompetenz,
     Menschen zu führen.

Hinzu kommt, dass die politische Bühne immer wieder Narzissten anzieht. Das ist nicht verwunderlich, da die Fähigkeit der Selbstinszenierung, ein Überlegenheitsgefühl, die Suche nach permanenter Aufmerksamkeit und eingeschränkte Empathiefähigkeit im öffentlich-politischen Raum durchaus nützlich sein können.

Arrangieren oder ­ausscheiden

Situationen, in denen Menschen öffentlich bloßgestellt und abgekanzelt werden, haben die meisten von uns schon erlebt oder gar selbst erleiden müssen. Der Nachgeschmack ist bitter und wird so gut es geht verdrängt. Aber es muss auch differenziert werden: Nicht jeder Chef, der als schwierig gilt, ist schwierig! Auch von “unten” gibt es jede Menge Zuschreibungen, die bequem und entlastend wirken. Eines ist dennoch klar: Öffentliche Demütigungen jeder Art sind immer Ausdruck von schlechtem Benehmen und absolut inakzeptabel! Derartige Ausfälle müssten klare Konsequenzen haben. Müssten.

Das eigentliche Problem entsteht erst, wenn solche Ereignisse durch die Organisation beziehungsweise Institution toleriert werden – also einfach nichts passiert. Die faktische Botschaft ist: Man darf sich schlecht benehmen, Mitarbeiter haben keinen Schutz vor unanständigem Verhalten, solange es von hohen Vorgesetzten kommt, höfliche Umgangsformen haben keine Bedeutung. Das ist ein implizites Ja zur Verrohung und im Grunde vordemokratisch.

Menschen haben dann nur zwei Optionen: Entweder sie finden einen Weg, sich mit der Situation zu arrangieren – oder aber sie verlassen das System.

“Nach den Regeln des Systems spielen. Aber nicht um jeden Preis.”

Sich mit dem System zu arrangieren, heißt nun aber nicht, sich vollends zu unterwerfen oder auf jede Mine zu treten. Grundsätzlich stehen zwei Ansätze zur Verfügung, wie Sie mit Demütigungen, Schikanen oder Druck umgehen können:

1. Halten Sie Distanz
Jede Form von öffentlicher Tadelung oder Abwatschung ist auch ein Übergriff und damit eine Distanzlosigkeit. Nehmen Sie bewusst Abstand, um sich zu schützen. Damit ist nicht nur eine äußere Distanz gemeint, die wiederum nicht zu verwechseln mit stetem Ausweichen oder Wegducken ist, sondern explizit auch eine innere.

“Distanz schützt.”

Der Rückzug auf formelles Verhalten schafft äußere Distanz und kann implizit korrektes Verhalten von Ihrem Gegenüber erzwingen. Eine gute Vorbereitung, Korrektheit und auch Sprache helfen dabei. Einblicke in das eigene Privatleben sind tabu. Beschränken Sie Begegnungen auf das Nötigste. Nehmen Sie das kritische Ereignis nicht persönlich. Seien Sie sich bewusst, dass beispielsweise narzisstische Chefs aus einer Veranlagung heraus handeln, die mit Ihnen gar nichts zu tun hat. In der Regel sind Sie nur so etwas wie eine unfreiwillige Projektionsfläche. Innere Distanz bedeutet, die eigene Person vom Job zu trennen. Das fällt engagierten Menschen schwer, die sich ja gerade mit dem, was sie tun, identifizieren. Die Herausforderung: Die inhaltliche Begeisterung erhalten und dennoch persönliche Abgrenzung üben. Das steht zwar gegen den Trend, was als modern, chic und erfüllend gilt, kann aber helfen.

Bleiben Sie gelassen. Der Spruch “Wer über mir schon alles Chef war…” zeigt, dass gerade im politischen Zirkus personelle Konstellationen nicht von Dauer sind.
In Situationen, in denen ein Vorgesetzter immer wieder öffentlich übergriffig ist, müssen Sie jedoch das Gespräch suchen. Dieses sollte immer unter vier Augen erfolgen, gut vorbereitet sein und ruhig angegangen werden. Es darf dabei sehr deutlich werden, dass das Benehmen inakzeptabel ist – verbunden mit dem Angebot, Dissensen persönlich und hinter verschlossenen Türen zu klären.
Allein der Umstand, dass das Thema angesprochen wird, hilft oftmals schon – aber nicht immer.

2. Stellen Sie sich auf Ihren Chef ein

Verhaltensweisen und Bedürfnisse von Menschen zu erkennen, verstehen und einordnen zu können, versetzt Sie in die Lage, Situationen zu antizipieren und aktiv zu beeinflussen. Die eigene Beobachtungs- und Einordnungsfähigkeit kann man lernen zu schärfen – und üben, das eigene Verhalten klug zu variieren.

“Dem Stier besser nicht mit dem roten Tuch zu Leibe rücken.”

Die folgenden Hinweise geben erste Impulse – mit dem Ziel, Verhaltensmuster besser zu verstehen und darauf reagieren zu können:
1. Sehr extravertierte Menschen lieben den öffentlichen Auftritt, die Bühne und brauchen im Regelfall viel Anerkennung von außen. Das hat zumeist zur Folge, dass sie auf öffentliche Kritik sehr empfindlich reagieren. Äußern Sie daher Kritik nur im kleinen Rahmen und vermeiden Sie den direkten persönlichen Bezug.
2. Introvertierte Menschen brauchen Zeit, um sich ihre eigene Meinung zu bilden. Sie schätzen Überlegtheit und verurteilen Schnellschüsse. Werden sie von außen gedrängt, reagieren sie scharf und ablehnend. Lassen Sie ihnen die Zeit, die sie brauchen.
3. Menschen mit starker Intuition möchten sich nicht mit überbordenden Details auseinandersetzen und reagieren darauf zumeist ungehalten. Vermeiden Sie ellenlange, detaildominierte Unterlagen, Ausführungen und Erklärungen. Sie gelten sonst schnell als Erbsenzähler.
4. Personen mit starker Sachorientierung nehmen teilweise nicht wahr, wenn sie im Eifer des Gefechts jemanden verletzen. Gerade auf gefühlsbezogene Argumentationen reagieren sie oftmals verständnislos. Fokussieren Sie sich im Umgang vor allem auf Aufgaben- und Sachnotwendigkeiten. Vermeiden Sie Befindlichkeiten.

Ganz praktisch: Schreiben Sie Eigenschaften der Person, mit der Sie nicht klarkommen, auf. Bleiben Sie dabei rein deskriptiv. Der Austausch mit anderen Menschen, die diese Person gut kennen, kann dabei sehr hilfreich sein. Leiten Sie am Ende ab, was diese Person braucht, damit Sie beide zumindest einigermaßen zurechtkommen. Testen Sie, ob Ihre Ansätze fruchten – und: Übung macht den Meister!

Führen durch Persönlichkeit

Unser Umgang mit Menschen – egal ob in der eigenen Führungsverantwortung oder generell in der Zusammenarbeit – wird geprägt von unserer Lebenserfahrung. In Ausbildung und Studium ist professionelles Handwerkszeug zurzeit noch nicht zu haben. Dabei ist Führung etwas, das gelernt werden kann beziehungsweise muss. Gute Führungskräfte werden nicht geboren, sondern Menschen entwickeln sich dorthin. Während Unternehmen dafür viel Geld ausgeben – ganz sicher nicht immer sinnvoll und effektiv – ist der öffentliche Sektor weit hinterher. Es geht darum, in Menschen jenseits von Fachlichkeit zu investieren, damit Zusammenarbeit effektiver und positiver werden kann. Denn niemand leistet alleine alles – nirgendwo.

“Zusammenarbeit führt.”

Die Frage, wie zukünftige Rollenmodelle und Formen der Zusammenarbeit in Politik und Verwaltung aussehen werden, ist offen. Dort wird sich – genau wie in Unternehmen derzeit auch – etwas ändern müssen. Die Zeiten, in denen eine Jobgarantie reichte, um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, gehen zu Ende. Verwaltungsreformen im althergebrachten Modus springen dabei deutlich zu kurz. Der Faktor Mensch, Zusammenarbeit zwischen Menschen und umsichtige Führung werden Kernaspekte sein. Etwas mehr Leader­ship würde dabei sicher nicht schaden.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe politik&kommunikation II/2016 Leadership. Das Heft können Sie hier bestellen.