Kompetenz und Kontroverse

p&k: Herr Schönenborn, bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mangelt es nicht gerade an politischen Talkshows. Wozu braucht es da noch einen Journalistentalk?
Jörg Schönenborn: Das Wort Talk ist ja derzeit nicht unbedingt positiv besetzt. Mir ist der Begriff „Gespräch“ lieber. Der entscheidende Unterschied ist, dass bei uns Menschen am Tisch sitzen, die keine organisierten Interessen vertreten.
Der Presseclub zeichnet sich durch eine ruhige Gesprächsatmosphäre aus. Würde mehr Streit zwischen den Teilnehmern die Sendung nicht beleben?
Ehrlich gesagt glaube ich, dass Krawall und Erkenntnis nur beschränkt zusammenpassen. Und ein Presseclub ist nur dann erfolgreich, wenn wir zu einem Thema zwei bis drei neue Gedanken präsentieren.
Das Konzept der Sendung hat sich seit vielen Jahren nicht verändert. Es gibt keine Einspielfilme und soziale Netzwerke werden nicht einbezogen. Will der Presseclub kein jüngeres Publikum ansprechen?
Doch, wir sind ja auch im Internet präsent. Auf unserer Homepage gibt es ein viel genutztes Gästebuch, auf das ich während der Sendung regelmäßig eingehe, zitiere oder zusammenfasse, welche Positionen dort vertreten werden. Und bei „Presseclub nachgefragt“ auf Phoenix können die Zuschauer live im Fernsehen ihre Fragen stellen oder ihre Meinung zum Thema loswerden.
Gibt es Pläne für eine Neugestaltung der Sendung?
Natürlich denken wir oft über Veränderungen nach. Aber der Grundgedanke bleibt das Gespräch. Ich kenne bis jetzt keine bessere Form, um zu klugen Erkenntnissen zu kommen. Und in einer Fernsehlandschaft, wo ständig neue Ideen ausprobiert werden, kann es auch gut sein, eine Konstante zu haben. Und dadurch, dass der Presseclub zeitgleich auch im Radio ausgestrahlt wird, sind möglichen Veränderungen naturgemäß Grenzen gesetzt.
Und damit wollen Sie die jungen Leute noch vom Smartphone oder Tablet weglocken?
Man kann sich den Presseclub auch als Podcast runterladen. Meine Erfahrung ist aber, dass die Zielgruppe durch das Thema definiert wird. Und die Rechnung soziale Netzwerke gleich jüngeres Publikum wird nicht bestätigt. Das Presseclubpublikum ist in der Tat etwas älter. Wohl auch deshalb, weil die Mehrzahl der 20- bis 30-Jährigen heute eine klare Distanz zum Politikbetrieb hat.
Wie werden die Journalisten ausgewählt, die im Presseclub diskutieren?
Für die Auswahl sind zwei Ks entscheidend: Kompetenz und Kontroverse. Das heißt, wir brauchen Kollegen, die wirklich etwas von ihren Themen verstehen, und wir dürfen gleichzeitig nicht nur die gleiche Meinung am Tisch sitzen haben. Das klingt banal, ist aber bei manchen Themen sehr schwer. Außerdem ist es uns wichtig, dass Frauen gleichberechtigt vertreten sind.
Man sieht häufiger die gleichen Gesichter in der Sendung. Ist das Absicht?
Ja, wir setzen sehr bewusst auf den Clubcharakter. Wir freuen uns natürlich immer auf neue Gesichter. Aber es muss auch ein Stück Vertrautheit geben – das mögen die Zuschauer.
Der von der ARD zwangspensionierte Waldemar Hartmann kritisierte im September in der Taz, auch der „Presseclub“ der ARD sei ein „Stammtisch“. Generell sei der Journalismus „leider kein Rechercheberuf mehr, sondern ein Abschreibberuf geworden“. Was sagen Sie dazu?
Ich finde, dass ein Stammtisch etwas ist, wo sich die Leute wohlfühlen können. Und wenn an diesem Stammtisch kluge Menschen sitzen, die was von den Dingen verstehen, dann habe ich kein Problem mit diesem Wort. Doch der politische Journalismus neigt in der Tat dazu, sehr stark Trends hinterherzulaufen. Kleinste Positionsverschiebungen nehmen wir zum Anlass, viele Tage lang darüber zu diskutieren. In der Berichterstattung sind viele Nebelwerfer unterwegs. Das ist ja zum Teil auch das Ziel der Parteien. Die Aufgabe von gutem Journalismus ist, durch den Nebel hindurchzuschauen.
In der Jubiläumssendung am 16. Dezember geht es um die Frage, was politischer Journalismus leisten und woran er scheitern kann. Teilnehmen wird auch Bundestagspräsident Norbert Lammert. Warum sind diesmal nicht nur Presseleute zu Gast?
Weil es gut ist, sich zu einem Jubiläum den Spiegel vorhalten zu lassen. Ich glaube, dass politischer Journalismus auch immer ein Stück Neubesinnung braucht. Wir haben das Problem, dass viele Redaktionen über die Jahre ausgedünnt wurden. Das heißt, dass Journalismus mit geringeren Mitteln gemacht werden muss. Wir stellen gleichzeitig fest, dass immer weniger Menschen wählen gehen. Unser Publikum ist also weiter weg vom Politikbetrieb als früher.
Viele politische Talks finden inzwischen in Berlin statt, der Presseclub ist weiterhin in Köln. Eine bewusste Entscheidung?
Ja. Ich finde es richtig, dass der Presseclub in Köln geblieben ist und aus der Distanz einer „Provinzmetropole“ auf Berlin guckt. Denn die Mehrzahl der Menschen lebt eben nicht in Berlin-Mitte, sondern in mittelgroßen Städten oder auf dem Land.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Wann bringen Sie Angela Merkel das Twittern bei, Herr Altmaier? – Fragen an den Politiker des Jahres. Das Heft können Sie hier bestellen.