Keine Likes für Fakes

Social Media

Es gibt ein politisches Buzzword, das in keiner Rede zu Digitalisierung und Transformation der Gesellschaft fehlen darf: Medienkompetenz. Oft geht es dabei um die fehlende Medienkompetenz von Schülern, Lehrern oder auch ganz allgemein um die Lösung aller möglichen Probleme, die mit dem Internet verbunden werden. Relativ selten sprechen Politiker hingegen über ihre eigene Medienkompetenz – um die es oft auch nicht gerade zum Besten bestellt ist.

Ein paar Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit. Die CDU-Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer wechselte vor ein paar Monaten ihr Twitter-Handle: weg vom sperrigen @_a_k_k_, hin zum klareren @akk. Was sie und ihr Team im Konrad-Adenauer-Haus allerdings vergessen hatten, war die Sicherung des vorherigen Account-Namens. Und so kam es, wie es kommen musste: Kurz nachdem der Wechsel bekannt geworden war, sicherte sich ein Journalist den Account und sorgte mit seinen satirischen Tweets einige Stunden für Erheiterung in der Twittosphäre. Wie viele Twitter-Nutzer wohl nicht gemerkt haben, dass der Autor nun ein anderer war?

Kramp-Karrenbauers neues Twitter-Handle (c) Screenshot Twitter-Account @akk

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach hat Ende vergangenen Jahres ein vermeintliches Aufregerthema ausgemacht: ein Foto der Kanzlerin mit sehr vielen Männern, das er mit Kritik an der Geschlechterparität im Thüringer Innenministerium versah. Allerdings waren auf dem Foto die Vorsitzenden der CDU/CSU-Landtagsfraktionen zu sehen und nicht das Thüringer Innenministerium, das obendrein vom SPD-Innenminister Georg Maier geführt wird. Dieser war natürlich wenig begeistert von den Fake-News aus Berlin und bat um Klarstellung – die Lauterbach bisher nicht geliefert hat. Der irreführende Tweet steht indes immer noch online.

Lauterbachs irreführender Tweet (c) Screenshot Twitter-Account @Karl_Lauterbach

Noch ein Beispiel von der SPD. Lange bevor die Parteivorsitzende Andrea Nahles sich dazu entschloss zu twittern, hatte jemand anderes das für sie übernommen und den Satire-Account @anderesnahles angelegt, der mittlerweile gelöscht ist. Dieser Account gewann mit den Jahren eine immer größere Followerschar, unter der auch viele SPD-Mandatsträger waren. Diese retweeteten kräftig, als der Account am Tag der Vorstellung von Sahra Wagenknechts Aufstehen-Bewegung eine kritische, aber nicht satirische Kommentierung veröffentlichte. Es ist verständlich, das sich viele SPD-Mitglieder eine solche öffentliche Kommentierung der Partei-Vorsitzenden auf Twitter gewünscht hätten. Durch das nicht eingeordnete Weiterleiten des Tweets durch verifizierte SPD-Accounts wurde der Tweet nun quasi offiziell – eine klassische Fake News, durch die eigene Partei in die Breite getragen.

Ein Tweet des Fake-Accounts @andreanahles (c) Screenshot Twitter-Account @andreanahles

Man muss nicht ständig twittern und alles kommentieren

Auf Nachfrage erklärten fast alle 20 Mandatsträger, dass sie nicht wussten, dass es sich hier um einen Satire-Account handelte, obwohl dies sehr deutlich in der Profilbeschreibung stand. Teilweise löschten sie den Retweet. Nur ein Regierungsvertreter erklärte, dass er sehr wohl wusste, dass es sich hierbei um Satire handelte, er den Beitrag aber richtig fand. Ihm war also bewusst, dass er Fake News verbreitete.

Selbstverständlich machen auch Politiker Fehler. Aber Politiker sind gesellschaftliche Vorbilder. Darum wäre es wünschenswert, dass gerade politisch Aktive selbstkritisch ihr Verhalten reflektieren, aus Fehlern lernen, Fehler öffentlich machen und aktiv an ihrer Medienkompetenz arbeiten. Man muss nicht alles kommentieren und weiterleiten und auch nicht ständig twittern. Auch hier gilt oftmals: Weniger ist mehr. 

Einige konkrete Tipps für eine medienkompetente politische Kommunikation:

  • Kommunizieren Sie nur zu Themen, von denen Sie auch eine Ahnung haben.
  • Nehmen Sie sich den Druck, zu jedem Thema und zu jeder Tages- und Nachtzeit kommunizieren zu müssen. 
  • Sie müssen nicht immer der Erste sein, der etwas twittert. Das Rennen um die schnellste Kommentierung von Ereignissen ist zu einem kaputten Wettbewerb um Aufmerksamkeit in der journalistischen (Berliner) Blase verkommen.
  • Zitieren Sie nur Quellen, die Sie kennen oder die Sie ausgiebig geprüft haben.
  • Zitieren Sie nur (politische) Accounts, die entweder verifiziert sind oder deren Autor Sie kennen. In Parteien würde es sich anbieten, allen politisch Aktiven Listen zur Verfügung zu stellen, in denen alle offiziellen Accounts der wichtigsten Parteifunktionäre und Parteigliederungen gelistet sind, um deren Echtheit leichter überprüfen zu können.
  • Nehmen Sie sich vor dem Senden kurz Zeit, um zu prüfen, ob der Fakt, den Sie kommunizieren wollen, so auch stimmen kann, ob die Argumentation logisch ist und ob Sie hierfür eine zweite Quelle finden.
  • Fragen Sie bei Unsicherheiten nach oder schauen Sie, ob Parteikollegen, die fachlich näher dran sind, dieses Thema auch schon aufgegriffen haben.
  • Wenn Sie unsicher sind, twittern und posten Sie nicht.
  • Entschuldigen Sie sich öffentlich, wenn Sie einen Fehler gemacht haben, und stellen Sie ihn richtig. Das öffentliche Eingestehen von Fehlern ist keine Schwäche, sondern eine Stärke. Eine souveräne Fehlerkultur sollte zur Grundlage des politischen Handelns werden.
  • Informieren Sie Kollegen, wenn Sie glauben, dass diese gerade einen Fehler gemacht haben.
  • Verbreiten Sie keine Häme und werden Sie nicht persönlich, wenn anderen Fehler unterlaufen, sondern bleiben Sie sachlich.  
  • Seien Sie offen für Kritik von Nutzern. Das Beste, was Ihnen passieren kann, ist die Berichtigung aus ihrer Community. Das bedeutet nämlich, dass Ihre Fans und Follower für Sie mitdenken und Ihre Arbeit besser machen wollen.
  • Reagieren Sie nicht beleidigt und pampig, wenn Sie auf Fehler hingewiesen werden.

 Sollten sich allein die gewählten Vertreter aus dem EU-Parlament, den Bundes- und den Landesparlamenten an einige dieser einfachen Grundregeln der Medienkompetenz halten, hätten wir schon viel für die Diskurs­kultur und den Kampf gegen Desinformation getan.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe N° 126 – Thema: Vor der Europawahl: Deutsche in Brüssel. Das Heft können Sie hier bestellen.