„Für Merkel kann es nur abwärts gehen“

Herr Professor Korte, hat Sie der Wahlausgang überrascht?

Karl-Rudolf Korte: Ja. Dass die Union beinahe die absolute Mehrheit erreicht, hätte ich nicht gedacht.

Und dass die FDP aus dem Bundestag fliegt?

Damit hatte ich gerechnet, ebenso wie mit dem starken Abschneiden der AfD, das zeigt, dass das Thema Eurokrise bei dieser Wahl eine wichtige Rolle gespielt hat.

Wie bewerten Sie die Tatsache, dass die Liberalen erstmals seit Gründung der Bundesrepublik nicht mehr im Bundestag vertreten sind?

Ich sehe das als Zeichen, dass wir ein vitales, robustes Parteiensystem haben – ein Parteiensystem, das sich verändert und in Bewegung ist. Da kann es eben passieren, dass die eine Partei nach 64 Jahren an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert, und die andere, die erst vor wenigen Monaten gegründet wurde, in den Bundestag einzieht.

Ist der beispiellose Absturz der FDP der Anfang vom Ende der Partei?

Nein. Ein vitales und in Bewegung befindliches Parteiensystem bedeutet ja nicht nur, dass eine Partei aus dem Bundestag fliegen, sondern auch, dass sie es dorthin zurückschaffen kann. Allerdings braucht es dafür einen personellen Neuanfang.

An wen denken Sie dabei?

An Christian Lindner, den Landesvorsitzenden der FDP in Nordrhein-Westfalen. Er wird sicherlich die Führungsrolle bei den Liberalen übernehmen und versuchen, das Profil der FDP als Bürgerrechtspartei zu stärken, das die Partei in den letzten Jahren weitgehend verloren hat.

Das traditionelle bürgerliche Lager aus Union und FDP gibt es seit heute im Bund nicht mehr. Das kann Merkel nicht recht sein. War es ein Fehler von ihr, sich am Ende des Wahlkampfes so heftig von der Leihstimmenkampagne der FDP zu distanzieren?

Nein, die Zusammenarbeit mit der FDP war ja alles andere als reibungslos. Merkel erlebt mit dieser Wahl ihren größten Triumph, sie ist auf dem Zenit ihrer Macht.

Politische Beobachter wie der Ex-Vize-Chef der „Bild“-Zeitung Nikolaus Blome vertreten seit längerem die Auffassung, dass Merkel 2015 zurücktreten wird, um einem Nachfolger Platz zu machen. Was halten Sie von dieser These am heutigen Wahlabend?

Ich finde sie sehr plausibel. Für Merkel kann es nach diesem überwältigenden Wahlsieg nur abwärts gehen. Und ich traue ihr zu, dass sie es schafft, zum richtigen Zeitpunkt aufzuhören. Ich erlebe sie nicht als Polit-Junkie. Gut möglich, dass sie in zwei Jahren abtritt und etwas ganz anderes macht.

Zurück zum heutigen Abend: Steuern wir auf eine große Koalition zu?

Ja. Eine schwarzgrüne Koalition halte ich für sehr unwahrscheinlich, weil die Differenzen in ihren Wertvorstellungen unüberbrückbar zu sein scheinen. Das hat nicht zuletzt die Pädophilie-Debatte gezeigt.

Was wird im Falle einer großen Koalition aus Peer Steinbrück? Dass er nicht für ein Regierungsamt zur Verfügung steht, hat er ja bereits gesagt.

Stimmt. Er könnte aber Fraktionsvorsitzender werden. Das wäre sicherlich nicht ohne Reiz, denn die Aufgabe der Fraktionen einer großen Koalition ist es, die Regierung vor sich her zu treiben.