"Eine absolute Mehrheit für die CSU ist möglich"

p&k: Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat die bevorstehende Landtagswahl als „Mutter aller Schlachten“ bezeichnet. Weshalb diese drastische Wortwahl?
Ulrich Berls: Das ist ein etwas schiefes Sprachbild, denn es war ja der irakische Diktator Saddam Hussein, der diese Parole zu Beginn des Zweiten Golfkrieges ausgegeben hatte. Was dahinter steckt, ist die Einschätzung, dass die Wahl am 15. September wirklich eine „Alles-oder-nichts-Wahl“ ist.

Inwiefern?
Den Freistaat muss diese bayerische Regionalpartei CSU nun mal regieren, will sie nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Dieses Phänomen ist uralt, neu ist jedoch, dass man nicht mehr darüber diskutiert, wie viel Prozent über 50 die CSU bekommt. Auch eine Niederlage ist nach Jahrzehnten der Alleinregierung plötzlich denkbar geworden.

Trotz der großen Bedeutung für die Partei hört man im Landtagswahlkampf bislang wenig von der CSU. Hat Seehofer die Strategie von Angela Merkel übernommen, gar keinen richtigen Wahlkampf aufkommen zu lassen?
Das kann man so sagen. Auch sonst gibt es einige Parallelen. Den Merkelschen Kurs, dem politischen Gegner Themen wegzunehmen, indem man sie zu den eigenen Themen macht, praktiziert auch die CSU. Seehofer bewundert Angela Merkel. Das gibt er auch offen zu. Das Drängen in die politische Mitte hat die CSU ebenfalls mit der CDU gemein. Die CSU von heute ist nicht mehr die konservative und standfeste Anti-Zeitgeist-Partei früherer Jahre.

Die Opposition in Bayern kritisiert im Wahlkampf vor allem die vielen Wendemanöver Seehofers, zum Beispiel bei den Themen Donau-Ausbau und Studiengebühren. Die SPD taufte ihn deshalb „Drehhofer“.
Seehofer ist ein Politiker, der zu erstaunlichen Wendungen fähig war und ist – keine Frage. Der spektakulärste Fall war sicherlich die Wende in der Atompolitik nach der Katastrophe von Fukushima. Aber gerade die Energiewende zeigt, dass das Prinzip Seehofer auch das Prinzip Merkel ist. Es war doch Angela Merkel, die diesen Kurs vorgegeben hat.

Der Spitzenkandidat der SPD Christian Ude galt lange Zeit als Messias seiner Partei. Warum ist der Ude-Effekt so schnell verpufft?
Ude hatte den Bayern im Sommer 2011 ein Crescendo versprochen, als er seine Kandidatur verkündete. Von diesem Crescendo haben wir allerdings wenig gehört, es erschöpfte sich eigentlich in der Bekanntgabe der Kandidatur. Dass Ude die stärkste Figur der bayerischen SPD ist, steht außer Frage, aber er hat ein Problem: Münchener Oberbürgermeister sind im restlichen Bayern nicht unbedingt beliebt.

Eine wichtige Rolle spielen in Bayern die Freien Wähler. Warum bekennt sich deren Chef Hubert Aiwanger nicht zu einer Koalition mit SPD und Grünen?
Weil fast alle Anhänger der Freien Wähler ehemalige CSU-Wähler sind. Sie haben zwar einerseits von der CSU die Nase voll, wollen andererseits mit ihrer Stimme aber auch nicht dazu beitragen, dass Rot-Grün an die Macht kommt. Aiwanger geht jedoch nur dann in die bayerischen Geschichtsbücher ein, wenn er das halbe Jahrhundert CSU-Herrschaft beendet. Er steckt also in einer schwierigen Situation.

Ein großes Thema in Bayern ist nach wie vor die sogenannte „Verwandtenaffäre“.
Bei den Wählern ist sie nicht als reine CSU-Affäre hängengeblieben, was sie ja auch nicht ist. Die CSU hat zwar besonders viele Fälle, aber insgesamt ist die Affäre ein Versäumnis des gesamten Landtages, auch Abgeordnete von SPD, Grünen und Freien Wählern sind verstrickt.

Welchen Wahlausgang erwarten Sie?
Eine absolute Mehrheit der Sitze für die CSU ist möglich, weil es in Bayern viele tote Stimmen geben wird für Parteien wie Bayernpartei, Piraten, ÖDP, Linke usw., die vermutlich alle an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern werden. Wenn dann auch noch die FDP den Wiedereinzug in den Landtag verpasst, könnten der CSU bereits 42 oder 43 Prozent reichen für eine Alleinregierung.

                                          

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Die Wahl ist noch nicht gelaufen. Das Heft können Sie hier bestellen.