„Ein inhaltsleerer US-Wahlkampf“

p&k: Im November wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Sie haben in Ihrem Leben als Public-Affairs-Experte viele Wahlkämpfe miterlebt. Wie hat sich das politische Campaigning in den letzten Jahrzehnten in den USA verändert?
Harold Burson: Ich will ehrlich sein: Es ist viel schlechter geworden. Eigentlich ist das, was Obama und Romney treiben, kein Wahlkampf. Es ist eine Inszenierung der Personen, die zur Wahl stehen. Das war in den USA schon immer ein wichtiger Aspekt, aber in diesem Jahr gibt es keine Substanz an Themen mehr. Es ist der nichtssagendste und inhaltsleerste Wahlkampf, den ich in meinem ganzen Leben verfolgt habe. Dafür tragen beide Kandidaten Verantwortung.
Sie sagen, die Fixierung auf Persönlichkeiten hätte stark zugenommen. Woher kommt das?
Der Internetauftritt der Kandidaten hat einen ganz entscheidenden Teil dazu beigetragen. Rund um die Uhr sind Informationen per Klick verfügbar, private Details werden beliebig verbreitet. Wissen Sie, ich denke, dass diese gesamte Show in den USA übertrieben ist.
Sie üben auch Kritik an der Finanzierung des US-Wahlkampfs.
Das Geld und die Finanzierung der immer aufwendigeren Inszenierungen hat das System langsam durchfressen. Um überhaupt an Wahlen teilnehmen zu können, bedarf es immenser Spendensummen und die muss man als Politiker erst mal auftreiben. Private Spenden müssten stark reguliert werden, insbesondere von Seiten der Unternehmen, um zu gewährleisten, dass man sich nicht einen Präsidenten kaufen kann. Deshalb sollte es eine öffentliche Finanzierung der Wahlkämpfe geben.
Vor über 60 Jahren hat sich Burson-Marsteller gegründet. Empfinden Sie sich als Pionier der Public Relations und Public Affairs?
Nein, denn es gibt PR, seit es Sprache gibt. Wenn auch nicht als Dienstleistung. Die Menschen haben schon immer PR genutzt. PR bedeutet nicht mehr als Überzeugungsarbeit. Man will jemanden überzeugen, etwas zu tun oder eine Meinung anzunehmen. Im alten Rom dienten die großen Foren zur Machtdemonstration. Martin Luther hat seine Thesen nicht ohne Grund ausgerechnet an eine Kirchentür geschlagen. Das war öffentlich sichtbare PR in der damaligen Zeit. Aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich, was wir heute als Dienstleistung kennen.
Die Kommunikationsbranche hat mehrere Revolutionen erlebt. Woran merken Sie das in Ihrer Arbeit?
Der Nachrichtenfluss ist komplett anders als damals. Im Gründungsjahr 1953 war selbst das Fernsehen noch in den Kinderschuhen. Heute ist es das einfachste der Welt, Nachrichten zu versenden, jeder ist dazu in der Lage. Für uns bedeutet das ein wachsendes Arbeitsfeld: Es wird immer schwerer, gehört zu werden, sich mit einer Nachricht im Strudel der Informationen durchzusetzen. Dafür braucht es gute Public-Relations- und Public-Affairs-Arbeit. Inzwischen geht es in unserer Arbeit nicht mehr nur darum, zu kommunizieren und Überzeugungsarbeit zu leisten. Es geht auch um Anlässe. Das wird innerhalb der Branche häufig unterschätzt. Wir bieten unseren Kunden Angebote, die Kommunikation und Anlässe umfassen.
Also ist diese Entwicklung gut für Ihr Kerngeschäft?
Heute gibt eine wesentlich höhere Beachtung und Wertschätzung der PR. Früher haben nur die großen visionären Unternehmen Agenturen in Anspruch genommen, heute gehört es schlicht dazu. Wir werden gebraucht.
Gerade die vernetzte Welt erleichtert die Kommunikation. E-Mails und soziale Netzwerke gehören zum Alltag dazu. Wie verändert das die Arbeit?
Neue Medien haben die Anzahl der Möglichkeiten für uns als PR-Unternehmen zu kommunizieren vervielfacht. Unsere Kunden brauchen weit mehr professionelle Hilfe als früher, um ihren öffentlichen Auftritt durch das Labyrinth an Kommunikationskanälen zu manövrieren. Wir erschließen Kanäle und lotsen durch den Informationsdschungel. Das ist gut, aber …
… es ergeben sich daraus auch neue Probleme und Herausforderungen?
Langfristig wissen wir nicht, ob soziale Netzwerke Segen oder Fluch werden. Wahrscheinlich beides. Vieles ist noch völlig ungeklärt. Urheberrechte, Datenschutz, Grenzen der Werbung. Ein großes Problem ist auch die Verlässlichkeit. Das Verhältnis zwischen Autor und Leser hat sich gewandelt. Es leidet das Vertrauensverhältnis in Bezug auf die Qualität, weil jeder in der Lage ist zu publizieren.
Die Arbeit von Burson-Marsteller wurde in der Vergangenheit in einigen Fällen als intransparent kritisiert.
Ich stehe voll hinter der Transparenzidee, die sich in unserem Unternehmen inzwischen durchgesetzt hat. Jeder soll wissen, für wen wir arbeiten. Natürlich gibt es auch vertrauliche Informationen zwischen uns und den Kunden, die wir beraten. Wenn ich aber mit einem Dritten spreche, wie jetzt mit Ihnen, dann haben Sie ein Recht zu erfahren, in wessen Interesse ich das tue. Grundsätzlich gilt: Wir arbeiten für niemanden, mit dem sich unsere Kunden und unsere Mitarbeiter unwohl fühlen würden. Das hat sich bewährt.
Was genau heißt das? Wo ist die Grenze: Für wen würden Sie generell nicht arbeiten?
Wir wurden von Gaddafi gefragt, ob wir für Libyen arbeiten würden. Das haben wir abgelehnt. Prinzipiell betreuen wir keine Schurkenstaaten. Ebenso wenig Themenkomplexe, die derart umstritten und polarisierend sind, dass sich unserer Kunden daran stören könnten und interne Konflikte entstehen. Zum Beispiel betreuen wir in den USA weder die Anti-Abtreibungsbewegung, noch die Unterstützer des Abtreibungsrechts. Das ist ein zu emotionales Thema.
Das Netzwerk von Burson-Marsteller erstreckt sich über den gesamten Globus, 67 Büros führen Sie weltweit. Wann reicht es Ihnen?
Es geht darum, dort zu sein, wo unsere Klienten sind. Wir müssen den anderen immer einen Schritt voraus sein und neue Märkte erschließen. In Afrika tut sich viel, und ich denke dort wird unsere Arbeit in aufstrebenden Staaten zunehmend nachgefragt werden.
Mit 91 Jahren sind Sie ein Urgestein in der PR-Branche. In 60 Jahren haben Sie viel erlebt. Welche Aktion verdeutlicht für Sie am meisten, wie PR-Arbeit funktioniert?
Sie werden erstaunt sein (lacht). Ich habe dazu beigetragen, dass aus dem Stadion der Universität von Mississippi die letzten Flaggen der Konföderierten Staaten aus dem Bürgerkrieg entfernt wurden. Das ist in den USA ein heißes Thema gewesen. Rassistische Strukturen waren in den Südstaaten an der Tagesordnung. Wir holten neue Spieler ins Football-Team der Universität. Sie waren sehr gut – und schwarz. Der Deal, den wir den patriotischen Menschen in Mississippi anboten, war ganz einfach. Sind die Flaggen weg und gebt ihr euren Rassenhass auf, dann bekommt ihr ein besseres Footballteam. Jeder verstand das unterbewusst, es war ein klarer Handel. Das hat mir gezeigt: Die öffentliche Meinung zu verändern ist schwer, aber nicht unmöglich.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Wir wollen rein – Bundestag 2013. Das Heft können Sie hier bestellen.