„Die Welt ist schneller geworden“

p&k: Herr Professor Perthes, was zeichnet für Sie einen guten Think-Tank aus?
Volker Perthes: In erster Linie eine wissenschaftliche Forschungstätigkeit, die sich in praktische und politisch-inhaltliche Empfehlungen umsetzen lässt. Das unterscheidet einen Think-Tank von einem akademischen Institut, wo zwar auch gedacht und geforscht wird, es aber diese praktische Dimension nicht gibt. Gleichzeitig grenzt sich ein Institut wie die SWP mit seiner Arbeitsweise auch von einer Beratungsfirma ab, die zwar politische Ratschläge geben kann, aber keine wissenschaftlich fundierte Basis hat.
In den vergangenen Jahren hat es einen starken Anstieg von Denkfabriken gegeben. Was sind die Gründe?
Es hat sich ein Markt für Politikberatung entwickelt, und das meine ich nicht nur im kommerziellen Sinn. Politiker, die Rat brauchen, wenden sich mit ihren Fragen oft nicht mehr an ein Ministerium oder eine Fraktion, sondern an einen externen Berater. Dazu kommen eine Vielzahl privater Stiftungen, die nicht mehr nur fördernd, sondern auch politikberatend tätig sein wollen. Es gibt also Bedarf, der viel mit der gestiegenen Komplexität im politischen Umfeld zu tun hat.
Die SWP gilt als einer der profiliertesten Think-Tanks in Deutschland – und als einer der elitärsten. Wie oft hören Sie den Vorwurf, im Elfenbeinturm zu sitzen?
Dieser Vorwurf taucht hin und wieder auf. In der täglichen Arbeit spüren wir das jedoch nicht. Unsere Ansprechpartner in der Politik wissen, dass wir die Expertise haben, die sie suchen, dass wir uns aber auch auf die einlassen, die im Maschinenraum stehen – beziehungsweise auf der Kommandobrücke.
Wie haben sich die politischen Anforderungen an die Stiftung verändert?
Der Bedarf an außen- und sicherheitspolitischer Beratung hat zugenommen. Das hängt mit der größeren Rolle Deutschlands in der Außenpolitik zusammen. Es gibt dort größere Erwartungen an uns. Die Welt ist komplexer geworden, schneller – die Politiker brauchen mehr Rat.
Think-Tanks haben in den USA eine längere Tradition als in Deutschland. Wodurch unterscheiden sich die Denkfabriken der beiden Länder?
In den USA verfügen die Denkfabriken über mehr privates Geld als hierzulande. Dazu kommt, dass amerikanische Think-Tanks eher bereit sind, parteipolitische Aufträge anzunehmen. Sie schreiben zudem Parteiprogramme oder wirken an diesen mit. In Deutschland versuchen Denkfabriken, stets das gesamtgesellschaftliche Interesse im Blick zu haben.
Die US-Denkfabriken gelten als Personalpool bei einem Regierungswechsel. Sollte es auch in Deutschland mehr Austausch zwischen der Politik und der Wissenschaft geben?
Ich finde diesen Austausch, wie er in den USA zu beobachten ist, hilfreich. Wenn auch nicht in dieser radikalen Form. Es ist gut, wenn die Expertise aus den Think-Tanks in die Politik fließt, und sich die Forscher in der Praxis bewähren können.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Think-Tanks – Ihre Strategien, ihre Ziele. Das Heft können Sie hier bestellen.