Die Tories wandeln auf Thatchers Spuren

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Auch wenn der Ausgang der Wahl komplett offen ist, stehen seit gestern zwei Fakten fest. Zum einen wird Großbritanniens nächster Premierminister eine Frau sein, zum anderen wird es bei den Konservativen einen Rechtsruck geben. Vom Ausgang der Wahl hängt nun ab, wie weit das Pendel ausschlagen wird, denn die verbliebenen Kandidatinnen sind deutlich konservativer als der aktuelle Premierminister.

Im Vergleich zu May weiter rechts steht Leadsom. Die durch und durch europaskeptische Abgeordnete fiel dem breiten Publikum erstmals im Brexit-Referendum an der Seite von Boris Johnson auf. Sie spricht sich für die baldige Aufnahme von Austrittsverhandlungen mit der EU aus, die gleichgeschlechtliche Ehe lehnt sie ab und Arbeitnehmerrechte würde sie in kleinen und mittleren Betrieben gerne einschränken.

Auch May stand nie im Verdacht, eine Liberale zu sein. Vielmehr hat die Innenministerin in den zurückliegenden Jahren durch ihre harte Linie beim Thema Immigration und ihre Ablehnung der Europäischen Menschenrechtskommission ihren konservativen Ruf gefestigt. Beide werden in den kommenden zwei Monaten um die Stimmen der Parteibasis werben.

Der linke Parteiflügel steht geschlossen hinter May

Dabei scheint May am ehesten in der Lage zu sein, die tiefen Gräben zu überwinden, welche das Brexit-Referendum gerissen hat. Denn Abgeordnete sämtlicher Flügel haben sich hinter ihr versammelt. Die Vertreter des linken Parteiflügels, die sich in der Tory Reform Group zusammengeschlossen haben, standen geschlossen hinter May. Auch die gemäßigt konservativen Abgeordneten des Conservative Way Forward stimmten mehrheitlich für die Innenministerin. Einzig die ultrakonservativen Mitglieder der Cornerstone Group votierten mehrheitlich für Andrea Leadsom. Insbesondere die prominenten Mitglieder, die ehemaligen Minister John Redwood und Owen Paterson sowie der Cornerstone Vorsitzende, Edward Leigh, hatten sich für die Energiestaatssekretärin stark gemacht.

Wichtige Unterstützung bekam May vom flügelübergreifenden Netzwerk des einflussreichen Finanzministers George Osborne. Auch wenn er sich offiziell mit einer Unterstützungsadresse zurückhielt, so hat er hinter den Kulissen die Werbetrommel für die Innenministerin gerührt. Der ehemalige Kronprinz von David Cameron verfügt über eines der tragfähigsten und schlagkräftigsten Netzwerke in Westminster, dem beispielsweise Wirtschaftsminister Sajid Javid, Umweltministerin Elizabeth Truss oder auch Rob Halfon, Minister ohne Geschäftsbereich, sowie zahlreiche Staatssekretäre angehören. Mit einer Ausnahme hatten sich alle Mitglieder der sogenannten “Friends of George” für May ausgesprochen.

Trotz der beinahe Zwei-Drittel-Mehrheit unter den Fraktionsmitgliedern, ist die Wahl kein Selbstläufer für May. Ein hartes Rennen wird erwartet, dessen Ausgang ungewiss ist.

Selbstzerstörungskräfte bei Labour aktiviert

Während der Selbstfindungsprozess bei den Tories damit in die entscheidende Runde geht und am 9. September beendet sein wird, steht es um die Labour Party weiterhin schlecht. Der Machtkampf zwischen Parteichef Corbyn und den Mitgliedern seiner Unterhausfraktion schwelt weiter. Die Partei hat die Selbstzerstörungskräfte aktiviert.

Der Coup gegen Corbyn scheint erstmal gescheitert, obwohl ihm in der vergangenen Woche 172 von 229 Fraktionsmitgliedern das Misstrauen ausgesprochen hatten und mehr als die Hälfte der Mitglieder seines Schattenkabinetts zurückgetreten war. Der mit einer überwältigenden Mehrheit der Parteimitglieder im vergangenen Jahr ins Amt Gewählte denkt nicht daran, im Streit mit der Fraktion klein beizugeben.

In dieser Woche stellte er sein neues Schattenkabinett vor. Die Bildung dauerte länger als gedacht, da sich kaum noch Fraktionsmitglieder finden ließen, die bereit sind sich unter Corbyn an der konservativen Regierung abzuarbeiten. Stattdessen scheinen sie auf ihren Ruf für die Zeit nach Corbyn bedacht zu sein. So musste der Parteivorsitzende teilweise die sonst so begehrten Posten zusammenlegen. Eine handlungsfähige und schlagkräftige Opposition sieht anders aus.

Mitglieder des Führungskreises um Corbyn denken derweil offen darüber nach, wie mittels der lokalen Parteiorganisationen die erneute Kandidatur besonders unliebsamer Gegenspieler verhindert werden kann. Noch hat sich kein Abgeordneter aus der Deckung gewagt, der Corbyn im Sommer herausfordern wird. Die notwendigen 50 Unterstützer in der Fraktion wären allemal schnell gefunden.

Sorgen bereitet den Parteistrategen bei Labour derweil ein ganz anderer Aspekt. In einem Zeitungsbericht hatte Assem Allam, einer der größten Spender der Arbeiterpartei, mehrere Millionen Pfund in Aussicht gestellt, wenn Labour Abgeordnete eine neue, sozialdemokratische Partei gründen. Ein historisches Vorbild gibt es hierfür auch. Im Jahr 1981 traten vier prominente Labour Abgeordnete aus der Partei aus und gründeten die Social Democratic Party. Als Folge verlor Labour die Unterhauswahl im Jahr 1983. Von diesem herben Schlag erholte sich die Labour Party erst 1997, als Tony Blair sie zurück an die Macht führte. Das britische Parteiensystem dreht sich nach dem Brexit-Referendum weiter auf Hochtouren.