Die Newsroom-Frage

PS: Preppners Sicht

Das Unbehagen breitete sich langsam aus. Vielleicht fing es an, als die Kanzlerin 2006 ihren Video-Podcast startete, in dem sie die Bürger direkt ansprach. Es verstärkte sich, als Jahre später immer mehr Politiker twitterten, ab 2011 auch Regierungssprecher Steffen Seibert. Und es erreichte einen Höhepunkt, als die AfD Anfang 2018 ankündigte, einen Newsroom einzurichten. Sie wollte eine “Gegenöffentlichkeit” schaffen. In diesem Fall war die Sorge groß: Wie die Rechtspopulisten es schaffen, mit Fake News zu mobilisieren, war zu dem Zeitpunkt ja bereits auf Facebook zu besichtigen.

Der AfD-Newsroom, für den im Jakob-Kaiser-Haus ein TV-Studio eingerichtet wurde, scheint nie richtig in Gang gekommen zu sein. Dafür tauchte das Schlagwort “Newsroom” in letzter Zeit bei anderen Parteien und politischen Institutionen auf: Die CDU plant einen Newsroom, die CSU ebenfalls. Bei der SPD gibt es schon lange einen, das Rote Rathaus in Berlin hat auch einen, das Verkehrsministerium hat sein Neuigkeitenzimmer. Wieder ist das Unbehagen da: Geht es auch hier darum, Nachrichten an den Journalisten vorbei zu transportieren?

Noch sehr viel Luft nach oben

Ziemlich sicher nicht. Es geht darum, dass Parteien heute viele Kanäle bedienen müssen, und auf jedem einzelnen nicht nur ansprechbar, sondern möglichst auch aus dem Stand sprechfähig sein sollten. Das ist längst nicht überall der Fall. Der Umgang mit dem Rezo-Video machte einmal mehr deutlich, wie groß die Kluft zwischen der Social-Media-Kompetenz der jungen Generation und der der etablierten Parteien ist. In der Politik ist da noch sehr viel Luft nach oben.

Viele Journalisten finden es jedoch “dreist, wenn Politiker den von Journalisten erarbeiteten und mit Leben erfüllten Begriff Newsroom scheinbar unschuldig kidnappen”, wie Frank Aischmann im Blog des ARD-Hauptstadtstudios schreibt. Die rheinland-pfälzische Landesregierung machte nach lauter Kritik einen Rückzieher und will nun nicht, wie ursprünglich angekündigt, einen Newsroom, sondern einen “Mediendienst” einrichten. “Es ist selbstverständlich, dass wir keine journalistische Arbeit machen”, betonte Malu Dreyer.

Unabhängig berichten nur Journalisten

Das ist der Knackpunkt in der Debatte. Ganz gleich ob ihre Mitarbeiter im Newsroom, Mediendienst, Neuigkeitenzimmer oder in der Kommunikationsabteilung sitzen: Parteien und Politiker verbreiten naturgemäß interessengeleitete Botschaften, sie berichten nicht unabhängig. Das machen Journalisten. Und damit Journalisten weiterhin unabhängig berichten können, muss die Politik ihnen auch in der Newsroom-Ära Rede und Antwort stehen.

Es darf nicht passieren, dass beispielsweise das Bundesverkehrsministerium Journalisten zu einem aktuellen Thema nur eine Video-Botschaft mit eigenem Spin liefert, nach dem Motto: fresst oder sterbt. Journalisten brauchen Möglichkeiten, um nachzuhaken und Informationen einzuordnen. Dann können politische PR und Journalismus friedlich nebeneinander existieren – ob mit oder ohne Newsroom.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe N° 127 – Thema: Vertraulichkeit. Das Heft können Sie hier bestellen.