Der erste Mitarbeiter eines Health-Start-ups sollte ein Lobbyist sein!

Public Affairs

Digitale Disruption und Gesundheit. Wie passt das zusammen? Wir leben im Zeitalter digitaler Transformation, einer Phase rasanter Veränderung, in der digitale Innovationen etablierte Geschäftsmodelle zerstören und ganze Branchen erschüttern. Auch und gerade der Gesundheitssektor ist zunehmend davon betroffen. Junge Start-ups spielen dabei eine entscheidende Rolle, denn diesen Gründern geht es vor allem um eins: Sie wollen die Gesundheitsversorgung revolutionieren – zum Wohle der Menschen. Doch genau das stellt sie in der Kommunikation vor besondere Herausforderungen, denn kreative Zerstörung und Wohlbefinden schließen sich auf den ersten Blick aus. Es kann gelingen, wenn man rechtzeitig auf den Dialog mit der Politik setzt. Es gibt insbesondere fünf Gründe, warum es sich lohnt, einen Lobbyisten im Team zu haben – vom ersten Tag an.

#1 Finanzierung

Berlin ist nicht nur Deutschlands Innovationshauptstadt, sondern wird zunehmend auch zum Motor wirtschaftlicher Entwicklung, denn innovatives Unternehmertum und ökonomisches Wachstum korrelieren. Start-ups werden ein immer wichtigerer Wirtschaftsfaktor. Und das weiß auch die Politik. Es gibt zahlreiche Start-up-Förderprogramme, die junge Unternehmen unterstützen und Geschäftsideen finanzieren. Besonders förderungswürdig: der Gesundheitssektor. Dort werden Start-ups nicht nur zum wichtigen Wirtschaftsfaktor, ihre Innovationen können mitunter entscheidende gesamtgesellschaftliche Herausforderungen lösen – sei es die Telemedizin bei der Versorgung ländlicher Gebiete oder der Einsatz digitaler Technologien bei der Diagnose von Krankheiten.

#2 Reputation

Gleichzeitig können öffentliche Förderungen zum Reputationsgewinn beitragen. Die Digitalisierung auf dem Gesundheitsmarkt ist besonders von schutzwürdigen Interessen geprägt – immerhin ist Gesundheit einer der sensibelsten und intimsten Bereiche im Leben eines jeden Einzelnen. Vertrauen ist daher die wohl wichtigste Variable, die über den Erfolg von Innovationen entscheidet. Die Unterstützung öffentlicher oder politischer Institutionen kann Start-ups helfen, eben diese vertrauenswürdige Reputation aufzubauen.

#3 Regulierung

Start-ups agieren schnell, radikal und risikofreudig. Das ist ihr großer Vorteil gegenüber strukturreichen Konzernen. Doch dabei lassen sie häufig auch ernstzunehmende Hürden öffentlicher Strukturen und Rechtsrahmen außer Acht. Disruptive Unternehmen im Bereich Gesundheit und Medizin bewegen sich auf stark regulierten Märkten, die seit Jahrzehnten keine Innovationen gesehen haben. Genau aus diesem Grund können Start-ups dort so schnell erfolgreich sein. Genau aus diesem Grund muss ihnen aber auch bewusst sein, dass sie häufig in regulatorischen Graubereichen agieren. Es ist entscheidend, diese Strukturen und Gesetze zu kennen, um rechtzeitig und angemessen darauf rea­gieren zu können.

#4 Platzhirsche

Große Visionen haben alle Start-ups. Die meisten werden scheitern. Doch ein paar wenige von ihnen werden die Art und Weise, wie wir leben, grundlegend verändern. Das hat häufig zur Folge, dass auch das politische Feld oder explizit von der Politik geschützte Bereiche beeinflusst werden. Fest etablierte Organisationen – die wirtschaftlichen und politischen Platzhirsche – haben ein enormes politisches Kapital gegenüber Regulierungsinstanzen und Entscheidungsträgern entwickelt. Kapital, das sie einsetzen können, um die externe Bedrohung durch neue Player im Keim zu ersticken. Das gilt ganz besonders für den deutschen Gesundheitsmarkt: Innovationen kommen hier vor allem so schwer voran, weil sich viele unterschiedliche Inte­ressen politisch sehr gut durchsetzen können.

#5 Veränderungskommunikation

Disruption bedeutet Veränderung, einen großen Schritt in die Zukunft zu machen. Doch disruptive Produkte und Geschäftsmodelle leiden häufig unter mangelnder externer Akzeptanz. Neues, das Altes zerstört, wird von der Organisationsumwelt zunächst mit Skepsis betrachtet. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und scheut sich im Allgemeinen vor einschneidenden Veränderungen. Doch gerade im Gesundheitsbereich muss die gesamte Gesellschaft Innovationen akzeptieren und tragen. Die Öffentlichkeit spielt bei dieser Wahrnehmung eine entscheidende Rolle. Öffentlichkeitsarbeit ist mehr als Marketing – auch in Start-ups. Gelingt es, die öffentliche Wahrnehmung zu einem Thema zu verändern, können indirekt auch regulatorische Entscheidungen beeinflusst und das gesamtgesellschaftliche Innovationspotenzial entfacht werden. Damit werden Lobbyisten zu Change-Managern. Und Change-Manager zu Lobbyisten.

Kaum ein junges Unternehmen wird es sich leisten können und wollen, als Einzelakteur auf dem großen Schlachtfeld der Politik für seine Interessen zu kämpfen. Die Lösung? Neue Wege der Kommunikation. Die Grenzen zwischen einzelnen Kommunikationsdiszi­plinen werden sich in Zukunft auflösen. Nicht über die eigene Abteilung hinaus zu schauen, ist eine Sache der Vergangenheit. Durch das Auflösen des Silo-Denkens besteht die Chance, filigraner und vielfältiger zu kommunizieren. Es gilt, Unterstützer zu finden, die an die gleiche Idee glauben und dafür einstehen. Diese Influencer finden sich auch im politischen Umfeld. Politiker, die von einer Idee überzeugt sind, werden für diese öffentlich und politisch einstehen – mit großer Strahlkraft. Für Start-ups bedeutet das: Querdenken, auch im Hinblick auf die Bedeutung und Tragweite politischer Kommunikation. Gerade im Gesundheitsbereich brauchen sie so früh wie möglich eigene Botschafter, die ihre Vision nach außen tragen und gesellschaftliches Vertrauen aufbauen.

Cover: Siebenhaar Verlag

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe N° 117 – Thema: Rising Stars/Digitalisierung. Das Heft können Sie hier bestellen.