Das Vertrauen schwindet

Politik

Die deutsche Bevölkerung wird zunehmend skeptischer. Laut der Vertrauensstudie der Agentur Edelman, dem Trust Barometer, sinkt das Vertrauen der Menschen sowohl in Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen als auch in die Medien. Lediglich die deutsche Regierung legt in puncto Vertrauen etwas zu.

Trotz des erheblichen Rückgangs von zehn Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr halten die Deutschen Nichtregierungsorganisationen mit knapp 70 Prozent Zustimmung nach wie vor für die glaubwürdigsten Institutionen. Die Erwartungen an NGOs seien besonders hoch und damit auch schnell zu enttäuschen, erklärte Edelman-Präsident und CEO Richard Edelman bei der Präsentation der Studie am Montag in Berlin.

Das Vertrauen in die deutsche Regierung stieg demgegenüber um einen Prozentpunkt auf 50 Prozent. Professor Klaus Siebenhaar, Direktor des Instituts für Kultur- und Medienmanagement an der Freien Universität Berlin, erklärt diese im internationalen Vergleich hervorstechende positive Bewertung mit einem “Merkel-Effekt”. Der Kanzlerin werde als Person großes Vertrauen entgegengebracht und dieses auf die gesamte Regierungsarbeit projiziert.

Traditionelle Medien verlieren an Glaubwürdigkeit

Traditionelle Medien wie Zeitungen und Zeitschriften sowie Fernseh- und Rundfunksender halten in Deutschland nur noch 66 Prozent der Befragten für glaubwürdig – neun Prozent weniger als noch im Jahr zuvor. Dennoch wird ihnen hierzulande weiter das größte Vertrauen entgegengebracht, wenn es um Nachrichten und allgemeine Informationen geht. Erst mit deutlichem Abstand folgen Internet-Suchmaschinen (47 Prozent), Hybrid-Medien wie Blogs oder Nachrichten-Webseiten (36 Prozent) sowie soziale Medien (31 Prozent) und unternehmenseigene Publikationen (30 Prozent).

Dieses Ergebnis steht in einem deutlichen Gegensatz zur internationalen Entwicklung. Weltweit haben Internet-Suchmaschinen (64 Prozent) in diesem Jahr zum ersten Mal die traditionellen Medien (62 Prozent) als glaubwürdigste Quelle abgelöst. Auch soziale Medien und Unternehmenspublikationen gewannen deutlich an Vertrauen (jeweils plus drei Prozentpunkte auf 48 und 47 Prozent).

So können Unternehmen das Vertrauen wieder stärken

Der allgemeine Vertrauensrückgang trifft in Deutschland die Unternehmen mit einem Verlust von zwölf Prozentpunkten gegenüber 2013 am härtesten. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, bei mangelndem Vertrauen Produkte oder Dienstleistungen nicht zu kaufen. Im Gegensatz dazu erklärten 77 Prozent, Angebote von Marken anzunehmen, die sie für glaubwürdig halten. 52 Prozent kritisieren Unternehmen im Gespräch mit Freunden und Kollegen, wenn sie sie nicht für vertrauenswürdig halten. Dagegen empfehlen 57 Prozent “ihre” Marken und Unternehmen.

Was die Kunden erwarten, wissen sie selbst genau. Im Edelman Trust Barometer formulieren die Befragten klare Forderungen an Unternehmen: Sie sollen mit ihren Produkten und Dienstleistungen einen Beitrag zu einer produktiveren Gesellschaft leisten. 57 Prozent der Befragten glauben, Produkte werden nicht ausreichend getestet, bevor sie auf den Markt gebracht werden. Unternehmen können also beispielsweise Vertrauen schaffen, indem sie Testergebnisse veröffentlichen oder sich glaubwürdige Partner aus Wissenschaft oder NGOs suchen.

Deutsche stehen Innovationen skeptisch gegenüber

Für die 15. Ausgabe des Trust Barometers hat die Agentur Edelman erstmals das Vertrauen in Innovationen untersucht – mit einem eindeutigen Ergebnis: In Deutschland sagen 57 Prozent der Befragten, die Geschwindigkeit, mit der neue Geschäftsideen entwickelt und sich Produktwelten verändern, sei zu hoch. “Unternehmen stehen damit vor einem Balanceakt: Sie müssen innovativ sein, um ihre Zukunft abzusichern. Gleichzeitig laufen sie Gefahr, ihre Kunden zu verlieren, wenn sie Geschäftsideen, Produkte und Dienstleistungen zu schnell weiter entwickeln und nicht ausreichend erklären”, erklärt Susanne Marell, CEO von Edelman Deutschland.

Besonders groß ist die Innovationsskepsis in Bezug auf die Schiefergasförderung Fracking, der nur 21 Prozent der Deutschen Vertrauen entgegenbringen – weltweit vertrauen der Technik 47 Prozent. Auch die Informationstechnologie steht vor einer großen Herausforderung in Sachen Glaubwürdigkeit: Cloud Computing vertrauen nur 30 Prozent (weltweit 55 Prozent), mobilen Gesundheits- und Fitnessmessern nur 33 Prozent (weltweit 59 Prozent), elektronischen und mobilen Zahlungsdiensten nur 48 Prozent (weltweit 69 Prozent).

Die Studie

Das Edelman Trust Barometer ist eine jährliche Studie der PR-Agentur Edelman zu Vertrauen in und Glaubwürdigkeit von Regierungen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Wirtschaft und Medien, die in diesem Jahr zum 15. Mal durchgeführt wurde. Die Umfrage wurde von der Marktforschungsfirma Edelman Berland entwickelt, die Datenerhebung erfolgte mithilfe von 20-minütigen Online-Interviews. Der Erhebungszeitraum lag zwischen dem 13. Oktober und 24. November 2014. Für das Edelman Trust Barometer 2015 wurden in 27 Ländern jeweils 1.000 Personen aus der allgemeinen Bevölkerung sowie 200 weitere (USA und China: 500) Meinungsführer im Alter von 25 bis 64 Jahren befragt.