Clevere Rundschau

Die Inspiration kam während des Auslandssemesters an der kalifornischen Universität Santa Barbara Mitte 2005. Dominic Schwickert, Politikstudent aus Münster, fiel damals die Menge an Studentenzeitschriften auf, in denen Studierende bereits vor Ende ihres Studiums wissenschaftlich publizieren konnten. So etwas müsste es bei uns auch geben, dachte Schwickert. Hausarbeiten, gut recherchiert und zeitintensiv, sollten nicht nur beim Professor landen, sondern auch an die Öffentlichkeit gelangen.
Die Idee für ein eigenes Magazin war geboren. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland habe er sich sofort „mit ein paar Freunden an den WG-Tisch gesetzt und lange diskutiert“, sagt Schwickert. So gründete er zusammen mit sechs Freunden einen Verein, um „360 Grad – Das studentische Journal für Politik und Gesellschaft“ zu publizieren. Keiner der Ini­tiatoren hatte redaktionelle Erfahrung.
„Wir haben es einfach versucht“, sagt der Politikwissenschaftler. Mit Erfolg. Heute gehören dem Verein 55 Mitglieder an: Studenten aus Münster, Marburg, Hamburg, Berlin und Freiburg. Ein Kuratorium und ein wissenschaftlicher Beirat bieten ihnen fachliche Unterstützung, sonst machen die Studenten alles selbst: Von Redaktion über PR, Marketing und Vertrieb. Arbeiten aus den Sozial- und Geisteswissenschaften bilden den Schwerpunkt von „360 Grad“ – insbesondere politikwissenschaftliche Artikel. In jeder Ausgabe wird – dem Namen des Magazins entsprechend – ein bestimmtes Thema aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Studenten können Artikel für jede Ausgabe nach einem „Call For Papers“ im Voraus einreichen. „Im Durchschnitt haben wir 30 bis 40 Einsendungen“, sagt Schwickert. Für die sechste Ausgabe zum Thema „Krieg und Frieden“, die im April erscheinen wird, gingen sogar über 60 ein. Davon werden aber letzlich nur acht publiziert. Zu jedem Text schreiben jeweils zwei Gutachter aus dem wissenschaftlichen Beirat ein fachliches Gutachten. „Für uns ist das eine Art Rückendeckung“, erklärt Dominic Schwickert. „Das Letztentscheidungsrecht darüber, welcher Artikel publiziert wird, liegt aber bei der Redaktion.“

Wissenschaft mit Pfiff

„Wir wollen Wissenschaft mit einem journalistischen Schliff“, sagt Schwickert.  Wer das handliche Journal aufschlägt, findet pointierte wissenschaftliche Artikel in ansprechender Form: Nicht nur theorie­lastige Texte fürs Gehirn, sondern auch Fotostrecken und Illustrationen fürs Auge. Der „360 Grad“-Leser kann etwa erfahren, was die sizilianische Mafia-Organisation Cosa Nostra und die deutschen Grünen gemeinsam haben. Die Artikel haben griffige Titel, ihre Sprache ist flott, oft mit ironischem Beiklang. Gast-Essays, Kommentare, Rezensionen und Experten-Interviews runden das Konzept ab.
Finanziert wird „360 Grad“ hauptsächlich über Anzeigen und zu etwa einem Drittel über den Verkauf. Mit einer Auflage von bislang 3500 Exemplaren – mit der nächsten Ausgabe soll aus symbolischen Gründen auf 3600 erhöht werden: „360 Grad“ mit 3600 Ausgaben zu einem Preis von 3,60 Euro – wird das Journal über den Verkauf an Ständen direkt an den Universitäten, über ein Online-Bestell-System sowie über Buchhandlungen und Copyshops vertrieben.
„20 bis 25 Stunden die Woche arbeite ich schon für das Journal“, sagt Stefan Collet, Politikstudent in Marburg. Neben dem Studium eine nicht geringe Belastung. Aber Collet betont: „Man kriegt auch eine Menge dafür. Was ich in den drei Jahren gelernt habe, kann mir kein Studium bringen.“ Drei Jahre gibt es „360 Grad“ jetzt, und die Gründergeneration verabschiedet sich langsam. Die meisten beenden ihr Studium – so wie Schwickert und Collet. Schwickert hat die Chefredaktion bereits im Sommer 2008 abgegeben, Collet hat sich im Januar vom Vereinsvorstand verabschiedet. Sie wollen das Heft an die nächste Generation überführen, die die Marke weiter etablieren soll. Collet: „Ich glaube, wir haben es geschafft, wenn jemand im Seminar aufsteht und sagt: ‚Ich habe in der „360 Grad“ gelesen, dass…’“.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Bonn.. Das Heft können Sie hier bestellen.