„Berlin ist nicht fein“

p&k: Frau von Hardenberg, ist die Hauptstadt-Gesellschaft eine feine Gesellschaft?
Isa von Hardenberg: Die Münchener und Hamburger sind sicherlich eleganter, dort gibt es eine festgefügte Gesellschaft. In Berlin erfindet sich die Gesellschaft ständig neu. Sie ist nicht homogen, sondern viel interessanter, locker und originell, aber nicht „fein“.

Beobachten Sie die Lockerheit auch in Kleidungsfragen bei offiziellen Anlässen?
Das hat sich stark gewandelt. Als ich hier anfing, war Smoking ein Fremdwort. Inzwischen sind einige Gäste sogar bei der Berlinale im Smoking erschienen.

Offizielle Anlässe im politischen Berlin sind stark vom Protokoll geprägt. Sind unsere Politiker trittfest?
Es kommt auf die Persönlichkeit an. Bundespräsident Horst Köhler ist ein leuchtendes Beispiel für große Eleganz. Bundestagspräsident Norbert Lammert zeigt sich ebenfalls sehr gewandt und gebildet, auch Karl-Theodor zu Guttenberg ist ein wunderbares Beispiel: Er ist unabhängig und hat sehr gute Manieren. Das kann man nicht bei allen Politikern voraussetzen.

Haben die vielen Diplomaten einen positiven Einfluss auf das gesellschaftliche Leben der Stadt?
Ja, und einige ganz besonders. Das russische Botschafterpaar hat es etwa geschafft, auf seinen Festen ganz Deutschland zu vereinen. Darauf kommt es ja an: Menschen aus den unterschiedlichsten Regionen zusammenzubringen. Auch die Italiener geben sehr elegante Empfänge, die Franzosen oder der scheidende griechische Botschafter ebenso. Es gibt sechs bis acht Botschaften, die sehr aktiv sind und das gesellschaftliche Leben ungemein bereichern.

Wenn Sie Veranstaltungen organisieren, zu denen auch hochrangige Staatsgäste kommen, was ist da zu beachten?
Man muss die Sitzordnung stark protokollarisch ausrichten. So werden Botschafter nach der Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland platziert und nicht nach Größe ihres Landes. Das Protokoll muss man schon beherrschen. Und Botschafter sind da sehr empfindlich.

Gibt es Unterschiede zwischen deutschen Politikern und ausländischen, was die Beherrschung des Protokolls angeht?
Ja. Die Engländer zum Beispiel beherrschen das Protokoll perfekt. Man merkt es gar nicht, es funktioniert leise und perfekt. Hier wird sehr stark auf die Einhaltung geachtet. In Spanien spielt das Protokoll eine besonders große Rolle.

Gibt es ein paar Tipps, die man unbedingt beachten muss, wenn man sich auf gesellschaftlichem Parkett bewegt?
Besonders wichtig ist es, Respekt vor seinem Gegenüber zu haben, ob man den Menschen mag oder nicht. Schon daraus entstehen Höflichkeit und eine gewisse Zurückhaltung.

Äußert die sich auch in Äußerlichkeiten, etwa dem Aufstehen bei Tisch?
Das ist natürlich ein weites Feld. Steht ihre Tischnachbarin auf oder kommt zurück, ist es schön, wenn Männer aufstehen und den Stuhl zurechtrücken. Doch da gibt es wirklich schlimmere Sünden.

Was denn?
Es ist zum Beispiel sehr unhöflich, nicht mit seinen Nachbarn zu sprechen, sich selbst übermäßig in den Vordergrund zu rücken oder unter dem Tisch ständig auf den Blackberry zu gucken.

Und das darf man nicht ausnahmsweise doch, wenn es etwas Wichtiges ist?
Schon, wenn etwa die Frau im Kreißsaal liegt. Aber bei den meisten ist es eine Reflexhandlung: Sie schauen direkt darauf, sobald sie sitzen. Aber man merkt: Je höher die Position, desto seltener passiert das. Vor allem das mittlere Management sitzt immer mit dem Blackberry da.

Wann überreiche ich denn die Visitenkarte?
Ich würde sie dem Gesprächspartner auf keinen Fall sofort in die Hand drücken. Ich plädiere dafür, dass man erst einen gewissen Kontakt aufbaut und die Karte dann überreicht, wenn danach gefragt wird. Da gibt es aber keine feste Regel. Wichtig ist, dass Sie Visitenkarten nicht einfach wegstecken, sondern höflich kurz ansehen.

Angenommen, ich stehe in einem Veranstaltungs-Verteiler und bekomme immer Einladungen, nehme sie aber nie an. Ist es sehr wichtig, eine Rückmeldung zu geben?
Unbedingt. Es gibt Einladungen zu Veranstaltungsreihen, zu denen man sich nur dann rückmelden muss, wenn man teilnehmen möchte. Wogegen wir in Berlin aber stark ankämpfen, das ist die Unsitte, dass die Gäste zusagen und dann doch nicht kommen.

Wie gehen Sie damit um?
Wir vermerken das und fragen beim nächsten Mal sicherheitshalber noch einmal nach, ob die Person denn kommt. Beim dritten Mal als „no show“ wird sie von der Liste gestrichen. Es ist wirklich ärgerlich, wenn die Plätze leer bleiben. Ich habe es schon bei anderen Veranstaltungen erlebt, dass zwei Gäste an einem riesigen Tisch saßen, weil die anderen acht nicht erschienen sind.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Nerven Sie nicht! – Der Knigge für den politischen Alltag. Das Heft können Sie hier bestellen.