„Es gibt noch Baustellen“

p&k: Frau Ypsilanti, ist das ISM ein klassischer Think-Tank?
Andrea Ypsilanti: Wir selbst bezeichnen uns nicht so. In der Regel sind Think-Tanks in ihren Möglichkeiten begrenzt, weil sie durch ihren Auftrag an eine Institution gebunden sind, die beraten werden will. Wir dagegen sind von niemandem beauftragt. Unsere Gründung war eine politische Entscheidung der Gründungsmitglieder, gemeinsam über eine solidarische Gesellschaft nachzudenken. Deshalb nennen wir uns nicht Think-Tank, sondern Programmwerkstatt.
Durch was zeichnet sich die Arbeit des Instituts aus?
Wir wollen mit vielen politischen Akteuren einen Diskurs und eine Debatte über ein zukünftiges politisches Konzept führen. Dazu haben wir die Methode des „Crossover“-Ansatzes gewählt. Das heißt: Im Institut Solidarische Moderne arbeiten die progressiven politischen Parteien, Wissenschaftler, Gewerkschaftsmitglieder sowie Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen und Zivilgesellschaft zusammen.
In seinem Gründungsaufruf fordert das ISM einen ‚neuen Politikentwurf‘. Konnten Sie den liefern?
Unser Anspruch ist nicht, schnell etwas auf den Tisch zu legen. Wir haben erst einmal an Methoden und Regeln gearbeitet, um diesen Prozess des „Crossover“-Ansatzes produktiv zu gestalten. Wir haben an unsere Arbeit einen wissenschaftlichen Anspruch: Transparenz und Partizipation. Das braucht Zeit.
Das ISM hat rund 1500 Mitglieder. Eine beachtliche Zahl für eine Denkfabrik.
Wir setzen auf solidarisches Arbeiten – und zwar in gegenseitigem Respekt vor unterschiedlichen Positionen. Wir wollen die Mitglieder unseres Instituts – samt ihrer Kompetenzen – miteinbeziehen. Dazu braucht es Regeln und neue Methoden, die wir im vergangenen Jahr erfolgreich erarbeitet haben.
Spüren Sie, dass die Basis ungeduldig wird?
Ja, viele Mitglieder wollen mehr Ergebnisse sehen. Das ist verständlich, denn oft führen wir einen Kampf gegen die Zeit – zum Beispiel in der Klimadiskussion. Deswegen haben wir bei unserer „Summer Factory“ Mitte September auch ein umfangreiches Papier zum sozial-ökologischen Umbau vorgelegt.
Gibt es in Deutschland eine Skepsis gegenüber Think-Tanks?
Ich denke schon. Bei einigen ist sie auch begründet, weil die Arbeit eben nicht transparent ist und ganz offensichtlich nur Ergebnisse im Sinne des Auftraggebers produziert. Der Vorteil für diese Institutionen ist, dass sie finanziell abgesichert sind. Wir dagegen wollen unabhängig arbeiten. Die Beiträge der Mitglieder und deren Spenden finanzieren uns.
Reicht das für die tägliche Arbeit aus?
Wir könnten viel mehr Projekte starten, wenn wir mehr Geld hätten. Wir arbeiten noch daran, unsere finanziellen Ressourcen durch Spendenwerbung zu verbessern. In unserem Gründungsaufruf steht: Fragend schreiten wir voran. Und so ist es auch, es gibt durchaus noch Baustellen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Think-Tanks – Ihre Strategien, ihre Ziele. Das Heft können Sie hier bestellen.