p&k: Herr Greiner, wie sieht Ihr Fazit sieben Monate nach der Verbandsgründung aus?
Thomas Greiner: In dieser Zeit konnten wir bereits einiges erreichen. Wir haben einen Tarifvertrag geschlossen und nehmen in der Pflegekommission des Bundesarbeitsministeriums eine aktive Rolle ein. Unsere Mitgliederzahl steigt, wir haben die Strukturen des Verbands ausgebaut und wir haben soeben einen Geschäftsführer ernannt.
Wie viele andere Interessenvertreter auch, haben Sie sich für Berlin als Verbandssitz entschieden. Warum?
Ein ganz entscheidender Vorteil sind natürlich die kurzen Wege in Berlin. Außerdem ist die Dussmann-Gruppe als größtes Unternehmen im Verband seit vielen Jahren mit der Politik gut vernetzt.
Der Arbeitgeberverband Pflege hat sich rund drei Monate vor der Bundestagswahl gegründet. Ein Zufall?
Den Gedanken der Verbandsgründung gab es schon länger. Nicht die Wahl hat am Ende den Ausschlag gegeben, sondern vielmehr ein Gesetz des Bundesarbeitsministeriums. Im Februar vergangenen Jahres entschied der damalige Bundesarbeitsminister Olaf Scholz, eine Pflegekommission einzusetzen, die einen Mindestlohn für unsere Branche vorschlagen sollte.
In dieser Kommission sollte die private Pflegebranche zunächst keinen Sitz bekommen.
Das konnte nicht sein – und das haben wir den Politikern gesagt. Wie soll eine Kommission einen Vorschlag für einen Mindestlohn erarbeiten, wenn 50 Prozent der Branche nicht vertreten sind?
Wie haben Sie es geschafft, dass das Ministerium Ihrer Branche einen Sitz geben hat?
Durch viele Gespräche. Dabei musste ich wiederholt feststellen, dass die Politik, genauso wie die Gesellschaft und Wirtschaft, das Thema private Pflegebranche nicht genügend auf dem Bildschirm hatte. Trotzdem entwickelte sich im Verlauf der Gespräche eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Ministerium.
Warum fehlt das Verständnis?
Ich frage Politiker oft, welchen Anteil sie der privaten Pflegebranche in Deutschland geben. Meistens bekomme ich 5 oder 10 Prozent als Antwort, dabei sind es – ambulante und stationäre Einrichtungen zusammengenommen – 50 Prozent. Diesen Aha-Effekt müssen wir nutzen, um klarzumachen, dass das Thema Pflege das entscheidende Zukunftsthema ist. Heute arbeiten zirca 800.000 Menschen in Pflegeberufen – so viele wie in der Automobilindustrie. Bis 2050 wird sich diese Zahl mehr als verdoppeln.
Hat sich der Regierungswechsel auf Ihre Arbeit ausgewirkt?
Die Dinge haben sich geändert. Es war die alte Bundesregierung, die die Pflegekommission eingesetzt hat. Dort sollte ein Vorschlag zum Mindestlohn erarbeitet werden, der dann vom zuständigen Minister umgesetzt werden musste. Nun hat die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag beschlossen, dass ein Mindestlohn eines Kabinettsbeschlusses bedarf. Auch hat sich das Verständnis für unsere Sicht der Dinge geändert; vor allem die FDP vertritt eine ganz andere Position als die SPD beim Thema Mindestlohn.
Sie vertreten den Verband in der Kommission. Wann kann das Kabinett einen Mindestlohn für den Pflegebereich beschließen?
Meine Prognose ist der 1. Juli dieses Jahres – unter der Voraussetzung, dass sich die Kommission einstimmig einigt. Ich gehe davon aus, dass die FDP dem Vorschlag nur dann zustimmen wird.
Zu geringe Löhne gefährden den Ruf der Pflegebranche. Ein Mindestlohn von 10 Euro, wie die Gewerkschaft Verdi ihn fordert, könnte das Ansehen steigern.
Unser Ziel ist es, mit den Gewerkschaften gut zusammenzuarbeiten. Ich kann jedoch nicht an den ökonomischen Gegebenheiten vorbeirechnen. Unser Verband schlägt daher 7,50 Euro für Ost- und 8,50 Euro für Westdeutschland vor. Ich bin ein Optimist und gehe davon aus, dass wir uns einigen werden.
Wie wollen Sie die Öffentlichkeit über die Verbandsziele nach dem 1. Juli informieren?
Entscheidend für uns ist, dass wir das Image der Pflege, insbesondere aber auch das Wissen über den Stellenwert der privaten Pflege, verbessern. Dafür müssen wir neben der Politik auch in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für den Wert der Pflege schaffen. In diesem Zusammenhang denken wir auch über Kampagnen nach, klar ist aber: Die Pflegebranche ist, was die Profitabilität angeht, nicht die Automobilindustrie. Es sind viele Mittelständler in unserem Verband, die solche zusätzlichen Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit erst refinanzieren müssen.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Leadership – Was bedeutet gute Führung?. Das Heft können Sie hier bestellen.