Beim Netzwerken kommt es auf die Methode an

Praxis

Die Bundestagswahl ist vorbei, die politische Landschaft verändert sich. Als die Koalitionsverhandlungen begannen, bezogen sowohl erfahrene Parlamentarier als auch neu gewählte Abgeordnete ihre Büros in Berlin-Mitte. Durch die veränderte Sitzverteilung und neue Gewinner und Verlierer der Wahl verschieben sich die Machtverhältnisse – mit spürbaren Auswirkungen auf die politische Kommunikation von Agenturen, Unternehmen und Verbänden. Die neue Stakeholder-Landschaft bringt sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich.

Im vorpolitischen Raum müssen Sie jetzt bestehende Kontakte unter neuen Gegebenheiten aufrechterhalten und neue Beziehungen aufbauen – kurz: Sie pflegen und erweitern ein belastbares Netzwerk. Das Kontaktnetzwerk allein ist – entgegen manchem Anschein – aber kein Allheilmittel für politischen Einfluss: um politische Ziele zu erreichen, sollten Sie Themen anschlussfähig aufbereiten und kommunizieren.

Ein belastbares Kontaktnetzwerk?

Die Forderung nach einem „belastbaren Kontaktnetzwerk“ begegnet mir immer wieder – sei es im Gespräch mit Kunden, in Ausschreibungen für Public-Affairs-Positionen oder bei Pitches. Auf den ersten Blick erscheint das nachvollziehbar. Doch bei näherer Betrachtung stellen sich zwei wesentliche Fragen: Was genau ist ein belastbares Netzwerk? Und wie trägt es konkret bei, Ziele in der Public-Affairs-Arbeit zu erreichen?

Die Zuschreibung „belastbar“ ist wolkig. Wichtig ist, dass es jederzeit greifbar ist: Beantworten Sie einen Anruf, eine Nachricht oder eine Bitte um Rat kurzfristig. Teilen Sie relevante Dokumente ohne Umschweife. Nicht selten (und vielleicht sogar bestenfalls) sind solche Beziehungen organisch entstanden: aus dem gemeinsamen Studium, einer früheren Zusammenarbeit oder regelmäßigen Begegnungen auf politischen Veranstaltungen und Fachkonferenzen.

Die eigentliche Herausforderung liegt jedoch darin, dieses Netzwerk gezielt zu nutzen. Wer ein belastbares Netzwerk fordert, setzt voraus, dass ein solches in der Public-Affairs-Arbeit dabei hilft, die eigenen Ziele oder die des Auftraggebers zu erreichen.

Zielgerichtet statt beliebig einsetzen

Viele Public-Affairs-Beraterinnen, Government-Relations-Verantwortliche oder Verbandsreferenten würden zustimmen, dass ein gutes Netzwerk die Arbeit erleichtert. Frühen Zugang zu Referentenentwürfen zu erhalten, die Hintergründe neuer Entwicklungen in Ministerien und Parlament zu kennen oder vorab über personelle Veränderungen informiert zu sein, ermöglicht es, relevante politische Initiativen zu antizipieren, darauf zu reagieren und im weiteren Verlauf aktiv mitzuwirken. Ganz zentral geht es hier also um Wissen und Information.

Knifflig wird es, wenn das eigene Netzwerk nicht nur als Informationsquelle dienen, sondern helfen soll, eigene Ziele zu erreichen. Viele sehen das Netzwerk dabei als Allheilmittel, das jede Herausforderung löst. Manche Ausschreibungen für PA-Agenturen oder Kundenanfragen im Berateralltag suggerieren, dass man mit den richtigen Kontakten jedes politische Panel besetzt, jedes regulatorische Thema platziert und jede Unternehmens- oder Verbandsposition Gehör findet.

Aber so einfach ist es nicht! Schließlich zeigen allein die fortlaufenden Ausschreibungen, dass die „richtigen Kontakte“ ein flüchtiges Gut sind.  Während es relativ einfach ist, im eigenen Netzwerk Ideen und Informationen auszutauschen, stößt dieses Netzwerk schnell an seine Grenzen, wenn es um die Durchsetzung eigener Interessen geht. Und das ist auch gut so.

Gute persönliche Kontakte beruhen auf Vertrauen, aber auch auf Respekt vor der offiziellen Funktion des Gegenübers. Die wenigsten würden die eigene Funktion oder Organisation zugunsten persönlicher Beziehungen zurückstellen. Ein persönlicher Kontakt allein reicht nicht aus, um einen Staatssekretär, Abgeordneten oder Branchenvertreter für ein Panel ohne relevantes Thema zu gewinnen. Erst recht nicht, wenn es um Unterstützung für eine Position geht, die der Agenda der Partei oder der Organisation des Gegenübers widerspricht.

Ebenso wenig bedeutet ein guter Draht, dass die Bekanntschaft ihre eigenen Kolleginnen oder Vorgesetzten mit allen Anliegen des persönlichen Netzwerks behelligen kann. Netzwerke sind sicherlich ein wertvolles Werkzeug. Doch sie können durchdachte Strategien und relevante Inhalte nicht ersetzen.

Netzwerke sind Werkzeug, nicht Selbstzweck

Eine gute PA-Beraterin oder ein guter PA-Berater nutzt Netzwerke nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel, um fundierte Informationen zu gewinnen. Um Kundeninteressen voranzutreiben, stellt sie oder er die Themen in den Vordergrund. Entscheidend dabei ist, dass Sie die Themen dort platzieren – wo sie als relevant wahrgenommen werden. Klare und anschlussfähige Botschaften, die sich in den aktuellen politischen oder regulatorischen Kontext einfügen, sind unverzichtbar.

Ich habe drei Grundsätze formuliert, die dabei helfen können, die richtigen Ansprechpartner auch ohne vorherigen Kontakt für das eigene Anliegen zu gewinnen:

  • Fachliche Zuständigkeit als Ausgangspunkt: Kontaktieren Sie Stakeholder, weil sie fachlich zuständig sind. Machen Sie bereits in der Anfrage klar, warum der Austausch gerade für sie in ihrer Funktion wertvoll sein kann. So profitieren beide Seiten von der Kontaktaufnahme.
  • Relevanz des Themas: Bereiten Sie das Thema gut auf, um das Interesse potenzieller Gesprächspartner zu wecken. Arbeiten Sie einen aktuellen Bezug zur Arbeit des Gegenübers und den Beitrag zur gemeinsamen Zielsetzung heraus.
  • Passendes Format: Ob persönliches Gespräch, Event oder Workshop – das gewählte Format sollte den Stakeholdern einen erkennbaren Mehrwert bieten. Leitfrage ist nicht „what’s in it for me?“ sondern vielmehr „what’s in it for us?“

Ein belastbares Netzwerk bleibt ein wertvolles Werkzeug. Es kann inhaltliche Substanz aber nicht ersetzen. Wer sich auf fachliche Relevanz, die richtige Ansprache und die strategische Platzierung von Inhalten konzentriert, wird langfristig erfolgreicher sein.

In diesem Sinne können Public-Affairs-Verantwortliche nun auch in der neuen Legislaturperiode relevante Stakeholder definieren und Aufhänger identifizieren: Wer ist künftig fachlich für unternehmensrelevante Themen zuständig? Welche Personen treffen Richtungsentscheidungen in den wichtigen Politikfeldern? Und wie können die eigenen Positionen anschlussfähig für ihre Herausforderungen und Zielsetzungen aufbereitet werden? So gelingt die politische Einflussnahme: mit und ohne persönliche Beziehungen.